Winnweiler, Lauterecken, Meisenheim, Niederalben, Glanbrücken und natürlich Kusel; alle diese Orte liegen im Pfälzer Bergland. Wer bei der Region Pfalz allerdings nur an Weinbau denkt, liegt hier falsch. Das Pfälzer Bergland besticht durch reichlich Wald, Weiden und Ackerflächen. Industrie im größeren Stil sucht man hier vergeblich. Die Region setzt zu 100 % auf Tourismus.
Das neudeutsche „Green Living“ könnte im Pfälzer Bergland erfunden worden sein. Sanfte Hügel, grüne Täler; Natur- und Wanderfreunde finden hier ihr Paradies. Das Pfälzer Bergland könnte auch Pfälzer Kulturland heißen: Malerische Schlösser, pitoreske Stadt- und Ortskerne, mittelalterliche Burgen und dazu interessante Museen gibt es hier zuhauf.
Wenn man eine Veranstaltung für Ultraläufer als touristische Attraktion etablieren will, braucht es neben ein bisschen Verrücktheit vor allem Leute, die sich auskennen. Günther Bergs kennt sich aus: Mit unzähligen Ultra–Kilometern in den Beinen und noch viel mehr Ideen im Kopf ist er nun schon zum siebten Mal Gastgeber des Pfälzer Berglandtrail. Damit es sich richtig lohnt, sollen in drei Tagen, 130 Kilometer und 4500 Höhenmeter bewältigt werden.
Trotz Corona-Chaos und gesundheitlichen Einschränkungen, unterstützt durch seine Frau Heike und ein kleines, aber feines Teams, steht dieses Jahr der 7. Austragung nichts mehr im Wege. Wer zwischen den Zeilen liest, kann sich vorstellen, welche Hürden hier zu überwinden waren.
Wir sitzen voller Vorfreude beim Briefing zum ersten Lauftag. Hinter Norbert und mir liegen die problemlose Anreise, das Einchecken in der Jugendherberge Wolfstein, die Registrierung zum Lauf und das erste Abendessen.
Die frisch renovierte Jugendherberge ist der perfekte Stützpunkt für die Veranstaltung, die am besten mit Vollpension gebucht wird. Norbert und ich lieben es, wenn man sich um nichts kümmern muss.
Interessiert lauschen 70 Läufer und Betreuer, natürlich mit Maske, den Willkommensworten der Offiziellen des Landkreises. Günther Bergs gibt einen Überblick über die morgige Strecke und organisatorische Hinweise. Als alle Unklarheiten beseitigt sind, werden wir in den Abend entlassen.
Der Tag beginnt früh. Um 5 Uhr 30 gibt es ein sehr gutes Frühstück, pünktlich (das Wort begleitet uns die nächsten Tage) um 7 Uhr fährt der eigens gemietete Bus nach Kusel an die Burg Lichtenberg. Es ist frisch, knapp 2 °C; daher sind wir froh, am Start eine Tasche abgeben zu können. Der Tag wird sonnig, da stören Jacke und lange Hose nur.
Kurz vor 8 Uhr sammeln sich die Läufer unter dem hölzernen Tor, das den Veldenz Wanderweg freigibt. Den blauen Wandermarkierungen mit der weißen Krone auf weißem V werden wir die nächsten 35 Kilometer folgen. Auch das Fernsehen ist Vorort, der SWR berichtet abends.
Pünktlich um 8 Uhr wird gestartet. Ich friere und so sause ich erst einmal viel zu schnell den Berg hinunter. Es geht ein Stück durch Ruthweiler und dann am Ortsende wieder den Berg hinauf. Langsam wird mir warm. Die ganze Zeit hat man einen tollen Blick auf die Burg Lichtenberg, dem Stammsitz der Grafen von Veldenz, gebaut 1214. Nie von Feinden besiegt, wurde die Burg leider 1799 Opfer eines Brandes. 1895 wurde die Burg der staatlichen Denkmalpflege unterstellt und von da an bis heute schrittweise wieder aufgebaut. Sie beherbergt drei Museen, das Musikantenlandmuseum, die naturkundliche Naturschau und das Urweltmuseum GEOSKOP.
