Weiter geht es bergauf. Peter Ickert, Mitorganisator des Laufes, hat sich auch dieses Jahr wieder unter die Läufer gemischt. So kann er organisatorische Mängel aufdecken und die Stimmung unter den Läufern nachempfinden. Gerade kommt er von hinten. Er gratuliert einem Läufer zum Geburtstag und hält ein Schwätzchen hier und da. Wir überqueren die Straße und landen auf einem bequemen Feldweg. Die Freude ist nur kurz. Der Weg wird matschig und während wir vorsichtig bergab schlittern, fängt es ganz leicht zu nieseln an. Ich empfinde es zunächst noch als willkommene Kühlung. Wir erreichen einen geteerten Weg, wo Helfer uns nach links leiten. Der Wald wird offen, grünes Weideland liegt vor uns.
Im Dunst in der Ferne erkennt man den Lüttringhauser Wasserturm. Er wurde im Jahre 1914 zur Wasserversorgung der damals noch selbständigen Stadt Lüttringhausen gebaut. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude besteht aus verputztem Mauerwerk. In der oberen Etage befand sich einst der Wasserbehälter. Er hat eine achteckige Form, besitzt ebenso wie der Schaft kleine Fenster und ist, wie auch das Dach des Turms, verschiefert. Nach Jahren des Leerstands wurde der heute in Privatbesitz befindliche Turm zu Wohnzwecken umgebaut.
Auf einer eingezäunten Weide leuchtet es schon von weitem in schwarz und weiß. Viele Kühe stehen neugierig am Zaun um die Herde der vorbeikommenden Zweibeiner zu betrachten. Das Interesse ist beidseitig. Aber wir müssen uns konzentrieren. Helfer weisen den Weg nach rechts. Den schützenden Wald schon im Blick, fängt es unvermittelt an zu schütten. Damit hätte man doch noch zwei Minuten warten können! Im Wald merken wir, dass das aber auch nichts gebracht hätte. Die Bäume sind so licht, dass der Regenschutz gegen Null tendiert. Dafür fegt ein kalter Wind bereits kleinere Zweige durch die Gegend. Es wird richtig ungemütlich. Bei km 10 geht es über die Brücke der A1.
Unter der Eisenbahn hindurch kommen wir nach Lüttringhausen. Der Regen hat aufgehört. Nach der Getränkestation geht es im Grünen um den Ort herum. An jeder Straßenüberquerung halten Helfer die Autos an und an der Diskothek Deja-vu heizt eine Perkussion-Gruppe mächtig ein. Bei km 15 kommt die nächste Getränkestation. Ein Helfer ruft uns zu, an welchem der beidseitig aufgebauten Tische es Tee bzw. Wasser gibt. Das Läuferfeld ist zwar nicht mehr so dicht, aber bei Bremsmanövern bildet sich schnell eine Menschentraube und so ist dieser Hinweis durchaus sinnvoll. Es geht kurz steil den Berg hinauf. Bald haben wir einen phantastischen Blick auf den Stadtkegel von Remscheid mit Rathausturm und Waterbölles, dem Remscheider Wasserturm.
Hier oben pfeift ein kalter Wind, Gott sei Dank von hinten. So werden wir das letzte Stück buchstäblich hinauf geschoben. Da unser Weg nun wellig im Zick-zack verläuft, kommen wir öfters in den Genuss des "Schiebewinds". Ebenso oft kommt er aber auch von vorne. Obwohl die Gegend hier dicht besiedelt ist, schaffen wir es, bebautes Gebiet zu vermeiden. Nur die hohe Helfer- und Zuschauerdichte signalisiert, dass in direkter Nähe Menschen leben.
Auf einmal führt ein schmaler Trail steil bergauf. Helfer haben einen Ghettoblaster neben dem Weg platziert. Die laute Musik macht richtig Spaß und motiviert für den Aufstieg. In einer Läuferschlange steigen wir die Serpentinen nach oben. Ein kurzes Stück geht es oben auf einem geteerten Weg und dann einen schmalen Radweg wieder steil nach unten. Ein kleiner Weiler mit gepflegten modernen Häusern empfängt uns. Es geht links. Der reizvolle Wanderweg führt an dem Bächlein Saalbach entlang, welcher immer wieder angestaute Teiche durchläuft; Relikte aus der Zeit der Industrialisierung.
Bei der Gaststätte Zillertal mündet der Saalbach in die Gelpe. Die Überquerung des Parkplatzes des stark frequentierten Ausflugslokals stört nur kurz unseren Laufrhythmus. Wir kommen zügig voran. Bald können wir die Durchsagen des Sprechers im Halbmarathonziel von Remscheid-Hasten hören. Noch kurz bergab, richtig einordnen, und wir befinden uns parallel der Zielgeraden des Halbmarathons. Die Zuschauer jubeln. Ob für die einlaufenden Halbmarathonis oder für uns? 2h30 ist langsamer als ich gehofft hatte. Das könnte für die maximale Durchgangszeit bei km 42 eng werden. Aber schauen wir mal.
Unter dem Applaus der Zuschauer laufen wir hinter der Zeitmessung rechts weiter auf unserem bekannten Weg am Bach entlang. Ich komme mit Anne ins Gespräch. Sie hat sich den Marathon zu ihrem heutigen 64. Geburtstag geschenkt. An der VP verliere ich sie aus den Augen. Ich muss jetzt erst einmal etwas essen. Da kommen mir die Bananen gerade recht.
Frisch gestärkt erreichen wir Breitenbruch. Der kleine Ort besticht durch die alten Industrieanlagen der "Werkzeug- und Messerhersteller Fritz Ibach". Das Unternehmen geht auf die Familie Ibach zurück, die bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz der historischen Hammerwerke im Ort war. Im Bereich der Hygienepapierschneidemesser ist die Firma mit 50 % Marktanteil Weltmarktführer.
So schnell, wie wir den Ort erreichen, sind wir auch wieder draußen. Im Wald geht es wellig und kurvig weiter bis zur nächsten VP (km 25). Die umliegenden Gebäude lassen auf eine weitere kleine Ortschaft schließen. Unser Weg verschwindet aber sofort wieder im Wald. Wir überqueren ein kleines Bächlein und sind steil bergauf unterwegs, um dann kurz darauf die Höhenmeter wieder zu verlieren. Unten an der Straße steht ein Helfer der verkündet: "Nächste VP in 1500!" Er vergisst zu erwähnen, dass es sich um "Höhenmeter" handelt. Es geht nämlich richtig steil bergauf, teilweise sogar mit Geländer und Stahlseilen gesichert. Natürlich sind es keine 1500 Höhenmeter, aber ich habe ganz schön zu kämpfen. Der Helfer oben tröstet, dass die "Nordwand" ja nun besiegt sei. Natürlich geht es jetzt wieder bergab. Die VP kommt dann tatsächlich irgendwann mitten im Wald, kurz vor km 30.