… würd ich als Nordlicht öfters dort laufen. Dort, im östlichen Trentino, in den südlichen Dolomiten. Manche sagen auch Venedigs Vorland dazu. Weit weg, irgendwie abgelegen, aber vor Ort ganz und gar voller Aktivität. Fiera di Primiero, auf alten Karten Markt Primör, hat viel zu bieten. Laufen, Wandern, Klettern, Biken, da kann man sich schon toll betätigen. Unterkunft und Verpflegung sind fantastisch. Und der Marathon erst recht.
Gut, die Anreise ist lang. 1000 km für uns. 11 Stunden sind es geworden. Von Süden kommen wir in den Ort und fahren gleich zum Event Center, die Startunterlagen abholen. Man muss dazu eine Bestätigungsmail ausdrucken und vorlegen. Vorher anmelden, eine runcard bei ENDU ordern, Medizertifikat einreichen, dann kommt die besagte mail. Um 15:00 öffnet die Ausgabe, bis 23:00 ist man fleißig. Klappt es nicht, kann man am Start noch in letzter Sekunde alles kriegen.
Aber nun dringend ins Hotel. Ausruhen. Im Castel Pietra, eine Topadresse, sind viele Läufer. Vor allem die Feinschmecker unter ihnen, denn hier kann man fantastisch essen. Jeder Platz ist besetzt. Das will was heißen. Und man kommt uns mit dem Frühstück weit entgegen, kein Wunsch bleibt offen. Was Läufers Herz (und Magen) begehrt…
Am Samstag heißt es früh raus. Erstmal aufs Wetter gucken, passend anziehen, Frühstück. Dann zum Busbahnhof im Ort und mit dem Shuttle ins Val Canali. Dort ist neben der Villa Welsperg der Start. Letzter Bus um 7:30, Laufbeginn 8:30. Timing ist alles.
Wolken verhüllen die Berge. Nix mit Panorama. Immerhin kein Regen, den gab es in der Nacht. Trotzdem die Regenhaut in den Rucksack, für alle Fälle. Die meisten Läufer tragen kurz-kurz und nehmen gar nichts mit; die kennen das Wetter wohl besser. Und sie haben recht: beste Laufbedingungen über den ganzen Tag!
Im Gewusel am Start finden sich unter den ca. 320 Läufern die 5 aus Deutschland natürlich prompt. Man kennt sich und freut sich auf exzellenten Laufgenuss.
Der Start ist pünktlich, Nettozeitnahme, alles easy. Aber sofort berghoch. Grob gerechnet sind es 800 m Anstieg bis San Martino bei km 17, mit reichlich bergab und welligen Trails dazwischen. Auf Asphalt ganz gemütlich geht es los. Bald wird gemütlich gegangen, erst bei flacher Strecke wieder gelaufen. So machen es alle im Schlussfeld. 20° und mehr, dazu hohe Luftfeuchtigkeit. Das geht so immer weiter…
Sehr schöne Trailpassagen wechseln mit Schotterwegen ab. Alles prima zu laufen. Wer mit Trailrunning anfangen möchte, ist hier genau richtig. Alle 4-5 km sind Versorgungsstellen platziert, überall stehen Posten und weisen den richtigen Weg. Viele davon vom Roten Kreuz und der Bergwacht. Und alle richtig gut drauf. Bis San Martino di Castrozza lauern auch so manche Fotografen auf uns, also: freundlich lächeln!
Im Skiort passieren wir mitten im Zentrum den Startbereich für den 26 km- Lauf. Einen Cutoff gibt es auch, ist aber bequem zu schaffen. Achtung: die Versorgung steht vor der Zeitmessung, also nicht zu lange auftanken!
Nach der Ortsquerung gelangen wir wieder in die Berge. 400 hm folgen. Neben den Fähnchen sind auch ortsfeste Marathonwegweiser mit Restentfernung installiert. Und jeder Kilometer wird weiterhin auf Holztafeln. „…Km to go“ steht drauf.
Nächstes Ziel liegt am Lago di Calaita, ein natürlicher See in 1600 m Höhe. Steile Singletrails führen da hin, an der Forcella Calaita (Aussicht!!!) dann über Gras am See längs. Überall sind Rindviecher unterwegs, neugierig blockieren sie den Trail und legen ihre Anerkennung für uns mitten drauf. Die spitzen Hörner mahnen zur Vorsicht, es sind aber keine Kälbchen mehr dabei. Also durch.
Am See ist wieder eine Station und ein Cutoff, dann folgen aber nur noch bergab-Trails. Aber was für schöne! Technisch einfach, nicht zu steil, weicher Boden…ein Traum! Im Wald und im Schatten - ideal! Ab und zu gibt es kurze Gegenanstiege, aber die letzten 14 km führen eigentlich nur noch bergab. Bitte nicht unterschätzen – das geht ordentlich in die Beine. Da zittern die Muskeln und die Knie werden weich. Noch immer sind die VP dicht gesetzt, und es gibt Cola! Genau richtig jetzt. Denn Baumwurzeln und grobe Steine fordern die Konzentration erheblich heraus. Und Cola hilft.
Ein kleiner Ort, Passo Gobbera bei 34 km, hat nochmals einen Cutoff. Knackig steil verlassen wir den Ort und bewegen wir uns auf das Ziel zu. Irgendwo stößt auch der 16 km- Lauf dazu, der hat es auch ganz schön in sich. So mancher Kurzstreckler sieht ganz schön fertig aus. Kleine Bäche laden zur Erfrischung ein, ich kühle mir bei jeder Gelegenheit den heißen Kopf ab. Ich brauche das jetzt, es hat inzwischen 25°. Das ist mir zu warm…
Der letzte VP liegt genau 5 km vor dem Ziel. Das passt gut. Eine nagelneue Hängebrücke wird gequert, mit Gitterboden. Nur für Schwindelfreie! Im Tal sieht man große Orte, noch sehr weit unten. Der Schlussabstieg ist auf den letzten 2 km entsprechend flott. Plötzlich Pflaster, Häuser, eine prominente Kirche, die Fußgängerzone, links ab und ins Ziel auf dem zentralen Marktplatz.
Zwei Schönheiten hängen uns die Medaillen um, Fotos werden gemacht und die zitternden Muskeln beruhigen sich rasch. Wer noch kann, begibt sich zum Event Center zur post-race Pasta Party. Irgendwo gibt es auch ein Birra Forst. Noch lohnender: die Eisdiele auf dem Weg zum Hotel…
Fazit
Ein ganz besonderer Berglauf ist das. Vor wunderbarer Kulisse, auf abwechslungsreicher Strecke, aber niemals überfordernd. Eine ausgewogene Kombination aus Straße, Forstweg und Trail macht das Laufen zum Genuss. Auch und besonders für Einsteiger in die Berglaufwelt, denn besondere Ausrüstung ist nicht nötig. Und die Versorgung ist großzügig. Es gibt viele Unterkünfte für jeden Geschmack, ein oder zwei Anschlusstage lohnen sich unbedingt! Es gibt viel zu erkunden…