Nach einem ersten steilen Anstieg wird es flacher; ein letzter Blick über die unter mir liegende Hügellandschaft, dann geht es auf der anderen Seite serpentinenartig hinunter. Im Wald ist es noch schattig. Norbert kommt von hinten. Er hat Knieprobleme und hat sich vorgenommen, viel zu wandern. Dass er dennoch schneller ist, ist aber nicht verwunderlich. Ich merke von Anfang an, dass ich bergauf sehr, sehr langsam bin. Auch Annette und Michael B. stapfen zügig an mir vorbei.
Wir verlassen den Wald, es ist nun schon angenehm warm. Steil bergab rein nach Erdesbach, steil bergauf wieder hinaus. Ich überquere eine kleine Straße und finde mich im Naturschutzgebiet Wartekopf wieder. Große Schilder warnen vor militärischem Sperrgebiet. Naja, ich hatte sowieso nicht vorgehabt, die Wege zu verlassen. Das 122 ha große Naturschutzgebiet zeichnet sich durch wärmeliebende Eichen-Trockenwälder, Magerwiesen, durchzogen von Felsen und Trockenrasen aus. Das merke ich auch sofort: hier ist Schatten Mangelware.
Seit dem Anstieg bin ich allein unterwegs. Nun aber höre ich hinter mir Stimmen. Langsam aber stetig kommen Michael R. und Stefan näher. So ziemlich an der höchsten Stelle haben sie mich eingeholt. Wir wechseln ein paar Worte. Bergab kann ich dann meine Stärken ausspielen. Auf schmalem Trail jage ich hinunter. Wow: hier ist gibt es Naturerlebnis vom Feinsten. Im Rotbuchenwald passiere ich einen lauschigen Bach. Als es erneut steil bergauf geht, kann ich die himmlische Ruhe richtig genießen.
Michael und Stefan kommen schon wieder vorbei. Wie kann man nur die ganze Zeit reden? Die beiden haben sich wohl viel zu erzählen. Über eine Wiese geht es erneut bergab. Die Quasselstrippen lassen mich gerne vorbei. Der Weg endet auf einem asphaltierten Weg, welcher sich sanft nach unten schlängelt.
Das Sägewerk Christophelsmühle wurde im Briefing erwähnt. Hier sollen wir der Pfälzer Berglandtrail-Beschilderung folgen, die uns über privates Gelände führt. Das ist mit den Anwohnern abgesprochen. Die Schilder weisen dann nach rechts am Bächlein Steinalp entlang.
Eine Holzbrücke bringt mich auf die andere Bachseite. Vorsichtig überquere ich nun die Straße und laufe am Ortsschild Niederalben vorbei. Statt in den Ort hinein, muss ich links, eine steile Straße hinauf. Meine Uhr zeigt km 20. Dafür habe ich fast 4 Stunden gebraucht. Das wird heute zäh!
Am Friedhof kommt der nächste Punkt an dem man aufpassen muss. Hier verlassen wir kurz den Veldenz Wanderweg. Die blauen Pfeile sind nicht zu übersehen. Der Grund ist ein besonderes Naturschutzgebiet: hier blühen die mittlerweile seltenen Küchen- oder Kuhschellen. Aber keine Angst, während des Aufstiegs zum Mittagsfels kommen auch wir in Kontakt mit den reizenden Frühlingsblühern.
Wie ich mir bereits gedacht habe, kommen jetzt Stefan und Michael von hinten. Schnell sind sie auf den Serpentinen über mir verschwunden. Oben führt der schmale Pfad direkt an der Hangkante entlang. Der Weitblick ist grandios. Trotzdem bin ich ganz froh, als ich die steil abfallende Klippe hinter mir lassen kann. Der Trail führt durch einen lichten Birkenwald.
Auf einer weiten Hochebene fühle ich mich wie in der Toskana: weite Hügel, weiße Sandstraße (Strade Bianche) und flirrendes Licht. Weil es leicht bergab geht, kann ich locker joggen. Michael und Stefan sind so im Gespräch vertieft, dass sie den scharfen Abzweig übersehen. Ich kann sie gerade noch zurückrufen.
