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13.09.14 - P-Weg Marathon

Grenzerfahrungen

Autor: Joe Kelbel

Mein G für den A

 

Der Anstieg ist sehr steil, ich muss den Fuss schräg aufsetzten. Meine Achillessehne ist noch relativ schwach, sodass ich die Kraft vom Gesäß auf den Fuss übertragen muss, was nicht easy ist. Den Ausdruck  mit „G“ habe ich jetzt nur zur Überleitung benutzt:

Die Frau prahlt: „Wir sind so glücklich verheiratet, wir nutzen sogar dieselben Waschlappen, auf dem einen steht „A“ für Antlitz, auf dem andere „G“ für Gesäß.“ Sagt der Mann: „ Ich dachte all die Jahre  „G“ steht für Gesicht und „A“ für Arsch!“

Kopfkino ist unbezahlbar, jedenfalls trägt dieses Ehepaar wohl mehr als die durchschnittlichen 2 kg Mikroorganismen, die in und auf einem Menschen leben. Ich habe auch genug beim Anstieg von Teindeln nach Grävinglöh zu schleppen, aber wenige Lactobakterien.

 
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Klaus überholt mich. Ich erzähle ihm von meiner bevorstehenden Kambotschatour. Es wäre ein 100 Euro-Flug von seiner Wohnung dorthin.  Er wohnt in Singapur, ist dort Geschäftsführer  der Zweigniederlassung einer Plettenberger Firma, weltweit Marktführer für Schiffschrauben. Ein Grund, weswegen viele Schiffe in Singapur Station machen.

Die Erzfelder am Hohen Molmert (574m) haben Plettenbergs Hightechwissen begründet. Es ist unser längster Aufstieg bis dorthin, der ist aber garniert von unzähligen Verpflegungsstationen. Auch das ist eine Grenzerfahrung: Ich muss einige VP´s auslassen, es gibt zuviel zu essen!  Erst bei der Wiehardt (km 33) kann ich wieder Blut- und Fleischwurstbrote essen. Dann geht es steil hinab nach Hüingshausen.

Hier können wir wegen Bauarbeiten nicht wie sonst über das Firmengelände der Fa Schröder laufen. Die Firma stellt Metall/Kunstoffhybride für die Automobilindustrie her.  Der ein Kilometer lange Umweg führt uns durch die Altstadt von Hüingshausen, dann überqueren wir die Else.  Die Märkische Eisenbahn diente einst zur Anbindung der metallverarbeitenden Industrie an die Absatzmärkte. Nun ist sie Museumseisenbahn.

Der vierte Aufstieg beginnt in Rammsiepen. Jede Wurzel, jeder Stein ist mit grüner Leuchtfarbe gekennzeichnet, denn morgen werden 1000 MTBler sich hier hochquälen.
Die Startplätze für die Bikerstrecken waren am 25. Mai nach nur 40 Minuten ausgebucht.

 
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Auch die Startplätze für Läufer sind schnell ausgebucht. Wie schön wäre es, wenn der P-Weg das Limit (für Biker und Läufer je 1000 ) erhöhen könnte. Die Nachfrage ist da. Nur Ultraläufer dürfen sich ausnahmsweise noch unmittelbar am Starttag anmelden.

In Himmelmert (km 40)  kennt man mich wegen meiner letztjährigen Berichte. Ich soll unbedingt zum Reibekuchenessen morgen vorbeikommen, wenn die 1000 Radfahrer diesen 600-Einwohnerort überfallen. Bock hätte ich schon, aber 73 km mit dem MTB ist mir dann doch zu verrückt.

Wir biegen ab, Richtung Oestertalsperre, km 43,5 -  Cut-Off Zeit 7:30 Std.  Am Ende der Talsperre (1904) überqueren wir die Oester.

