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25.10.09 - Röntgenlauf

Lang, hart und bergisch

Wir umlaufen Lüttringhausen, einen weiteren Stadtbezirk von Remscheid mit rund 17.000 Einwohnern, zwar leider nur, bekommen aber auch hier schon mit, was uns den ganzen Weg begleiten sollte: Die herzliche Anteilnahme der Bevölkerung, bei einem Landschaftslauf durchaus bemerkenswert. Immer wieder stehen kleinere und größere Zuschauergruppen und feuern uns mit netten Zurufen und Transparenten an. Ohrenkrebs bekomme ich allerdings von kleinen weißen Megaphonen, die nervtötend automatisch ständig „Olé, olé olé olé, we are the champions, we are the champions“ dudeln. OK, sie haben selbstverständlich recht, echte Helden sind wir tatsächlich, aber auf die Dauer... Ihr habt es natürlich gut gemeint und das wird anerkannt!

Das erste größere Waldstück wird kollektiv zum Pinkeln genutzt. Die Herren stehen einträchtig am Waldrand nebeneinander und die Mädels sprinten ins Gebüsch. Dem Herrn sei Dank für diesen wichtigen anatomischen Vorteil! Mittlerweile haben wir die ersten beiden Verpflegungsstellen passiert, die von Station zu Station reichhaltiger werden. Gut ist die deutliche Ausschilderung. Häufig gibt es auch warmen Tee, den ich sehr schätze. Kaltes und warmes Wasser, Tee, später Cola, Gatorade, Bananen und später noch Riegel, Kuchen und Frikadellen – klasse. Fast hätte ich das Kölsch vergessen, das uns Ultras am Ende aufgetischt wurde – herrlich!

Km 15 nehme ich nach 1:35 Std. Das sieht doch ganz gut aus hinsichtlich meiner Zielzeit. Zielzeit? Wollte der Herr nicht nur überleben? Ja, natürlich wollte er das, aber er wäre nicht er, wenn er nicht auch nach einer Zeit schielen würde. Eine Unterbietung von 7 Stunden, ohne mich zu sehr unter Druck zu setzen, das wär’s doch. Aufgrund des Profils habe ich mir für die drei Drittel 2:10, 2:20 und 2:30 als Marschroute gesetzt.  Die Ronsdorfer Straße wird bei km 15 überquert und weiter führt der Weg vorbei an kleinen Weilern wie Halbach, Grund oder Haussiepen, jeder nett anzuschauen und ein paar Leute stehen immer da. Saalbach wird bei km 19 passiert und einige schöne Seen erfreuen das Auge. 2:08 nach 20 km, nicht ganz im Zeitplan. Na ja, es ist ja noch weit. Hocherfreut nehme ich dann die Prosecco-Pause wahr, die nette Leute selbstlos im Wald anbieten.

Bei der Halbmarathonmarke (2:18) haben es dann die Halben geschafft. Links einordnen für den Zieleinlauf, rechts für Marathon und Ultra. „Und da ist mit der Startnummer 6444 Wolfgang Bernath aus Waldbreitbach. Er nimmt sich die Zeit, das Ziel zu fotografieren. Das wird er bestimmt auch noch beim Marathonziel tun.“ Genau. Deshalb mache ich mich auch schnell wieder vom Acker. Nach dem Clemenshammer, einem Wohnplatz mit rund 80 Einwohnern, an dem über mehrere Jahrhunderte Hämmer betrieben wurden, kommen weitere steinerne und hölzerne Zeitzeugen. Etliche dieser Schmieden sind in beklagenswertem Zustand, aber offensichtlich hat man die Zeichen der Zeit erkannt und versucht zu retten, was zu retten ist. 

 
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Auf teilweise engen Wegen, an denen ein Überholen nicht möglich ist, geht es weiter, u.a. den Morsbach entlang. Manchmal muß ich mich schon über Zeitgenossen wundern. Da schiebt doch tatsächlich einer sein Fahrrad auf einer langen Serpentine mit vielen Treppen hoch und staut die zwar gehenden, aber im Zweifelsfall doch deutlich schnelleren Läufer!

Kurz vor Km 30 (3:17) kommen wir zum zweifellos architektonischen Höhepunkt der Strecke: Der Müngstener Brücke. Diese ist die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands, eisern, 107 m hoch und mit 950.000 Nieten versehen. Jährlich am letzten Oktoberwochenende wird das Müngstener Brückenfest gefeiert, dann können Besucher in historischen Dampfzügen über die Brücke fahren. Davon merken wir aber nichts. In den letzten beiden Jahren, erzählt mir ein Mädel, sind just bei ihrem Unterqueren Dampfloks darüber gefahren. Super, an die halte mich! Klappt natürlich nicht. Wie filigran wirkt die Brücke aus der Ferne und wie mächtig sind die Pfeiler doch aus der Nähe!

Mittlerweile ist die Sonne durch die Wolken gebrochen und taucht den herbstlichen Wald in tolle Farben. Im Mix mit den immer wieder auftauchenden Gewässern ist das schon sehr schön anzusehen. Oberhalb der Wupper geht es weiter, die im bergischen Land entspringt und nach 116,5 km in den Rhein mündet – gut, daß wir heute nicht so weit zu laufen haben! Die Westhausener Straße wird bei Lehmkuhle überquert und der Name scheint Programm zu sein: Ein Waldweg ist neu planiert worden, der nasse, weiche Lehm saugt sich fast an den Schuhen fest. Glück, dass ich heute die Trail-Version anhabe.

KM 35 (3:49) führt an den Rand von Westhausen, parallel zur Hauptstraße und zum Eschbach vorbei am Kellers- und am Hüttenhammer. Km 40 erreiche ich nach 4:25 und realisiere, daß es mit den sieben Stunden wohl nichts werden wird. Ich muß mir ehrlicherweise eingestehen, daß ich die letzten zwei km zum Marathonziel (4:39) auch nicht schneller laufen würde, wenn ich „nur“ den Marathon liefe. Auch hier werde ich namentlich begrüßt, eine schöne Sache, fürs Foto gelobt und so fällt mir das Weiterlaufen nicht allzu schwer.

 
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Kurz dahinter folgt die Unterquerung der BAB 1 etwa auf Höhe der Raststätte Remscheid und dahinter schrauben wir uns die gefühlte siebenundzwanzigste Steigung hinauf. Längst nehme ich schon nicht mehr alle heftigeren Steigungen im Laufschritt. Weitere schöne Wege führen uns, entlang an malerischen Stauseen, über Bergisch Born und  Hückeswagen Richtung Km 50 (5:35).

Ich bemerke an mir interessiert, wie sich die zunehmende Belastung auch mental bemerkbar macht. Ich reagiere mehr und mehr gereizt auf völlige Nebensächlichkeiten, die eigentlich nicht der Rede wert sind: Kinder, die uns im Vorbeigehen mit „Hopp, hopp, hopp“ zum schnellern Laufen bewegen wollen und Spaziergänger, die uns nicht zur Kenntnis nehmen. Oder der Mitläufer, der alle halblang im Wald angerufen wird und ellenlange Telefonate führt. Wohin mag das wohl führen, wenn es mal wirklich ans Eingemachte geht?

An einer Stelle hat das THW eine kleine Behelfsbrücke gebaut, Respekt und Dank! Ebenso natürlich den vielen, vielen Helfern, die dafür Sorge tragen, daß es uns an nichts fehlt und wir nicht überfahren werden.

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