Irgendwie habe ich Probleme mit dem Track auf meiner Uhr. Er zeigt abweichend von der Beschilderung in eine andere Richtung. Wir entscheiden uns, den Schildern zu folgen. Ein paar Kilometer später sind Track und Beschilderung wieder beieinander. Gut, dass wir das Abenteuer gemeinsam bewältigt haben, denn allein wäre das wirklich gruselig gewesen.
Bergab lasse ich die beiden dann wieder hinter mir. Schnell erreiche ich Glanbrücken, wo bei km 28 Günther Bergs mit seiner Frau wohnt. Was liegt näher als hier die Verpflegungsstation einzurichten? Heike und Günther erwarten mich schon. Ich schenke mir das Aufzählen all der Köstlichkeiten, die es gibt. Sogar Kartoffelbrei ist im Angebot. Alles ist appetitlich angerichtet und lädt zum Zugreifen ein. Ich bin schon am Aufbrechen als Michael und Stefan eintrudeln. Tschüss bis gleich.
Hinter dem Haus führt die Straße bergauf. Bald biegt ein Weg ab, der nun steil hinauf geht. Eine weite Hochebene liegt jetzt vor mir. Auf eine lange Gerade folgt eine Kurve und wieder eine lange Gerade. Hier oben bläst eine steife Briese - natürlich immer von vorne.
Wieder im Wald fühle ich mich trotz steilem Anstieg wohler. Raus aus dem Wald und am Rand entlang. Ich bin gespannt, bald müsste der Abzweig vom Veldenz Wanderweg auf den Pfälzer Höhenweg kommen. Hoffentlich finde ich das.
Tatsächlich ist es aber kein Problem, denn die Schilder und Pfeile sind nicht zu übersehen. Der Weg führt jetzt sanft bergab. Unten geht es über die Straße und weiter über die Felder. Nach mehreren Kilometern erreiche ich wieder den Wald. Ich bin in Gedanken versunken als meine Uhr erneut eine Streckenabweichung anzeigt. Vom breiten geschotterten Wanderweg zweigt ein schmaler Waldweg ab. Ich kann keine Markierung entdecken. Erst laufe ich geradeaus, das ist scheinbar falsch. Ich laufe den Abzweig, das ist auch nicht richtig. Habe ich tatsächlich vorhin etwas übersehen? Der kleine Weg scheint zumindest in die richtige Richtung zu laufen. Ich versuche das mal.
Den Blick abwechselnd auf der Uhr und im Gelände laufe ich voran. Da, rechts unter mir läuft ein Weg. Etwas weiter an einer großen Kreuzung, an der Dümmler Hütte stoßen die Strecken aufeinander, Gott sei Dank, ich bin wieder auf dem richtigen Kurs.
Hinter der Hütte führt ein phantastischer Trail auf und ab, km 40. Trotz müder Beine macht das richtig Spaß. Der Weg endet an der Burgruine Alt Wolfstein, auch Altes Schloss genannt. Der 20 m hohe Bergfried passt fast nicht aufs Foto.
Die 1275 zum ersten Mal erwähnte Burg wurde vermutlich schon um 1160/70 unter Kaiser Barbarossa erbaut. Ihre wechselvolle Geschichte endete 1504 mit ihrer Zerstörung und dem daraus resultierenden Zerfall. Im 19. und 20. Jahrhundert gehörte die Burgruine zu Bayern und untersteht seit 1963 der Schlösserverwaltung von Rheinland-Pfalz.
Der Weg endet oberhalb eines Felsens. Hier ist ein Höhenunterschied von 5 Metern hinunterzuklettern. Hoch wäre einfacher gewesen.
Aus der Streckenbeschreibung weiß ich, dass mir der längste und steilste Anstieg der gesamten Etappe noch bevor steht. Deshalb bin ich etwas erstaunt, dass der Weg, so nett er auch ist, stetig nach unten läuft. Ich passe auf, nichts zu übersehen, aber hier ist die Strecke eindeutig. Plötzlich liegt ein anderes Gemäuer vor mir: die Burg Neu Wolfstein, km 42.
Vermutlich wurde die Burg als Teil der Stadtbefestigung von Wolfstein so um 1300 erbaut, die Georgskapelle auf der Burg der Gemeinde von Wolfstein diente zeitweise als Kirche und Pfarrhaus. Heute ist die Burgruine ein Kulturdenkmal und Kriegsgedenkstätte. Dekorativ steht eine alte Weinpresse vor der Burg und zu Füßen liegt die Gemeinde Wolfstein.