 

Höhenflug

 

Fünfter Aufstieg zum Forsthaus Ebbe ( km 46). Noch mache ich beim VP Witze über die fehlende Ecke eines Fliegenpilzes, bald schon sollte ich eine neue Grenzerfahrung machen.

Bis Windhausen (km 54) laufe ich allein. Bei den vorangegangenen P-Weg-Läufen traf man sich hier oben in der Sommerglut, heute erklärt mir der saukalte Wind den Ortsnamen.

In irgendeinem Bericht hatte ich von den Erzgruben hier beim folgenden Anstieg  berichtet. Jetzt erkenne ich sogar einen neuen, kleinen Personenförderzug, das weckt meine Neugierde.

 
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Wir kreuzen den Sauerland Höhenflug, ein 200 km Wanderweg auf dem Aussichtspunkt Rehbiegenholte. Sehr schöner Blick von hier bis zum Rothaargebirge und Burg Schnellenberg.  Ein Trailstück, von dem ich aus irgendwelchen Gründen oft träume: es ist ein uralter Höhenweg entlang der Bergweiden. Knorrige Eichenbäume, prall gefüllte Weissdornbüsche und darunter die lieblichen blauen Blüten der rundblättrigen Glockenblume.

Bei der Schutzhütte „Vier Kreuze“ hatte der Wirbelsturm Kyrill ganze Abeit geleistet. Im neu gewachsenen Gestrüpp treffen zahlreiche Wanderwege zusammen. Roter Wacholder, Haselnuss und Ginster kämpfen um die Vorherrschaft. Ich kämpfe mich hinauf in den Trockenwald, der bald von Krüppeleichen abgelöst wird. 55 km sind geschafft. In Helfenstein hilft man mit Mettbrötchen.

Das Wasser von Sonneborn (km 58) wird direkt nach Plettenberg geleitet.  Der Ritter von der Schwarzenburg sollte die Quelle bewachen.  Als ein tauber Wanderer vorbei kam, erkannte der Ritter seinen Erzfeind, trat  ins Wasser und zerstörte die Wunderkraft der Quelle. Aus Strafe wurde der Ritter ebenfalls taub. Noch heute ist dies der einzige Ort, an dem man  die Kirchturmglocken von Plettenberg, obwohl sichtbar, nicht hören kann.Von hier oben zerschossen die Amerikaner den Kirchturm, bevor sie ins verlassene  Plettenberg marschierten. Cut-Off Zeit 10:30 Std. Anstieg zum Pattberg. Seit 3 Stunden bin ich keinem Läufer mehr begegnet.

In Landemert überquere ich die Grüne (km 61).  Hier gibt es eine richtige Tropfsteinhöhle, das „Höllenloch“. Der Eingang ist mit einer eingefallenen Stahltür versehen. Der sechste Aufstieg, hoch zum Ebbekamm wird durch einige junge Dj´s musikalisch versüsst. Der Bärenberg ist nach 65 km schon ne echte Hausnummer. Hier gibt es drei gut erhaltenen offen Bergbaustollen (Kupfer und Silber), der älteste, St. Caspar, wurde vor über 1000 Jahren in Betrieb genommen (gegenüber Gasthaus Heveschotten). Es gab Überlegungen, den Betrieb wieder aufzunehmen, daraufhin wurden die Stollen unter Denkmalschutz gestellt. Auf einer Wiese sieht man deutlich einen dunkelgrüner Trichter, ein verschütteter Stolleneingang.

