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27.10.24 - Röntgenlauf

Herbstfarben im Nebel

Der Röntgenlauf ist ein Landschaftslauf, der überwiegend auf angenehmen Feld- und Waldwegen durch das Bergische Land rund um Remscheid führt. Dazwischen gibt es auch einige Asphalt-Strecken und Trail-Abschnitte. Zur Wahl stehen verschiedene Distanzen, von 5 km über Marathon bis zu 63 km.

Nach 2010 und 2011 starte ich hier zum dritten Mal auf der Ultra-Distanz, werde aber nach meinem langen Trainingsausfall die Option nutzen und  bei km 42,1 aussteigen, was dann auch als Marathon gewertet wird.

Wilhelm Conrad Röntgen, der Entdecker der nach ihm benannten Strahlen, wurde im Remscheider Ortsteil Lennep geboren. Zu seinem 150. Geburtstag wurde der Röntgenweg eröffnet, ein Rundwanderweg um Remscheid. Zum 100. Jubiläum des Tages, an dem Röntgen den Physik-Nobelpreis bekam, fand 2001 der erste Röntgenlauf statt, der den Röntgenweg um eine Schleife durch die Altstadt von Lennep erweitert.


 
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Am Samstagmittag schlendern Annette und ich bei warmem Wetter und unter wolkenlosem Himmel durch die kleine, charmante Altstadt mit den vielen, für diese Region typischen Schindelhäusern. Dann fahren wir mit dem Bus hinauf zum Sportzentrum Hackenberg und holen unsere Startunterlagen ab. Mit der Startnummer bekommen wir auch eine kleine Soft-Flask und ein Stirnband. Um 16 Uhr ist hier oben noch nicht viel los, aber die Schlange bei den Nachmeldungen wächst schon. In der Mitte der Halle stehen Kisten mit Äpfeln, die man kostenlos mitnehmen kann. Anschließend gehen wir in die benachbarte Sporthalle, in der es Kaffee, leckeren Kuchen, Pasta (auch vegetarisch) und Getränke gibt.  

Im Hotel Berliner Hof erleben wir etwas wirklich nicht alltägliches. Als wir die Frage, ob wir die Rechnung wollen, mit „Nein“ beantworten, steckt der sehr sympathische Mann an der Rezeption das Blatt Papier in den Vogelkäfig zum Papagei, der es fachkundig schreddert.

Am Sonntagmorgen hat sich das Wetter wie angekündigt ins Gegenteil geändert. Kalt, grau, feucht! Früher starteten die Teilnehmer aller Disziplinen in Lennep. Damit auch die Marathonis den mit weitem Abstand schönsten Teil der Strecke laufen dürfen, starten sie inzwischen bei km 21,1 der Ultrastrecke und laufen von dort zum Ziel am Sportzentrum. Ich bin heute für die 63,3 km mit je 1370 Höhenmetern Auf- und Abstieg gemeldet, meine Lebensgefährtin Annette wird Fotos vom Marathon machen.

In unserem Hotel gibt es erst ab 8 Uhr Frühstück, aber zum Glück kann man ab 7 Uhr auch in der Halle frühstücken. Um 8.30 Uhr ist Start für Ultramarathon und Halbmarathon. Die Marathonis werden um 8:45 mit dem Bus zu ihrem Startplatz gebracht.

Der Start ist recht unspektakulär. Viele Zuschauer feuern uns am Streckenrand an. Zuerst laufen wir kurz bergauf. Einige wechseln bei der ordentlichen Steigung bereits ins Gehen. Dann laufen wir auf Vorortstraßen hinab in die hübsche Altstadt von Lennep. Schon kommen mir die ganz schnellen Läufer an der Spitze des Feldes entgegen.

 

 
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Auf der selben Strecke, die wir vom Start aus zur Altstadt gelaufen sind, geht es nun wieder zurück zum Hackenberg. Nach 4,7 km bin ich wieder fast genau am Startpunkt. Nun geht es kurz noch über Nebenstraßen, dann aus dem Ort heraus. Jetzt folgt unsere hervorragend markierte Route fast durchgehend dem Röntgenweg. Beim Röntgenlauf gibt es keine allzu langen Auf- oder Abstiege. Mit meist nur leichter Steigung bzw. Gefälle kann man fast die komplette Strecke gut laufen. Nur zwischendurch gibt es vereinzelt kurze Passagen, die etwas steiler sind.

 

 
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Nach dem wolkenlosen Samstag bleibt es heute durchgehend grau und kalt. Aber die romantische Nebelstimmung entlang der Strecke ist sehr reizvoll. Nachdem ich seit Anfang September endlich wieder normal trainieren kann, fühle ich mich deutlich besser als in den letzten Monaten. Dies wirkt sich auch auf meine Stimmung aus. Jetzt kann ich wieder unbeschwert jeden einzelnen Kilometer genießen.