Wo muss ich hin? Ein blauer Pfeil weist auf einen winzigen Weg steil den Berg hinauf. Endlich geht es final hoch. Erst moderat, dann immer steiler führt der Weg am Hang entlang. Es ist schon ganz schön schmal, und langsam auch ganz schön hoch. Ich bin froh, dass der Weg scharf links in den Wald zweigt. Leider wird es nicht flacher. Vor mir liegt eine Rampe, darüber erreiche ich einen Weg.
Hier geht es weiter bergauf, meine Beine machen schlapp, ich kämpfe mich nur noch mit meinem Willen weiter. Endlich erscheint über mir ein Gebäude. Die letzten Meter sind liebevoll mit bemoosten Steinen dekoriert. Noch ein paar Schritte, dann erreiche ich den Gipfel des 545 m hohen Selbergs. Hier gibt es einen Sendemast, eine Hütte, die leider geschlossen ist, einen Spielplatz und einen 18 m hohen Aussichtsturm.
Eine endlose Zeit und viele Höhenmeter später (eine kleine Verwirrung bei der Markierungs kann mich nicht schocken) verlasse ich den Wald bei km 50. Die Sonne steht schon tief. Die letzten 2 Kilometer rolle ich locker hinunter. Die letzten Meter auf der Straße steil bergauf schaffe ich dann aber doch noch.
Axel, der Mann der Zeitmessung, registriert meinen Zieleinlauf (9h38 Min). Ich gönne mir erst einmal ein Zielradler. Mann war das anstrengend!
Heute Morgen ist es stressfrei. Der Start um 8 Uhr befindet sich direkt vor der Jugendherberge. Norbert und ich verzichten auf die Abgabe einer Tasche, im Rucksack ist alles, was wir für die Strecke benötigen.
Es ist so kalt wie gestern. Die Jugendherberge liegt oberhalb von Wolfstein im nordwestlichen Teil der Pfalz im Nordpfälzer Bergland (sogenanntes „Königsland“) zwischen Idar-Oberstein und Kaiserslautern im Nordosten des Landkreises Kusel. Wolfstein ist eine der kleinsten Städte Deutschlands. Die knappen 2000 Einwohner von Wolfstein scheinen noch zu schlafen.
Wie bereits gestern wird auf einen Startschuss verzichtet. Seit dem grausamen Polizistenmord in der Nähe von Kusel reagieren die Einheimischen auf Schusswaffen allergisch. Wir laufen die ersten 2 Kilometer in der Gegenrichtung vom Vortag. Ich habe mächtigen Muskelkater in den Beinen. Bald bin ich bergauf die Letzte. Im Wald rollen wir Richtung Segelflugplatz. Hinter dem Hangar geht es scharf rechts.
Erneut im Wald führt ein angenehmes Gefälle nach unten. Im Tal überqueren wir die Hauptstraße und laufen unterhalb davon am Hang bergauf. Direkt bei Eßweiler, an der Landstraße nach Oberweiler im Tal, liegt auf einem Ausläufer des Königsberges die Burgruine Sprengelburg. Diese kleine Burg wurde schon im 14. Jahrhundert zerstört, aber die Reste in den 1980er Jahren wieder freigelegt. Wir überqueren den Parkplatz und biegen auf den „Nature Fitnesspark“ ein. Zu meiner Überraschung befinde ich mich auf einem wunderbaren schmalen Waldtrail auf und ab.
Schade, dass der Trail bald zu Ende geht. Ich kann die Läufer vor mir am nächsten Berghang entdecken. Hier geht es steil hinauf. Wir folgen nun den Schildern des insgesamt 37,6 km langen Remigius Wanderwegs. Der Name geht auf den heiligen Remigius, Bischof von Reims, zurück. Michael und Stefan, meine Begleiter von gestern, kommen von hinten. Auf den nächsten Kilometern laufen wir mehr oder weniger gemeinsam, je nachdem ob es bergauf oder bergab geht.
