Und das war es dann. Beim VP km 23 treffe ich die ersten Abbrecher, das steckt an, ich muss mich setzen. Die schwüle Hitze (28 Grad) und der Luftstau hier im Tal haben mich fertig gemacht. Ich sehe wie die ersten zwei Marathonläufer vorbeiziehen. Schnell, aber auch sehr fertig.
Ich bin in Hilfringshausen, ein extrem steiler Anstieg bis nach Selscheid liegt vor mir, ich glaube nicht, dass ich nochmal auf die Beine komme, es ist einsam im Schlußfeld.
Aber P-Weg ist anders. Die Betreuung durch die Helfer, einmalig. Ein warmes Weizen, frischer Kuchen und Schmalzbrote mit Salz, viel kaltes Wasser über die Birne, dazu die Begeisterung der Helfer und ich kämpfe mich auf die Füsse, kämpfe mich weiter, schmerzender Rücken. Bei km 25 treffe ich auf die ursprüngliche Streckenführung, die alte Brücke bei Teindeln. Anstieg. P-Weg Forever! Gummibärchen und Magnesium, es läuft wieder.
Ich habe viele Läufe gemacht, aber die Begeisterung der Helfer beim P-Weg ist einmalig. Der kleinste Pimpf begrüßt dich mit einem „Guten Morgen“ und die großen begrüßen dich schon kilometerweit mit ihrem frenetischen Gejubel. Manchmal ist es mir zuviel, wie oft ich grüßen muss, aber der heutige Leidensweg ist lang, und immer wurde mir geholfen, ob es eiskaltes Bier war, saufrischer Kuchen oder salzige Schmalzbrote, und ich grüße freudig und bedanke mich.
Es gibt keinen anderen Lauf, wo die Helfer so dermaßen gut drauf sind wie auf dem P-Weg. Offiziell stehen die alle 5 km, in den Tälern alle 100 Meter, doch du bekommst auch überall zwischendurch zu Trinken und Essen, das Sauerland in seiner ganzen Härte hat zwischenmenschliche Hilfsbereitschaft geschaffen. Danke.
Ich laufe und laufe, lasse immer mehr Mitstreiter hinter mir, nur noch zwei hemdlose Marathonläufer überholen mich auf den Weg nach oben, sie biegen gleich ab und nehmen die Abkürzung zurück nach Plettenberg. Herrlicher Blick auf die Versetalsperre am Horizont.Wir laufen weiter, vorbei am SGV-Heim „Auf der Wiehardt“ auch hier neue Streckenführung, dann geht es hinab ins Elsetal nach Hüninghausen, oder war es Fertighausen, oder was? Sehr steil, sehr steinig, sehr schmerzhaft.
Hier hält die Märkische Museumseisenbahn die Erinnerung an frühere Zeiten wach. Zwischen Mai und Oktober rollen hier originalgetreue Züge der „Sauerländer Kleinbahn“ über die 1000 mm Spur.
In den letzten Kriegstagen war hier eine „Dicke Berta“zu bewundern. Die Kanone, benannt nach der Tochter vom alten Krupp, konnte nur auf der Schiene transportiert werden, sie hatte eine Reichweite von 40 km. In welchen der Tunnel die enorme Wumme versteckt wurde, weiß niemand mehr, dieser Schienenstrang war eine Sackgasse, vom Westen kamen die Amis. Wo ist das Eisenteil? Es wäre heute ein Vermögen wert.
Hier wird die liebliche Else überquert, Firmengelände der Firma Schroeder, Stanz- und Spritzguttechnik für Teile für Autos, Fahrräder und so. Ist gut, dass die uns über ihr Gelände laufen lassen. Hier im Sauerland gibt es wenig kommunales Land. Viele Pächter und Landbesitzer mögen es nicht, wenn vor allem die Biker ihre Trainingseinheiten auf ihrem Gelände durchführen. Deswegen muss die P-Weg-Strecke oft geändert werden.
