Letztes Jahr brannte diese Halde, deswegen liegen hier noch für den Notfall die Schläuche. Gerade in diese Spitzhalden dringt der Sauerstoff zu einfach ein, die Kohlereste (20%), in denen Phospor enthalten ist, können sich dann selbst entzünden. Die Umweltbelastung eines solchen Brandes, der über 100 Jahre dauern kann, ist enorm. Das Löschen dauert Monate und ist wegen Verpuffungs- und Explosionsgefahr gefährlich. Zurzeit brennen in Deutschland mindestens neun Steinkohlehalden, einige Brände bleiben sogar unentdeckt. Bei den hohen Temperaturen (mehr als 500 Grad) entstehen interessante Minerale, die auch gerne als Baumaterial genutzt werden. Eine geothermischen Nutzung alter, brennenden Halden erscheint irgendwann möglich. Auch für die Erforschung dieser „alternativen“ Energiequellen nutzt man Subventionen.
Übrigens brennen auch ganze Flöze unterirdisch. Das Flöz in Zwickau brannte von 1479 bis 1860, das hier nebenan im saarländischen Dudweiler brennt seit 1668 ununterbrochen. „Die Stinksteinwand“ am Osthang des Hohen Meißners ist eine Touristenattraktion. Das älteste Flözfeuer brennt seit etwa 6000 Jahren in Australien, wobei ich mich frage, welcher Aborigines sich an den Ausbruch des Feuers erinnern kann.
Bergmannssiedlung Brefeld, es geht entlang der Bahnstrecke. Oft sind entlang der Laufstrecke Bunker im Wald verborgen, doch jetzt sind die Bunker, die einst die Kohletransporte bewachten, regelrecht aufgereit. Keiner der Bunker ist gesprengt worden. Was hatten die Franzosen damit vor? Ich muss natürlich da runter klettern und in die Eingänge stiefeln, Fotos schießen. Vielleicht liegen hier noch Skelette oder Helme mit Einschußlöchern. Eigenartig der stählerne Geschützturm, witzig das Spinnennetz vor der Scharte.
Steil geht es hinauf auf das Plateau der Halde Lydia. Diese Halde ist noch atemraubender, irgendwie erschreckend monströs und doch von Menschenhand geschaffen. Auch einige Spaziergänger genießen diesen beeindruckenden Ort. Schwarzafrikaner machen eine Fotosession hier oben, schauen mich wegen meiner Kohlereste im Gesicht ungläubig an. „Black is beautyful, men!“ Dann wetze ich weiter, ehe mich ein Ovambopfeil trifft.
Diese Halde wurde schon als Tafelberg angelegt, um die Sauerstoffzufuhr so klein wie möglich zu halten. Doch auch ohne Schwelbrand liegt die innere Temperatur bei 70 bis 430 Grad, ähnlich wie im Inneren eines feuchten Komposthaufens. Am Horizont sieht man Dudweiler mit dem unsichtbar brennenden Flöz.
Wer Zeit hat, der kann sich auf der Halde nach Fossilien umschauen, oft findet man noch kleine Stücke mit Pflanzenabdrücken aus einer Zeit vor 300 Millionen Jahren.
Wir passieren ein Naturschauspiel: drei mit Regenwasser gefüllte, sogenannte Himmelspiegel - kleinste Kohleschlammpartikel dichten die Teiche nach unten ab. Und Salzpfannen, wie in Afrika, oder wie auf dem Mars. Es ist sehr beeindruckend hier oben, wirklich.
Tagebau Camphausen (1871-1990) mit dem 100jährigen und damit ältesten Fördertum der Welt aus Eisenbeton, Hammerkopfturm genannt. Ich sehe den Turm, mache aber kein Foto, weil ich denke, wir laufen noch darunter vorbei. Aber die Bergmannsiedlung Camphausen mit den Backsteindoppelhäusern des mittleren Managements tangieren wir nur leicht.