Ab km 10 bin ich wieder alleine. Ich kann jetzt in der Ferne den Potzberg ausmachen. Dort oben befindet sich bei km 28 die heutige Verpflegungsstation. Über Wiesenwege laufe ich bergab, anschließend überquere ich eine Straße um auf der anderen Seite erneut bergauf zu steigen. Meine Beine schmerzen und die Hitze macht mir zu schaffen. Der Potzberg liegt nun auf der anderen Seite, wir nähern uns wohl in Schleifen.
Hinter km 20 durchquere ich Niederstaufenbach. Kühe auf der Weide schauen mich verständnislos an. Bei den ersten Häusern von Oberstaufenbach erkenne ich die Doppelpfeile des Begegnungsstücks. Eine Frau bietet mir Wasser an. Ich bedanke mich und erkläre ihr, dass ich auf dem Rückweg das Angebot gerne annehmen werde. In diesem Moment kommen mir Läuferinnen und Läufer entgegen. Ich kann nur schätzen, wieviel Kilometer sie mir voraus sind – es sind eine ganze Menge. Erfreut grüßen wir hin und her.
Für mich geht es nun die Hauptstraße bergab, ich lasse es laufen. Die Strecke trennt sich wieder. Zum ersten Mal ist der Untergrund des Weges richtig schlecht zu laufen. Überdimensionale Traktorspuren haben den Feldweg total zerstört. Ich muss ständig die Spur wechseln je nachdem wo es besser aussieht. Dazu geht es stetig bergauf, km 25. Plötzlich höre ich hinter mir Schritte. Stefan, ohne Michael, steigt erstaunlich schnell hinter mir her. Wir unterhalten uns kurz und dann lässt er mich zurück. Er wird von der Verpflegung auf dem Potzberg magisch angezogen.
In Föckelberg gibt es wieder ein Begegnungsstück. Im Ort sind die blauen Pfeile gut auszumachen. Ich will gerade auf einen engen Wiesenweg einbiegen, da kommen Annette und Michael B. von oben angeschossen. Schön, dass wir uns treffen. Judith und ein weiterer Michael kommen als nächstes angerollt. Bei so viel Ablenkung ist die Steigung nur halb so schlimm.
Ich lasse die letzten Häuser hinter mir und verschwinde im Wald. Hier holt mich nun der vorhin fehlende Michael ein. Wir marschieren gemeinsam weiter. Wer kommt denn da von hinten angestockelt? Monika lässt sich nicht aus dem Tritt bringen. Mit ihren 78 Jahren ist sie top in Form. Michael hängt sich dran. Bald erreiche ich die Zäune des Wildparks auf dem Potzberg. Hier oben befindet sich eine bekannte Falknerei die mit ihren beeindruckenden Flugschauen jährlich tausende Besucher anzieht. Im Wildpark leben neben Rotwild und Wildschweinen alles was unsere heimische Tierwelt zu bieten hat, einschließlich Kaninchen und Meerschweinchen. Leider lässt sich für mich kein Tier blicken.
Auf dem 562 km hohen Gipfel des Potzberg erwartet mich Heike mit ihrer Vollverpflegung. Ich stärke mich ausgiebig und fülle meine Flaschen. Dann geht es bergab. Ich übersehe einen Abzweig und mach noch einen kleinen Umweg. Teddy ist schlauer. Auf der langen Straße bergab von Föckelbach zum nächsten Ort kann ich ihn und Michael aber wieder einholen.
Bei der Anwohnerin in Oberstaufenbach mache ich die versprochene kurze Einkehr. Wenn sich jemand so viel Mühe macht, muss man das auch würdigen. Außerdem bin ich für Aufmunterungen durchaus dankbar. Auf dem Anstieg zu den Feldern läuft erneut Michael auf mich auf. Diesmal synchronisieren wir unseren Lauf, so dass wir uns ausgiebig unterhalten können. Die Umgebung ist von Landwirtschaft geprägt. Auffällig sind die vielen hohen Windräder. Na gut, Wind gibt es hier oben ja genug.
Unsere Wandermarkierung ist mittlerweile ein schwarzer Punkt auf weißem Grund. Die Strecke verläuft angenehm flach und ich hab mich etwas von meinem Mitläufer abgesetzt. Ich überquere eine Straße und laufe einen abfallenden Feldweg hinunter. Den Ortskern von Jettenbach lassen wir links liegen.