Das Ortsschild „Rammsiepen“ bestätigt meine Vermutung, wo ich gerade bin. Brutal steil nach Dingeringshausen, trailartige Abschnitte sind richtig brutal, im Schlamm rutsche ich zurück. Dingering, wo auch immer, Podeste von alten Flakgeschützen im Wald.
Das nächste Tal ist das Tal der Oeser. Kurzes Stück auf der L 696, sehr gut abgesichert, sogar mit Heuballen und Bremsbaken (für die Autofahrer natürlich), an der Ebbemühle vorbei, um die Osertalsperre herum. Sie wurde 1904 gebaut. Zur Anlage gehören zwei Schiebertürme und zwei Turbinenhäuser. Cut Off Punkt irgendwo, mir doch egal, ich werde in den nächsten Stunden 30 Plätze gutmachen, es läuft wunderbar.
Hinauf ins Ebbegebirge. Kühle Luft fällt mir von oben entgegen, herrlich. Nordhelle (663 HM) höchste Stelle , von hier bis Norwegen gibt es keinen höheren Berg mehr. Das Gebirge wird Ebbekamm genannt, ich genieße alles, sauge die Luft ein, sehe die herrliche Landschaft, laufe wie auf Traumpfaden und freue mich am Leben. Nach einem kurzen Stück über den Kamm folgt der Abstieg auf der anderen Seite. Viel Wasser, viel Schlamm, der Weg ist ein Bachlauf, seit heute Morgen keine trockenen Füße gehabt, jetzt kühlt das Wasser die Blasen.
Abwärts über einen steinigen Trail kommen wir nach Windhausen. Sonneborn cut Off Zeit bei km 58. Habe wieder alle meine Laufkumpels bei mir, Bernd redet nicht über den UMTB, Christoph schüttet sich im Läufertran Cola über die Birne. Die Helfer kommen schnell mit einem Wasserschlauch, doch die erste Wespe ist schon im Ohr, die andere hinterlässt ihr Gift in seinem Arm.
Eigentlich eine relativ wunderschöne, einsame, ebene Strecke führt uns bei den „Vier Kreuzen“ vorbei zum „Höchsten“. Gelegenheit zum Dank für gute Laufgesundheit.
In Landemert spricht man ungern vom Höllenloch, einer Tropfsteinhöhle, die weit in die Kalkschichten des Gebirges hineinreichen. In den letzten Kriegstagen gab es hier noch unnötige Tote, man hatte die Höhle dann mit einer schweren Eisentür versehen. Das Karstwasser hat den Eingang dann unkenntlich gemacht, doch immer wieder wagen sich Jugendliche durch schroffe Eingänge in das Innere.
Dann wieder mehrere Pinge, Schürfstätten. In einem stand ein weisser Golf. Wir laufen quasi über eine jahrhundertealte Abraumhalde. Wer hier am Rande ein bißchen unterhalb der Verwitterungsgrenze gräbt, der erwischt eventuelle noch eine kleine Menge Silber, oder zumindest Bleiglanz.
Jetzt geht es auf die letzte Steigung zum Bärenberg. Hier gibt es noch ein 1000 Jahre altes Stollensystem, bestehend aus zwei übereinander laufende Stollen. In den engen, feuchten Gängen wurde im Schein einer trüben Öllampe, dem „Sauerländer Frosch“ gearbeitet. Der Stollen kann unter fachkundiger Leitung noch besichtigt werden, die Eingänge sind vergittert. Fledermäuse und Feuersalamander überwintern hier. Weite Aussicht, wunderbare Luft, freudiges Läuferdasein.
Ins Tal der Grüne, dort liegt Plettenberg. Thomas, Christoph und ich hängen seit einiger Zeit zusammen, wir geben alles und den Rest beim Schnaps. Wir haben soviel Spass auf den letzten Kilometern, dass wir gemeinsam zu dritt händchenhaltend ins Ziel laufen.
Ich sag noch zum Thomas: „Sag mal Thomas, stehst du auf Dreier?“ Sagt der: „Na klar!“ „ Dann fahr mal schnell nach Hause!“
05.04.24 | Der P-Weg-Marathon feiert runden Geburtstag |