Sehr lobenswert finde ich, dass vor den vielen Verpflegungsstellen jeweils angekündigt wird, wer sie betreut. Das past zum Charakter der Veranstaltung, der ein sehr familiärer ist. Am Anfang gibt es immer Wasser, Iso sowie kalten und entsprechend der Witterung meist auch warmen Tee. Später kommen Bananen und Müsliriegel dazu.  

Auf den ersten 21 km stehen an vielen Stellen Zuschauer an der Straße und feuern uns an. Aus Fenstern und Autoradios erschallt flotte Musik. Doch meist laufen wir durch stille Natur.  Etwa bei km 17 gibt uns mitten im Wald die Aqua Fitness Gruppe aus Wuppertal kleine Becher mit Prossecco. Das hat Tradition.


 
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Zur Zeit der Industrialisierung wurden im Bergischen Land an der Wupper und an den kleinen Seitenflüssen viele Hammerwerke errichtet. Manche stehen noch immer, sind aber längst nicht mehr in Betrieb. Wir kommen heute an einigen davon vorbei. Die vielen aufgestauten Teiche an den Bächen neben dem Weg zeugen ebenfalls von der alten Industriekultur.  

Unverändert kondensiert der Nebel zu feinen Tröpfchen und ich muss oft Brille und Kamera trockenwischen. Die Farben des bunten Herbstlaubes würden bei Sonnenschein stärker leuchten, aber es gefällt mir auch im Grau.  

Die Alpen sind weit entfernt, aber dennoch nennt sich das Hotel  hier “Zillertal”. Mit den grauen Schieferschindeln passt es optisch viel besser ins Bergische Land statt ins Gebirge. Bald darauf erreiche ich km 21,1 und das Ziel der Halbmarathon-Läufer. Um 9:30 Uhr sind hier die Marathonläufer gestartet. Die ersten 21,1 km konnte ich in 2:28 Stunden schneller laufen als erwartet. Ich bin sehr zufrieden, zumal ich weiss, dass ich nun für die nächsten 21,1 km bis zum Cut Off  3:47 Zeit habe.

Beim Museum Steffenshammer können die Zuschauer einen noch gut erhaltenen Eisenhammer und funktionsfähigen Schmiedekotten besichtigen. In dem 1746 erbauten Werk trieb ein oberschlächtiges Wasserrad den Schmiedehammer am Amboss an, ein zweites Rad den Schleifstein und den Blasebalg an der Esse.
Nach der Streckentrennung wird es um mich herum deutlich ruhiger. Die vielen Halbmarathonis fehlen nun. Dafür überholen mich immer mehr Ultraläufer, da ich mein bisheriges Tempo nicht länger halten kann und will.

Die Strecke führt jetzt bis zum Marathonpunkt meist durch Wald, zwischendurch aber auch manchmal über Wiesen. Wieder komme ich oft an idyllischen Bächen vorbei. Einmal steigen wir für kurze Zeit einen anstrengenden Trail hinauf. Ich werde immer langsamer.  

Bei km 30,3 laufe ich unter dem bekanntesten Fotomotiv im Bergischen  Land hindurch, der 107 m hohen und 465 m langen Müngstener Brücke. Diese 1897 erbaute stählerne Bogenbrücke ist die höchste Bahnbrücke Deutschlands.  

 

 
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Während meiner bisher mehr als 100 Marathons und Ultramarathons wurde ich fast nie durch Krämpfe gebremst, doch jetzt blockiert das linke Bein so heftig, dass ich zwischendurch mehr humple als laufe.  

Noch einmal führt der Weg kurz aus dem Wald heraus auf eine Lichtung mit Blick hinab zur Wupper. Der Nebel hat sich vorübergehend etwas gelichtet. Ich hoffe, dass mir die Cola und Bananen an der nächsten VP helfen, doch auch danach bin ich zu oft nur noch schneller Walker statt Ultraläufer. Ok, so kann ich die Natur an der Strecke noch intensiver genießen. Der „Mann mit dem Hammer“ hat mich erwischt, das passt zu den Hammerwerken entlang der Strecke.

Dann holt mich Dirk ein, einer der Radfahrer, die das Ende des Läuferfelds kontrollieren. Zuerst befürchte ich, er sei schon der „Besenradler“, aber hinter uns sind weitere Läufer und Radler unterwegs. Einige Kilometer weit begleitet er mich. Noch immer blockiert mein Bein. Abwechselnd langsam laufend und schnell marschierend ziehen sich die letzten Kilometer in die Länge, obwohl sie über angenehme, reizvolle Wege führen.