Wetterschächt am Rande. Die Grube Franziska war hier wohl. Im Fischbachtal wurden für die Grube Jägersfreude große Flächen als Absinkweiher genutzt (1961). Sieben Jahre später endete die Förderung. Jetzt ein wunderbarer Fischteich, das Frischwasser wird 30 Meter hochgepumt. Das Wasser riecht wie der Rhein.
Vorbei am alten Schwimmbad (1924) mit dem Brausepilz und dem ovalen Kinderbecken. Ich habe aber keine Kraft mehr, um für ein Foto dort hinabzusteigen. Es sind unglaublich viele Eindrücke, von tiefen, urigen Schluchten, eigenartigen Schauspielen, glitzernden Teichen und sumpfigen, von Wildschweinen durchgepflügten Niederungen, wo sich unter ölig flimmernder Oberfläche neue Kohle bildet. Wirklich ein fantastisches Laufbilderbuch aus einer anderen Zeit.
An der Brücke zum Bahnhof Neuhaus (km 46) ist der letzte VP. Meine Eigenverpflegung wartet wieder sehnsüchtig, während teure Kunstnahrung in der heissen Sonne schmilzt.
Hinauf geht es zur Halde Grühlingstraße (1957-1967). Surreal sieht das steile Ding mit seinen tiefen Erosionsrinnen aus. Den steilen Aufstieg kann man sich durch die Lektüre von Fragmenten aus „Die Kinder der Toten“ von der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek verkürzen. In 14 Steinschwellen sind Textausschnitte eingraviert, wie: „ ...die im Grunde wenig hervorbringen, aber viel kaputtmachen, im Gebirge sind ein paar Menschen verschwunden.“ Ich bin benebelt, aber die Textauschnitte sind nicht schlecht, ich werde mir das Buch besorgen.
Von hier oben haben wir einen fantastischen Blick über den gesamten Hartfüßlertrail. Wir (also das Läufergrüppchen, das sich seit Stunden duelliert), sind nun aber auch ziemlich am Ende unserer Kräfte. Es sind nur noch wenige Läufer hinter uns. Hendrik macht den „Besenwagen“, wird auch mit 7:59 das Zeitlimit mit seiner glücklichen Truppe einhalten. Wir waren eine erfahrene Ultragruppe in diesem Jahr. Wer im nächsten Jahr länger brauchen sollte, kommt auch in die Wertung. Doch hört meine Worte: Dieser Lauf ist was Besseres, bloß nicht unterschätzen, er hat es in sich!
Der Weg um die Halde ist dann auch nochmal der Hammer. Wie aus dem „Planet der Affen“ sieht die Landschaft mit die tiefen Erosionsrillen aus, also wieder absolut passend zu uns. Ein Schild, das erste Kilometerschild des Trails, kündigt die letzten fünf Kilometer an.
Die Nauwiese ist ein Überbleibsel der ursprünglichen Nutzung des Saargebietes. Der Kolbenhof wurde allerdings im 30jährigen Krieg verwüstet. Vielleicht geht es nun nur noch abwärts, ich habe auf Tunnelblick geschaltet, bin fertig. Er ist hart, verdammt hart der Hartfüsslertrail. Jeder hat ihn unterschätzt. Aber die grandiose, abwechslungsreiche Welt hat mich verdammt froh gemacht. Dazu die herrlichen Singletrails und Laufaufgaben, die sich gewaschen haben. Wer macht sich die Mühe, auf Kilometer weit Baumstämme auf den Weg zu legen? In unserem Zustand sind das schon fast unüberwindbare Hindernisse.
Der Hartfüsslertrail hat sich dieses Jahr mit dem Rennsteig überschnitten, dem er aber durchaus ebenbürdig ist. Es wird sich herumsprechen, dass dieser Trail ein neues Traillight ist. Hat mir sehr, sehr gut gefallen. Einsame Klasse.
Ein Dank geht an die RAG, als eigentlicher Ausrichter: Ihr habt einen guten Eindruck hinterlassen, bin nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei!
Und: Ich habe jetzt mehr Kohle als gestern.