 

Pilz statt Pils

 

Der Waldboden ist schlagartig mit dichten Büschen von Hallimasch-Kolonien übersäht. Sämtliche Fruchtkörper entstammen einem einzigen Pilzorganismus. Ein Verpflegungsposten läuft mit gefülltem Körbchen durch den lichten Wald. Ich mache noch einen Witz, er sagt aber tatsächlich: „Ja, es gibt Pilze am nächsten VP!“

Und dann stehe ich vor der großen Pilzpfanne. Der Geruch von Speck und Zwiebeln dringt in meine Ultranase. Es sieht sowas von lecker aus. Aber die Köchin sagt: „ Nein, nicht Joe! (Mein Name steht auf der Startnummer) Die sind noch nicht durch! Lass es! “ Doch der Leser muss informiert sein. Und ich  bin bekloppt und finde es bekloppt, hier ne Pilzpfanne zu finden. Also rein mit den deftigen Happen. Und noch ein Häppchen und noch eins. Eigentlich merke ich sofort am Geschmack, dass dies ne Scheißidee ist, aber ein Ultraläufer finisht, was er begonnen hat. Auch wenn es scheißbitter ist. Blöder Selbstversuch!

Als ich beim Tanneneck (km 68) ankomme, merke ich, dass ich keinen Geschmackssinn mehr habe und nichts zu mir nehmen mag.  Als ich die Strecke kreuze, die wir heute Morgen hinauf zur Bergziege genommen hatten, bereitet sich schon eine heftige Säure in meinem Magen aus.

Wunderschön ist jetzt der Single-Trail „Letzte Ausfahrt Plettenberg“. Nach unendlich langer Zeit sehe ich wieder Läufer, erfreulicherweise sogar bekannte. Liegt es daran, dass ich Pilz habe? Etwa 4 km geht es in Serpentinen hinab, dann landen wir direkt in der Innenstadt. Kleine Runde, dann Zieleinlauf.

Ich habe nun an 40 % der P-Weg-Ultraveranstaltungen teilgenommen, was auch für einen Ultraläufer mit Pilz nicht schwer zu errrechnen ist, denn es war die 10. Austragung. Der P Weg wird wahrlich immer besser! 

Zum Kultstatus braucht es nicht mehr viel. Nur noch das Plettenberglied, dann haben wir einen neuen Rennsteig!

Wenn die Rosen auch vergangen,
Und der Herbst den Wald verheert:
Mägdelein mit ros´gen Wangen,
Die sind mehr als Blumen Wert.
Grüßen uns mit trautem Worte,
Bieten freundlich Trank und Speis´.
Heil und Segen diesem Orte,
Plettenberg dir Lob und Preis!

Nein, Hallimasch machen keinen Rausch, der kommt eindeutig von den überwundenen 73 Kilometern, oder doch von den Mägdelein mit ros´gen Wangen?

Moderator Wolfgang wartet auf mich auf der Bühne. Auch der Bürgermeister Klaus Müller und die Bundestagsabgeordnete Dagmar Freitag, alle haben nur auf mich gewartet. Und unten stehen die Plettenberger und locken mit einer Perle der Natur. Der P-Weg-Ultra ist mein Lieblingslauf, wirklich Ultra, wirklich klasse!

Mein Bericht ist nur ein winziger Teil einer Riesenfete, die sämtliche Plettenberger von Freitag bis Sonntag in Begeisterung hält. Nächstes Jahr wird der P-Weg wegen der Bürgermeisterwahl um ein Wochenende vorgezogen. (05.-06.09.2015). Hört sich ungewöhnlich an. Aber wenn die Plettenberger was machen, dann mit Herzblut, so wie der Bürgermeister, der nur zwei Schläge für den Fassanstich braucht.


Nachtrag:

Hallimasch müssen 20 Minuten durchgegart werden, dann sind sie schmackhaft und das Gift ist neutralisiert. Wer, wie ich, nicht solange warten kann, den erwartet folgendes: Nach exakt 6 Stunden, da bin ich glücklicherweise schon runter von der Autobahn und zuhause, kommt es zu Schüttelfieber und ultraheftigen Grenzerfahrungen am Waschbecken und Klo.  „Hallimasch“ ist übrigens altdeutsch, bedeutet „Heil im Arsch“. Oder steht das „A“ für „G“? Jedenfalls fühle ich mich jetzt leicht und pudelwohl!

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