Während ich mich mal wieder bergauf kämpfe, überholen mich Monika und Teddy. Auch Stefan kommt von hinten. Er meint, dass Michael eine kleine Pause einlegt und bald nachkommt. Bei km 41 geht es nach Rothselberg hinunter. Auf der anderen Seite beginnt der Anstieg zum Selberg. Dieser ist mir von gestern noch in schlechter Erinnerung, auf dem Gipfel war ich völlig am Ende. Ich mache mich auf das schlimmste gefasst und bin angenehm überrascht, dass ich doch relativ schnell oben bin, km 45.
Dafür geht es dort hinunter, wo wir gestern hochgekommen sind. Bergab ist es daher deutlich angenehmer. Später zeigt meine Uhr an, dass ich hier schon gewesen bin. Ich befinde mich auf dem Weg vom Segelflugplatz zurück. Jetzt sind es noch 2 Kilometer im Wald bergab. Diesmal komme ich von oben zur Jugendherberge. Obwohl die Strecke kürzer mit weniger Höhenmeter war, habe ich heute länger gebraucht als gestern (9h46 Min).
Bin Zieleinlauf wäre ich fast in das bereits aufgebaute Grillbuffet gefallen, denn ich bin zu früh abgebogen. Die nächste Einfahrt ist dann richtig. Axel registriert mich, die Dusche ruft.
Mein Kusel in der Pfalz
Ein Städtchen liegt im Pfälzerland, im Tal, so wunderschön.
Dort ist's, wo meine Wiege stand, wohin meine Träume geh'n.
Die alte Burg schaut still ins Tal, erzählt von vergangener Zeit,
sie sah uns schon so manches Mal als Kinder voll Seligkeit. ...
So hat Fritz Wunderlich, einer der bedeutendsten Tenöre des 20. Jahrhunderts seiner Heimatstadt Kusel ein Denkmal gesetzt. Hier im Teilort Diedelkopf erfolgt der Start der letzten Etappe des Pfälzer Berglandtrails wie immer um 8 Uhr.
Die letzte Etappe des Pfälzer Bergland-Trails läuft auf dem Preußensteig, rund um die Burg Lichtenberg. Start und Ziel sind beim Schwimmbad. Pünktlich um 8 Uhr schickt uns Günther ein letztes Mal auf die Strecke. Während wir wegen der Kälte zügig den leichten Anstieg hinauf stiefeln, gesteht mir Annette ihren schlimmen Muskelkater. Ohne Schadenfreude bin ich froh, dass es ihr genauso geht wie mir.
Ist das vielleicht auch der Grund, warum ich nicht sofort alleine bin? Norbert will heute sowieso mit mir laufen, aber auch vor und hinter mir haben sich in Sichtweite mehrere Gruppen gebildet. Die Strecke ist kurzweilig, wellig, auf Feld und Wandwegen. Am Wegesrand sehen wir immer wieder Grenzsteine mit der Aufschrift KP (Königreich Preußen) und KB (Königreich Bayern), denn hier verlief früher die Grenze, die dem Preußensteig seinen Namen gab. Es fühlt sich an wie ein Familienausflug, mit ein bisschen Wehmut, dass heute alles schon zu Ende ist.
Bereits bei km 10 liegt die Verpflegungsstelle. Das Angebot ist etwas reduziert, aber vor allem die kleinen Riegel sind begehrt. Man steckt sie einfach in den Rucksack und hat dann später auch noch etwas davon.
Norbert und ich überqueren eine kleine Straße und dürfen nun den Aufstieg zum Herzerberg, der mit 586 m höchsten Erhebung im Landkreis Kusel, in Angriff nehmen. Zuerst einen steilen Wiesenweg hinauf, dann Serpentinen im Wald. Nicht besonders steil und nicht besonders schwierig. Nicht mehr kalt, aber auch nicht zu heiß, mit Norbert an meiner Seite: heute ist ein schöner Tag.
Die Schritte kenne ich doch: Monika ist bergauf einfach schneller als wir. Am Gipfel angekommen, treffen wir den anderen Michael. Wir betrachten die Rampe für Drachen- und Gleitschirmflieger und bewundern die tolle Landschaft die sich unter uns ausbreitet. Dann geht es wieder hinunter.
