Ende Juni fahren die letzten 1400 Kumpels in das Saarbergwerke ein, sie werden ab Juli im Ruhrgebiet weiterarbeiten. Insgesamt gibt es bundesweit noch 24.000 Bergleute. Greenpeace berechnet die Subvention für die Kohle auf 13 Milliarden Euro jährlich hoch. Die Regierung nennt eine offizielle Subventionszahlung von 2 Milliarden Euro jährlich, also 83.000 Euro pro Kumpel. Veranschlagt werden weitere 18 Mrd (28 Mrd lt. Greenpeace) bis Ende 2018, obwohl es nach 2013 nur noch 2 Zechen in Deutschlands geben wird.
Tief ausgewaschen sind die Single-Trails, die uns nach Riegelsberg führen. Nicht nur Abraumhalden, sondern auch Stollenmundlöcher und die grellen, eisernen Markierungspfosten der Wetterschächte sind sichtbar. Wir erreichen Vp 1 bei km 9.
Große Gesteinsbrocken aus verbackenen Kieselsteinen markieren die Trennline der beiden kohleführenden Schichten des Saarlandes, die durch Verschiebung hier schräg aufeinander treffen.
Neben der Autobahn, die über die alte Römerstrasse gebaut wurde, laufen wir weiter zum Urwald vor den Toren der Stadt, dann tauchen wir ab in die grüne Hölle. Schon immer gab es hier viel Wald, man konnte hier nicht bauen, zu unsicher ist der Untergrund. Einige wassergefüllte Krater zeugen davon.
Über schmale Trampelpfade geht es zur Fuji-Halde, eine steile Treppe führt hinauf, bisschen Durcheinander, weil panikhafte Läufer von oben entgegenkommen und nur schnell hinunter wollen. Ich mache zusätzlich Panik, aus Spass, kann ja nicht ahnen, daß einige Läufer wirklich an krasser Höhenangst leiden. Bis jeder seine eigenen Beine wieder hat, hänge ich an einem niedrigen Eichenast und krümme mich vor Lachen.
Oben herrlicher Rundblick zu den nächsten Halden, die wir erklimmen müssen. Über die zerfurchte Abraumhalde des Steinbachschachtes geht es nun durch das Tal der Stille zum Guovysweiher. Der Industrielle Gouvy richtet sich hier 1748 an einer stillgelegten Glashütte einen Bauernhof ein. Schon damals gab es Aussteiger. Der Weiher ist die ehemalige Viehtränke. 1760 wurde hier im Steinbachtal die erste Kohle ausgegraben.
Immer schwieriger werden nun die Trails. Bei der Scheune Neuhaus (km 17) ist der zweite VP. Im 12. Jahrhundert hatten die Grafen von Saarbrücken hier schon ihre Waldburg erbaut. Irgendwelche Leute haben die Streckenmarkierungen entfernt. Wildromantisch zeigt sich das Netzbachtal mit seinem Quellgebiet. Der Netzbachschacht steht aber nicht unter Wasser. Die Schächte werden wasserfrei gehalten, um das Grubengas sammeln zu können, dieses wird man noch einige Jahre nutzen.
Entlang des Netzbaches sind sogenannte Ockerschlammquellen, die Eisenerz an die Oberfläche spülen. Das rostige Material bildet Nieren und Brocken und wurde früher hier abgebaut. Gut erkennbar sind noch sogenannte Pingen. Das sind oberirdische Schürfstätten, die halbkreisförmig neben dem Weg liegen. Zwischen dem Unterholz sind auch noch einige verfallene Stolleneingänge sichtbar. 150 Euro kostete es zuletzt, eine Tonne Steinkohle im Saarland zu fördern. Importkohle kostet einschließlich Transport 40 Euro.
Am Netzbachweiher erkenne ich eine Biberburg. Die Welt hier ist verrückt, wir auch.
Steil geht es hinauf zum weltweit höchsten Förderturm. Hier in der Grube Göttelborn (1886) wurde bis zum Jahr 2000 noch gefördert. VP 3 bei km 27 ist erreicht, ab diesem VP hat Hendrik meine Eigenverpflegung angeordnet. Hendrik war als Obersteiger 10 Jahre Untertage, ist der Läufer in der Orga, hat die Strecke gestern markiert und mir viel erzählt. Auch davon, dass die alten Schächte mal zur Energiespeicherung genutzt werden sollen: Wenn man Strom braucht, lässt man Wasser 1500 Meter tief über Turbinen rauschen. Scheint die Sonne und tobt der Wind, dann pumpt man das Zeug wieder nach oben.
Hier auf der Halde Göttelborn wird der höchste Aussichtspunkt unseres heutigen Challenge erreicht, unter uns das Solarkraftwerk, das auf einem Absinkweiher errichtet wurde. Neu trifft auf alt. Und auf dem Weg immer wieder schwarzglitzernde Kohlebrocken. Zweifellos eine der beeindruckendsten Halden. Von oben geht heute bei Superwetter der Blick bis zum Schwarzwald, gegenüber sind die Vogesen sichtbar und links der Hunsrück.
Steil geht es hinab zum Kraftwerk Weiher. Quierschieder Kohlwald. Ein Schuh ist im Morast hängengeblieben. Meine Kamera war plötzlich auch weg, hat sich einfach aus einer meiner vielen Hände entfernt, ohne ein Wort zu sagen. Habe den ganzen Rucksack ausgeleert und jede Menge Wald wieder hineingeschaufelt, aber Kamera blieb verschwunden. Da ich meine Kamera gerne habe, bin ich natürlich zurück, weit zurück, sehr weit, auch für Euch, damit Ihr geile Fotos zu sehen bekommt. Ja, und dann lag sie da irgendwo, ganz einsam, die kleine Schlampe, die treulose. Könnte sein, dass die schwierigen Wege zuviel meiner Konzentration fordern.
Knappschaftskrankenhaus von 1910, wird noch als Rehaklinik genutzt, könnte mich jetzt gleich einweisen lassen. VP 4 bei km 35 ist erreicht. Gurke mit Salz, Käse und echt saarländisch: Lyoner mit Bier, typisches Hartfüssler-Frühstück, doch es ist schon Nachmittag, die Zeit rennt schneller als ich.
Eine kleine Brücke über den Fischbach bringt uns zur Halde Brefeld (1872). Steil hoch und wieder sehr steil hinab. Wir sind ein kleines Trüppchen und verdammt froh, uns an einem Feuerwehrschlauch hinunter hangeln zu können. So froh, das wir gar nicht registrieren, dass dies gar nicht die Laufstrecke ist.