Fotos: Kay Spamer
„Im Ort erzählt man sich das auf dem Drachenfels ein Untier haust. Er soll eine regelmäßige Fütterung des Drachens mit Läufern geben. Eines Tages sei eine junge Läuferin dem Drachen als Opfer dargebracht worden. In ihrer Todesangst habe sie dem Drachen ihre Laufschuhe entgegengehalten. Daraufhin sei der Drache in den Rhein gesprungen und seitdem nicht mehr gesehen worden“.
Schweißgebadet wache ich mit dem Buch der „Sagen und Legenden vom Siebengebirge“ in der Hand auf.
Wir laufen heute ein Stück des Rheinsteigs – und dort EXTREM, 34 Kilometer und 1200 Höhenmeter über die Höhen des Siebengebirges hinunter zur Insel Grafenwerth verspricht uns die Ausschreibung. Das Streckenprofil sieht aus wie ein EKG. Auf dem Titelbild sieht man eine lächelnde Susanne Beisenherz, Weltmeisterin im DECA Iron 2006 (10 x 3,8 swim, 10 x 180 km bike, 10 x 42,2 km run). Sie macht nicht nur Werbung für diesen Lauf, sie steht auch an der Startlinie.
Mit fast 400 energischen oder auch weniger energischen Läufern begeben wir uns an den Start in Ramersdorf bei Bonn. Im Gebäude der Telekom gibt es gibt es Kaffee und noch eine Menge Nachmelder. Die Gepäckabgabe befindet sich ebenfalls in diesem Gebäude und die Kleiderbeutel werden per Bus schon mal auf die Insel (Grafenwerth) gebracht.
Es ist kurz vor 8:00 Uhr. Wir treffen Wolfgang, werden uns aber nicht lange sehen, denn er reiht sich doch gleich relativ weit vorne ein. Auch Dirk, der hier seinen ersten Berglauf unter die Sohlen nimmt, möchte lieber aus den ersten Reihen starten. Wir stehen vor dem Besenfahrrad und hoffen, dieses auch das letzte Mal zu sehen, höchstens erst wieder im Ziel.
Wir laufen fast das ganze Stück identisch entlang des Rheinsteigweges. Der Rheinsteig wird im Volksmund auch „Rheinische Alpen“ genannt und dies zu recht, wie sich später herausstellen wird. Stau, dieser war vorher gesagt. Jeder reiht sich ein und wartet bis er mit der Erklimmung der Stufen dran ist. Ein erster, etwa drei Kilometer langer und steiler Aufstieg führt durch einen Laubmischwald zum 1820 erbauten Foveaux-Häuschen. Die wäre eigentlich schon mal ein geeigneter Ort für die erste Rast, aber unsere Uhr läuft und wir sind gut drauf. Wir wollen und können zwar nicht gewinnen, aber hoffen, noch im Mittelfeld zu finishen. 6 Stunden bis Zielschluss, es müssen nur die Zeiten an den Kontrollstellen eingehalten werden.
Weiter geht es durch einen herrlichen Buchenwald. Die dicht mit Efeu behangenen Bäume erinnern an einen magischen Sagenwald.
„Viele Kilometer legt der hürnene Siegfried zurück. Er sieht Berg und Strom. Mutig erklimmt sie der Renner und trägt den Reiter an ein verzaubertes Schloß, das eine wabernde Lohe flammend umzüngelt. Unschlüssig steht Jung-Siegfried, und wiederum klingt über ihm des trillernden Waldvögleins helles Gezwitscher:
Lös den Bann! Hinein
Spreng mit Heldenmut
In die Feuersglut!
Schönste Maid wird dein“
Noch sind wir so frisch, dass uns an vielen Stellen skurril und bizarr geformte Bäume auffallen. Die Bäume haben in einer Höhe von etwa ein bis zwei Metern seltsame Verdickungen, bevor der Stamm gerade nach oben geht. Es handelt sich um sogenannte Kopfbuchen. Zeugnis einer längst vergessenen und sehr speziellen Waldnutzung. Die Kopfbuchen wurden früher regelmäßig geköpft. Die austreibenden Äste und Stämme nutzte man als Brennholz, Weinbergspfähle, Bohnenstangen, etc. Dies nur mal so am Rande.
An den nassen Steinen am Bach gedeiht ein bandförmiges Moos namens Conocephalum. Seine Besonderheit: Streicht man mit den Händen darüber, riechen sie anschließend nach Terpentin. Dies auch nur mal so am Rande.
Nach einem weiteren Wegabschnitt durch die Buchenmischwälder passieren wir den 16 m tiefen Dornheckensee. Molch, Erdkröte, Gras- und Grünfrosch sollen hier mit FKK-Anhängern konkurrieren. Nun erreichen wir den ersten Aussichtspunkt mit einem fantastischen Blick auf den ehemaligen Steinbruch und das Rheintal. Kay nimmt mal wieder einen Umweg in Kauf und läuft zum Aussichtspunkt. Dort hält er mit der Kamera den Blick auf die Steinbrüche und den Blick zurück auf Bonn mit seinem Post-Tower im Bild fest. Die meisten laufen hier nur vorbei, auch ich.