Früher lief man bei km 42 durch das Gelände des Freibads, in dem auch die Verpflegungsstelle stand und in den ersten Jahren auch das Ziel der Marathonstrecke war. In den nächsten Jahren wird das Bad komplett renoviert und die alten Gebäude durch neue ersetzt. Entsprechend sieht es jetzt hier aus wie ein „Lost Place.“ Die Verpflegungsstelle wurde hinauf an die Straße verlegt. Wer bis jetzt länger als 5:45 Stunden gebraucht hat, darf nur mit Stirnlampe weiterlaufen, sind mehr als 6:15 vergangen, muss das Rennen beendet werden.

 

 
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Ich hätte jetzt noch 17 Minuten Zeit, weiss aber, dass ich nach den Krämpfen für die letzten 21Kilometern wohl so viel Zeit brauchen würde, dass ich das Ziel voraussichtlich nicht bei Tageslicht erreiche. Offizieller Zielschluss ist um 17 Uhr, Sonnenuntergang gegen 17:20 Uhr, bis 18 Uhr werden die Finisher noch gewertet.

Bei sonnigem Wetter würde ich mir den weitaus schönsten Teil der Strecke mit den Stauseen auf keinen Fall entgehen lassen, aber bei leichtem Regen mit der Stirnlampe durch die Dämmerung zu laufen, muss heute nicht sein. Daher gebe ich meine Startnummer ab und warte mit anderen Läufern auf das Auto, das uns zurück zum Sportzentrum Hackenberg bringt.  Bei Kaffee und Kuchen warte ich auf Annette, die gleich darauf eintrifft und ihren Marathon, der deutlich mehr Höhenmeter hat als meiner, besser geschafft hat als ich meinen.  

Gerne ergänzt Annette meinem Laufbericht, in dem sie hier kurz und mit einigen Bildern den Streckenabschnitt beschreibt, den ich mir heute geschenkt habe:

 

Hallo zusammen, ich bin Annette, Günters Lebenspartnerin.

 

Zumeist laufen wir auf weichem mit Laub bedeckten Waldboden, einigen Wiesenwegen und Asphalt. An einigen wenigen Stellen geht es etwas steil den Hang hinauf, aber technisch unproblematisch auch bei dem nassen Wetter.  Zwischen km 25 und km 30 verläuft die Strecke kurz auf einer stillgelegten Bahntrasse, wie die angenehme Steigung, die Hektometersteine mit den Kilometerangaben und einer kleine Brücke verraten. Aufgrund des Wetterberichts am Morgen habe ich auf regenfreie Abschnitte mit Sonne auf dem zweiten Teil der Laufstrecke mit den Stauseen gehofft. 

 

 
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Leider liegt aufgrund des stärkerer Regen die 1891 eröffnete Eschenbachtalsperre, Deutschlands älteste Trinkwassertalsperre, total im Nebel, durch den Zaun nur schemenhaft erkennbar. Bei der 1989 in Betrieb genommenen Wuppertalsperre, hier bietet der Röntgenweg schöne Ausblicke auf den See, treffe ich im letzten Abschnitt bei km 40 mit Blick auf die Staumauer auf die 5 km und 10 km Läufer.  

Dann muss ich an Waldkapelle vorbei noch einen letzten Anstieg erklimmen und treffe dann nach einem kurzen flachen Stück durch den Wald auf die ersten Häuser von Lennep und laufe hinunter zum Ziel. Ich erreiche das Ziel in genau 6 Stunden als 30. Frau, 40 Minuten vor den letzten Finishern. Glücklich nehme ich die Medaille aus Schiefer, dem für diese Region typischen Gestein, das viele Häuser ziert, in Empfang.

 

 
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Ich freue mich über die Marathonschnecke, eine mit Sesam bestreute Schneckennudel mit Rosinen. Auch Schmalzbrote sind zu haben und zur Erfrischung alkoholfreies Bier und Radler. 

Den Marathon schaffen heute 94 Männer und 37 Frauen, den Halbmarathon 556 Läufer und 285 Läuferinnen sowie viele Walker und Nordic-Walker, den Ultra-Lauf 154 Männer und 31 Frauen. 26 Männer und 10 Frauen beenden den Ultra-Lauf wie mein Partner Günter bei km 42,1.Als Günter und ich zum Hotel zurückfahren, lockert sich die Wolkendecke auf und die ersten Sonnenstrahlen des Tages beleuchten den Herbstwald.   

 

Informationen: Röntgenlauf
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