Ein neues, wundergeiles Traillight ist am Läuferhimmel erschienen: Der Hartfüßler-Trail, 250 Jahre Bergbau auf schwarzen, steilen Pfaden an einem einzigen Tag. Ein einzigartiges Laufvergnügen.
Am 30.06.2012 ist es vorbei, der Steinkohlebergbau im Saarland wird eingestellt. Aber ab sofort wird jährlich die kleine, 200 Jahre alte Bergarbeitersiedlung „Von der Heydt“ in Saarbrücken zum Leben erwachen.
1850 waren es nur 160 Arbeiter, die hier dicht gedrängt auf Strohsäcken nächtigten, von Montag bis Samstag. Später waren es 700 Kumpel, deren Heimatdörfer bis zu 30 Kilometer entfernt waren. Samstag abends ging es zur Familie ins Heimatdorf, 30 km zu Fuß auf schnurgeraden Bergmannspfaden über riesige Abraumhalden. Sonntags ging auf dem gleichen Weg zurück zur Grube. Wer nicht in Von der Heydt schlafen wollte, legte die Strecken jeden Tag bei Dunkelheit zurück. Ehrfurchtsvoll wurden diese Männer Hartfüssler genannt.
Die Tradition der Hartfüssler wird nun nicht aussterben. Seit heute gibt es 56 neue Hartfüssler: 55 Kilometer mit 1600 Höhenmeter über bizarre, verwachsene Halden haben sie geformt. Die etwa dreihundert 30km-Läufer kann man als Anwärter rechnen. Verpflegung gibt es alle 10 Km. Für die 30 und 55 km ist eine Pflichtausrüstung vorgeschrieben: Notpfeife, Wasserflasche, Trainingsbuch und jede Menge Kohle. Die schwarze ist gemeint, sie ist im Starterpacket.
Von der Heydt (1850-1935) steht unter Denkmalschutz. Es gibt noch die zwei Schlafhäuser, einige Mietshäuser der Beamten und zwei bessere Häuser der Obersteiger. Das erste, was ich entdecke ist der Bierkeller. Der Eingang ist einem Stollenmundloch nachempfunden, leider lagern nur Schubkarren darin. Früher gab es noch die Villa des Direktors samt Park, im ersten Schlafhaus eine Kegelbahn, ein „Beamtenkasino“ samt Ausschank, Lese- und Billardzimmer, Kegelbahn und Musikpavillon, sowie ein Einzelhandelsgeschäft. Die Schule ist neu gebaut, hier werden schwer Erziehbare geformt. Also so Bekloppte wie wir.
Samstag, Startnumernasusgabe, Pastaparty und Einchecken im Übernachtungscamp. Alles ist im Startgeld enthalten. Das Camp entpuppt sich als Turnhalle. Wer in der Turnhalle übernachten will, muss sich die Hochsprungmatte reservieren, dafür braucht man natürlich mehr als ein Handtuch. Ideal ist, wenn die Kühltruhe direkt am Kopfende plaziert wird.
Sonntag, Nachmeldungen bis 8:30 Uhr möglich. Wer hier übernachtet, ist VIP, bekommt Frühstück in genau der Größenordnung, die mir als Morgenmuffel reicht. Es gibt aber noch Brezel, Brote, Kuchen, Torten und so ein Zeug.
9 Uhr Start.
Hinter dem Katasteramt sind die Ruinen der Stallungen der Grubenpferde, die Großküche und natürlich der Bierkeller. Ein langer Anstieg führt uns zunächst Richtung Forsthaus Pfaffenkopf, bis dahin hat sich das Läuferfeld sortiert. Das Forsthaus war ursprünglich das Torhaus (1727), durch den die fürstliche Jagdgesellschaft den Wald betrat. Reste zweier Nebenschachtanlagen im Wald.
Im Absinkweiher Frommersbachtal (1976) wurden die Kohlenschlämme des Bergwerkes Luisenthal geklärt. Der Teich ist nun rekultiviert (1995). Die weissen Skelette der abgestorbenen Bäume inmitten des Wassers sehen eigenartig aus. Wunderschöner Ausblick über das Gewässer. Bisher deutet gar nichts auf einen ungewöhnlichen Tag hin.
Der Stadteil Ritterstrasse ist auch eine ehemalige Grubensiedlung. Angenehme Wohngegend. Dann aber geht es die Schachtstrasse hinunter und wir blicken auf die brutal steile Halde Viktoria (1963 eingestellt, 403 Meter NN). Ein Lachen geht durch unser Laufgrüppchen und schon winden wir uns hinauf. Nur affenscharf dieser Anstieg, Begegnungsstück ganz oben und kalter Biergeruch.
Der Ausbilck ist fantastisch. Östlich die Kraftwerke Bexbach und Weiher mit ihren Dampfsäulen, südwestlich an der französischne Grenze die petrochemische Industrie von Carling, davor das Weltkulturerbe Völkinger Hütte. Hinter der Halde Duhamel, neben dem Kraftwerk Ensdorf sieht man die rauchenden Anlagen der Kokerei Dillingen. Alles im satten grün des Saarkohlewaldes eingebettet, abgewechselt von gelben Rapsfeldern. Dazwischen die Dörfer der Ur-Hartfüssler.
Die Halden bestehen aus dem unbrauchbaren Nebengestein, welches vor allem seit der Mechanisierung des Steinkohlebergbaues anfällt. Früher hat man per Hand nur die Flöze abgebaut, die modernen Maschinen reißen aber fast 50 % taubes Gestein mit heraus. Je nach Transportart entstanden Spitzkegelhalden oder Tafelberge.