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ahlreiche Laufberichte mit vielen Bildern.
Als Rückblick haben wir den laufbericht von Anton Lautner aus dem Jahr 2013 ausgewählt.
Der Montafon Arlberg Marathon ist von den Höhenunterschieden leichter ist als mancher Bergmarathon in der Schweiz. Das Spezielle ist die Streckenführung: Du läufst von Silbertal nach St. Anton am Arlberg, von Vorarlberg nach Tirol, von einem kleinen Ort zu einer gerade im Winter brodelnden Schicki-Micki-Gemeinde. Aber im Sommer siehst du hier nur Wanderer, die Ruhe suchen.
Ob man jetzt in St. Anton oder in Silbertal übernachtet, ist eigentlich egal. Wer am Startort sein Domizil aufschlägt, kann am Vortag auf spezielle Art Kohlehydrate bunkern, denn es werden saurer Käse mit Kartoffeln (Sura Kees Party) aufgetischt.
Der Tag im Klostertal beginnt heiter, denn keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Nach zwei Mal umsteigen stehe ich am Feuerwehrhaus in Silbertal, wo schon Moderation, Musik und Hinweise zum Laufgeschehen durchgegeben werden. Die letzten Nachmeldungen werden getätigt. Eine gute Idee ist die Online-Nachmeldung bis kurz vor dem Renntag, denn da sind noch 50, 60 Meldungen eingegangen.
Das Gepäck wird beschriftet und in den bereitstehenden Lkw verladen. Kurz vor dem Start werden noch Geltüten ausgegeben, es wird eifrig zugegriffen.
Ganz unspektakulär ist der Start. Wir werden aufgerufen, uns in die Startzone zu stellen. Aber nicht mit Blick in die Berge, sondern talauswärts Richtung Schruns. Ein Schuss und gut 200 Marathonis machen sich auf den Weg von Vorarlberg nach Tirol, auch wenn auf den ersten zwei Kilometern die Richtung total verkehrt ist. Der Umweg ist nötig, damit auch die 42,195 Kilometer zusammenkommen. Gäste und Einheimische feuern uns an.
Genau nach zwei Kilometern biegen wir links ab. Übrigens, markiert ist jeder zweite Kilometer. Eine Steigung gibt uns schon erste Höhenmeter als Aufgabe, der Kreislauf springt an. Wenige Teilnehmer legen schon einen Wanderschritt ein.
Nun stimmt unsere Laufrichtung. Hinter der Kirche zum Hl. Josef und Nikolaus rennen wir talabwärts zur Kristberg-Bahn, die Touristen auf den Kristberg transportiert. Der Ortsteil auf 1400 Meter Höhe ist ganzjährig bewohnt. Dort oben wurde nach einer Rettung verschütteter Bergknappen im 15. Jahrhundert die Bergknappenkapelle Hl. Agatha errichtet. Ein Besuch lohnt.
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Ein paar Meter danach durchlaufen wir das Starttransparent. Die jungen Buam und Madln haben sich zum Abklatschen hingestellt, immer weiter hinein in die Strecke, dass du fast nicht vorbeikommst, dir aber doch die Zeit nimmst, die Hand herauszuhalten.
Hinter dem Feuerwehrhaus können wir bereits verpflegen: Wasser, Iso, Säfte mit Wasser verdünnt, später Cola, Obst, Manner-Schnitten, verhungern braucht da keiner, zumal alle fünf Kilometer diese Tankstellen benützt werden können. Und wer sich neben einer Kuh im Bach erfrischen will, auch kein Problem. Bei moderater Steigung endet der Asphalt bei der Freilichtbühne. Die Straße ist heute für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Nur mehr Biker, Wanderer und Personal auf den Hütten werden wir zu Gesicht bekommen.
Die Litz, so heißt das Gewässer zu unserer Rechten, wird uns die nächsten gut 15 Kilometer lang begleiten. Sie entspringt in einer mehrfachen Quelle in ca. 1800 Meter Seehöhe unweit der Oberenb Freschalpe, wo wir später vorbeilaufen werden. 24 Kilometer lang ist der Fluss, der heute aufgrund der hohen und tauenden Altschneemenge viel Wasser führt. Bei Schruns fließt die Litz als längster Fluss in die Ill (für Kreuzworträtselfreunde: Nebenfluss des Rhein mit drei Buchstaben). Das Gewässer und der viele Schatten im Bann- und Plattawald wirken dämpfend auf die Temperatur.
Wir passieren die Almwirtschaft Fellimännle, wo erneut getrunken werden kann. Kaum zu glauben, dass schon neun Kilometer hinter uns liegen, gut 200 Meter haben wir an Höhe gewonnen. Die durchschnittliche Steigung im Silbertal ist moderat, auch wenn einige wenige Rampen belaufen werden wollen. Und wenn es nicht laufen will, dann schalte einen Gang zurück.