Aufgrund meines Muskelkaters bin ich bergab heute etwas eingeschränkt. Meine Beine wollen nur widerwillig. Ich brauche immer ein paar Schritte zum Einlaufen. Gerade rechtzeitig, denn hier verläuft der steile Weg in einem steinigen Bachbett. Die Füße müssen vorsichtig gesetzt werden, denn wir wollen uns zum Schluss nicht noch verletzen.
Es geht scharf links, der Weg wird flach. Wir laufen in Halbhöhenlage und verlassen den Wald. Die Burg Lichtenberg, unser Zwischenziel, liegt in einiger Entfernung vor uns. Aber zunächst laufen wir in die entgegengesetzte Richtung, denn wir haben ja noch ein paar Kilometer.
Es geht nun einen Wiesenweg hinunter. Unten warten zwei Begleiter von Läufern mit Getränken. Wir brauchen nichts, und bedanken uns für die Unterstützung. Scharf links überqueren wir ein Bächlein, die Brücke darüber habe ich zu spät gesehen.
Wiesenweg hoch, am Waldrand entlang, Wiesenweg wieder runter. Die Burg liegt nun rechts. Hinter einer Biegung sind die Betreuer von vorhin wieder sehen und feuern uns an. Auf einem Tischchen gibt es „Hard Stuff“ für den finalen Anstieg. Wir stoßen mit Michael an. Dann folgen wir Monika, die schon weiter oben ist. Nach ein paar hundert Meter durch den Wald werden wir auf die Zufahrtsstraße zur Burg ausgespuckt. Hier müssen wir jetzt am Straßenrand entlang nach oben.
An der Burg kennen wir uns schon aus. Das Tor zum Veldenz-Wanderweg, von der ersten Etappe, ist gleichzeitig auch Eingang zum Preußensteig. Wie lange ist das schon her, wieviel haben wir seither gesehen und was haben wir alles erlebt?
Gemütlich laufen wir bergab. Den Abzweig des Veldenz-Wegs lassen wir dann rechts liegen. Dann geht es auf dem Burgweg bergab nach Kusel. Über eine Metalltreppe hinunter und im Wohngebiet zurück zum Schwimmbad. Heike und Günther erwarten uns in einer kleinen Halle. Unsere Zeit wird registriert und wir bekommen eine schöne Medaille.
Auf der Wiese hinter der Halle erwartet uns eine Überraschung: Hier unter freiem Himmel ist eine richtige Hocketse im Gange. Die Feuerwehr bewirtet mit Grillgerichten und Getränken, eine Kapelle ist am Start. Läufer und Begleiter haben sich auf Bierbänken gemütlich gemacht. Ich lade Norbert auf ein Zielbier ein. Das haben wir uns verdient.
Um 13 Uhr beginnt die Siegerehrung. Die erste Frau, Hella Schmidt, war mit 12h26 schneller, als der erste Mann Stephan Peters (12h34). Das ist schon recht erstaunlich. Ich bekomme einen Preis als schnellste Läuferin mit Fotoapparat, tatsächlich war ich Letzte.
Fazit:
Der Pfälzer Berglandtrail ist ein perfekt organisierter Urlaub für Trailläufer. Die Jugendherberge bietet alles was man braucht, das Essen ist reichhaltig und qualitativ gut. Für die Schnellen gibt es nach dem Lauf ein Nachmittagsbuffet, da war ich leider immer zu spät.
Besonderes Highlight sind die Physiotherapeutinnen, die sich um die gequälte Läufermuskulatur kümmern.
Die Wanderstrecken sind gut markiert, ein Track auf der Uhr ist aber hilfreich.
Die beiden ersten Etappen sind sehr anspruchsvoll, gute Schuhe sind unerlässlich, Stöcke erleichtern die Auf- und Abstiege.
Im Namen aller Teilnehmer danke ich Günter und seinem Team für unbeschwerte Tage, an denen man Corona und Ukrainekrieg für kurze Zeit vergessen konnte.
26.03.23 | Perfekter Urlaub für Trailläufer |
Birgit Fender |