An einem Stein hocken zwei Radler, guckenderweise. Ich kann nicht anders, als anzukündigen, dass einer zum Abkassieren des Logenplatzes kommt. Eine längere Steigung folgt nach der Gieslaalpe (1311 Meter). Der zehnte Kilometer.
Es folgt wieder eine Rampe mit stärkerer Steigung, wo wieder schon einige Marathonis den Kriechgang einschalten. Linkerhand sehen wir einen Wasserstrahl aus einer Wasseranstauung. Gleich danach kommt, fast einem Adlerhorst gleich, der Giesla-Aussichtspunkt, welcher mit Stahlseilen gesichert ist.
Ab der Gafluna-Alpe (1360 Meter, Kilometer zwölf) weicht der Wald dem Almgelände, das Tal wird kurzzeitig etwas breiter. Wir merken schon die Höhe, die Temperatur ist noch lauffreundlich, auch wenn es uns an den Steigungen den Dampf naushaut. Unser Laufuntergrund wird nun etwas weniger bequem. Uneben, teilweise ruppig, also entweder auf den Boden schauen oder Füße heben. Ein Läufer hat wohl einen Moment nicht aufgepasst, denn im nächsten Moment sehe ich ihn am Boden liegen und sogleich sich wieder aufrappeln. Einen kurzen medizinischen Check erfährt er bei der Unteren Freschalpe (1572 Meter). „Das ist unsere Arbeit, dafür sind wir da“, sagt der Sanitäter. Ein paar Spritzer Desinfektionsmittel aus der Flasche und Patric springt weiter.
Einige Meter weiter an der Freschalpe lasse ich meinen Wunsch nach einem Hopfengetränk sachte anklingen. Der Helfer hört gut und springt im Galopp in die Hütte und nach wenigen Sekunden kriege ich ein kühles Blondes stilgerecht im Glas serviert. Bier ist in der Bayerischen Verfassung ja als ein Volksnahrungsmittel deklariert. Und ich bin Bayer! Gut gemundet hat das Pils außerdem.
Das Litztal verengt sich zusehends, der Fahrweg wird rustikal und steiler, stehen doch bis zur nächsten V-Stelle an der Oberen Freschalpe noch etwa 300 Höhenmeter auf vier Kilometer an. Ich nehme mir Zeit zum Aufhübschen und stecke mir ein paar Margariten und Almrosen unters Stirnband.
Im Süden zeigen die höchsten Punkte des Valschavieler Maderer, Frastafaller Spitz, Giampspitze und Fanesklakopf allesamt weiße Hauben. Das ganze toppt jedoch gerade vor uns das wilde und gezackte Massiv des Patteriol. Mit 3056 Metern ist er zwar nicht der höchste Punkt des Verwall, aber der beeindruckenste Gipfel, wenn man sich von Norden oder von Westen (wie wir) annähert. Als normaler Wanderer ist der Patteriol nicht zu bezwingen. Da brauchst du meist Bergführer und Ausrüstung, denn Klettern und Orientieren ist da angesagt. Den Hohen Riffler (3168 Meter) als höchsten Punkt des Verwall kann der geübte Bergwanderer bei günstigen Verhältnissen erwandern.
Wir laufen am Schwarzen See vorbei. Hier wurde der Film „Schlafes Bruder“ von Joseph Vilsmaier gedreht. Kurz vor dem Ende des Fahrweges sehen wir links den Pfannensee. Die Raststation an der Oberen Freschalpe (1890 Meter) wird ausgiebig genutzt. Ich schiebe mir Bananen und Waffeln rein, denn der Magen knurrt. Kurz vor der Hütte erreichen wir Kilometer 20. Das Gelände verbreitert sich nun. Im Norden sind der angrenzenden Pfannkopf und Drosberg deutlich über 2600 Meter hoch. Gegen Süden bringt es der Fraschkopf nur auf gut 2300 Meter. Der Name Verwall soll übrigens romanischen Ursprungs sein. Möglicherweise soll er vom „Val bel“ stammen, also das schöne Tal.
Das etwa drei Kilometer lange Stück über das Silbertaler Winterjöchli stellt keine allzu Schwierigkeit dar, wenn man konzentriert läuft und geschicklich ist. Nur mehr rund 50 Höhenmeter sind zum höchsten Punkt auf 1945 Meter zurückzulegen.
Gleich zu Beginn des Trails liegen ein paar Rinder mitten auf dem Weg, wir müssen ausweichen, kommen noch gut voran. Doch schon vor dem Langen See geht es über Stock und Stein. An zwei Stellen sind Bretter ausgelegt, um an einigen besonders morastige Stellen besser laufen zu können. Am Rand sehe ich einige Enzian in voller Blüte. Etwa bei Kilometer 22,5 überschreiten wir die Landesgrenze von Vorarlberg nach Tirol. Wir sind im Oberland. Wer mit dem Begriff nichts anfangen kann: Der Tiroler bezeichnet damit das Gebiet westlich von Innsbruck, also das Oberinntal und seine Nebentäler. Das Unterland in Tirol ist dann was? Richtig, alles was östlich von Innsbruck liegt. Jetzt hamma wieder was glernt. Die Wasserscheide Rhein/Donau haben wir kurz zuvor am höchsten Punkt auch noch überschritten.
Der Einschnitt vor dem Massiv des Patterion kommt immer näher, dann geht es ein paar Meter leicht abwärts und wir sind an der Bacheinfassung der Rosanna (Kilometer 23; 1850 Meter). Einkehr!
Und da steht er dann, der Sepp, ein Tiroler Urviech, der alles kann außer Hochdeutsch. Auf die Frage, ob er auch Marathon kann, lacht er in seinem Dialekt. „Des chanscht du bessr als i. Do geht's owi.“
Der Fahrweg entlang der Rosanna ist gut ausgebaut, fast eine Schnellstraße für uns. Die Rosanna ist ein Gebirgsbach, der, haltet euch fest, 42,2 Kilometer lang ist. Er entspringt in der Nähe des Muttenjochs und fließt nordöstlich bis St. Anton, dreht ein wenig weiter nach Osten ein und vereinigt sich später mit der Trisanna (aus dem Paznauntal) zur Sanna und mündet dann in Landeck in den Inn.
Nach drei Kilometer laufen wir an der Konstanzer Hütte (1688 Meter) vorbei. Kurz danach kommt eine erste längere Gegensteigung von etwa 50 Höhenmetern. Am Bildstöckl tost unter uns die Rosanna. Doch dann wird unser weiterer Weg wieder gefällig.
Immer weiter laufen wir das Verwalltal hinaus, der Untergrund ist mittlerweile asphaltiert. Der Verwall-Stausee hat eine grüne Farbe und dient neben der Energiegewinnung auch dem Hochwasserschutz. Zwei Kilometer weiter erreichen wir die sehenswerte Stiegeneckkapelle (1471 Meter), doch für eine Besichtigung reicht unsere Zeit nicht.
Die B197, die zum 1793 Meter hohen Arlbergpass hoch führt, hat die Polizei für uns gesperrt. Kurz danach im Ortsteil Moos (Kilometer 36; 1438 Meter) gibt’s eine Erfrischung aus dem Gartenschlauch. Beim Mooserwirt ist tote Hose, alles geschlossen. Der macht im Winter sein Geschäft.
Zum Ende der Ski-Saison ist hier in der Nähe das Ziel des Weißen Rausch. Schon mal gehört? Der Weiße Rausch ist nicht die Folge übermäßigen Genusses von weißem Rum oder Koks, sondern ein Skirennen. Aber ein „vogelwuides“. Denn da starten 555 Rennfahrer gemeinsam an der Bergstation Vallugagrat (2660 Meter), das Ziel ist unten in St. Anton. Die schnellsten rasen die 7,6 Kilometer lange Strecke mit rund 1400 Höhenmeter in rund neun Minuten hinunter. Aber jetzt kommt's: Die Strecke ist nicht präpariert und es ist eine Steigung drin, der Gipfel. Die Party danach endet dann wahrscheinlich im weißen …
Auf einem Almwiesentrail laufen wir abwärts. Auch danach ist es steil und der Riesel auf dem Weg kann dir fast die Füße wegziehen. Wir wechseln die Talseite und sammeln so noch die fehlenden Kilometer irgendwie ein. Beim kurzen Begegnungsstück auf einer Wiese parallel zur Rosanna wird sich eifrig gegrüßt, wohl wissend, dass der Kanten gleich geschafft ist. Wie weit es noch genau ist, weiß ich nicht. Kilometerschilder habe ich nicht mehr gesehen. 40 Kilometer werden es sein. Den anlässlich der Skiweltmeisterschaft 2001 verlegten Bahnhof sehen wir von der Bergseite, denn hinter diesen packen wir den letzten Kilometer an. Oder sind es noch zwei? Sicher bin ich mir nicht.
Und dann muss ich lachen, denn da sehe ich noch eine Markierung des Antoniuswegs. Nach Padua wird er schon nicht führen.
Ich muss mich schinden und langmachen, denn eigentlich will ich mit Patric ins Ziel laufen. Hinter der Pfarrkirche sehe ich eine Tafel und lese: „Kommt und seht“ (Joh 1, 39). Mein Rennen ist zwar noch nicht ganz am Ende, aber mein Fazit zu diesem Erlebnis ist dadurch genau beschrieben. Dann ist es geschafft.
Als erstes erhalten wir die Medaille umgehängt. An den Ständen finden wir ein gigantisches Angebot. Weintrauben, Melonen, Äpfel, Orangen, Riegel, Wasser, Elektrolyt, Eistee. Und im Kühlschrank wartet ein, nein, zwei frische Bierchen auf mich. Die Kleiderbeutel werden gleich nebenan ausgegeben. Zum Duschen läuft man ins ARLBERG-well.com und kann da sogar noch in die Sauna gehen.
Auf Wiedersehen beim Montafon Arlberg Marathon 2021