… heißt es für viele Marathonis, denn ab November wird der Marathonkalender dünn.
Aber ausgerechnet heute gibt es eine Terminkollision. Ich muss mich entscheiden zwischen Ruhr und Rur. Na, was macht es schon aus, ob man das Wort mit oder ohne „h“ in der Mitte schreibt, werdet Ihr Euch fragen, vielleicht ein Schreibfehler? Nein, das ist es nicht. Tatsächlich gibt es zwei Flüsse mit dem Namen Ruhr in Nordrhein-Westfalen, und da es immer zu Verwechselungen kam, hat man bei einem der Flüsse das „h“ entnommen. Jetzt gibt es kein Vertun mehr, die Ruhr fließt vom Sauerland in den Rhein und ist Namensgeber des Ruhrgebiets, die Rur vom Hohen Venn in Belgien durch die Eifel in Deutschland nach Holland und mündet bei Roermond in die Maas.
Es bleibt das Dilemma, Ruhr oder Rur? Im Ruhrgebiet, aus dem ich stamme, findet heute der Bottroper Herbstwaldlauf statt. Am Rurstausee der Rursee-Marathon. Dieser gewinnt diesmal meine Gunst, denn vom Herbstwaldlauf habe ich schon vor einigen Jahren berichtet und an der Ruhr steht im nächsten Jahr ohnehin die Tortour de Ruhr auf meinem Programm.
Startort ist der Ort Einruhr, der aber nicht an der Ruhr, sondern trotz „h“ an der Rur liegt. Grund: bei der Namensänderung um 1900 wollte Einruhr nicht auf sein „h“ verzichten, anders als das benachbarte Rurberg. Einruhr ist ein beschaulicher, touristisch geprägter Ort, etwas mehr als 500 Jahre alt. Eine römische Vergangenheit ist nicht auszuschließen, denn hier endet eine alte Römerstraße durch das Hohe Venn und die Eifel. Ob dies genau hier war, wo ich meinen Wagen abgestellt habe? Denn ich parke an der Ecke „Römerstraße“ / „Auf dem Römer“. Parken ist übrigens nicht so einfach, denn der Ort ist nicht auf mehr als 700 Läufer am heutigen Tage eingerichtet. Großflächige Parkareale sind im engen Rurtal nicht vorhanden und so wird jede Parkmöglichkeit, die sich bietet, genutzt.
Tipp: 2 Stunden vor dem Start, der langschläferfreundlich erst um 10.30 angesetzt ist, ankommen, dann klappt es auch mit dem Parkplatz. Und dann die Zeit totschlagen bis zum Start? Dies kann man im Heilsteinhaus wunderbar machen, denn in der ehemaligen Dorfschule werden die Startnummern ausgehändigt und man kann sich im rustikalen Innenhof mit Kaffee und Brötchen versorgen. Richtig romantisch mit offenem Feuer. Leider habe ich keine Zeit zum Frühstücken, denn ich muss ja arbeiten und nach ein paar Fotos jagen. Meine Mitläufer nehmen allerdings das Angebot gut an, schnell hat sich eine Schlange an der Ausgabe gebildet. Aber vielleicht sind es auch die 16,5 km- Läufer, die mit über 500 Teilnehmern den mehr als 200 Marathonläufer zahlenmäßig überlegen sind, nach uns starten und daher noch mehr Zeit haben. Welche Gruppe hat heute Abend wohl in Summe mehr Kilometer zurückgelegt…?
Keine Zeit, dies nachzurechnen, denn ich mache mich jetzt auf den Weg zum Start, spare mir aber im Gegensatz zu einigen Mitstreitern, die mich gerade überholen, das Warmlaufen. Wobei es mit 7 Grad schon recht kühl ist, jahreszeittypisch halt, und noch ein wenig regnerisch. M4YOU-Reporterkollegen Norbert und Birgit warten jedenfalls engumschlungen auf den Start. Auch den meisten anderen Läufern scheint es kalt zu sein, viele laufen mit langer Hose, Jacke und Mütze. Letztere habe ich auch auf dem Kopf, vorsorglich wegen des angekündigten Regens, aber ansonsten bleibe ich bei Langarmshirt und kurzer Hose, was sich am Ende auch bewährt hat.
Startaufstellung, kurze Ansage und dann geht es auch schon los. Die Spitze läuft wie „die Bekloppten“ los, als wäre es ein flacher Stadtmarathon. Tatsächlich sind aber heute knapp 400 Höhenmeter zu bewältigen und die Bodenbeschaffenheit hat es auch in sich. An vielen Stellen scheint der Weg in den Fels gehauen zu sein und ist dementsprechend uneben. Kiesgeröll, Matsch und feuchtes Laub erhöhen ebenfalls nicht den Grip und so lasse ich es langsam angehen. Kaum haben wir nach knapp einem Kilometer Einruhr verlassen, befinde ich mich schon am Ende des Feldes. Denn nicht nur die vorderen Läufer sind schnell, auch das gesamte Feld. Mit einer Zeit von 4 Stunden auf dieser doch etwas anspruchsvollen Strecke käme man nur mit Mühe in der ersten Hälfte des Feldes ins Ziel.
Zunächst geht es aber ein gutes Stück auf dem vom Regen noch nass glänzenden Asphalt am Rursee entlang. Vorbei an mit Regenschutzfolie bedeckten selbstauslösenden Kameras und an einem Fotografen, der etwas waghalsig in den rutschigen Fels geklettert ist, um aus ungewohnter Perspektive schöne Fotos zu schießen. Ich lass das mal lieber sein und fotografiere dafür ihn vom sicheren Boden aus.
Rursee ist übrigens eine vereinfachende abkürzende Bezeichnung. Eigentlich müssten wir von der Rurtalsperre Schwammenauel, dem Obersee und der Eiserbachsperre sprechen, denn es handelt es sich um eine kaskadenförmigen Anordnung von gleich drei Stauanlagen, die zusammen nach der Bleilochtalsperre den zweitgrößten Stausee Deutschland bilden. Und damit nicht genug, direkt im Anschluss liegt noch die Urfttalsperre, die den Rur-Nebenfluss aufstaut. Wir werden also heute vier Stauanlagen zu sehen bekommen, aber um es vorwegzunehmen, bei dreien davon handelt es sich mehr oder weniger nur um Aufschüttungen zu Dämmen. Die einzige wirklich beeindruckende Staumauer ist die von der Urfttalsperre, und dahin begeben wir uns als erstes.
Nach der gerade absolvierten Passage direkt am Rursee, oder besser Obersee wie wir jetzt wissen, schließt sich ein schöner Abschnitt über Felder und durch Wald an, bevor wir linker Hand wieder auf den Obersee treffen, der schön durch die lichten, Laubwälder hervorblinzelt. Dann folgt ein Rechtsknick und wir befinden uns an der Urft, denn an dieser Stelle mündet diese in die Rur. Beide zusammen werden im Obersee aufgestaut, man erkennt kaum die Mündung. Egal, ob Rur oder Urft, die Landschaft ist gleich schön und das Wasser ist immer noch auf der linken Seite.
Plötzlich geht es aufwärts, und ich weiß, was jetzt kommt. An den Aufstieg zur Urfttalsperre kann ich mich noch gut von meiner bisher einzigen Teilnahme hier vor mehr als 10 Jahren erinnern.
Sobald wir diesen Anstieg, bei dem an Laufen nicht mehr zu denken ist, hinter uns haben, befinden wir uns auf der Krone der Urftstaumauer. Rechter Hand sehen wir die aufgestaute Urft, ein Felsen ragt bizarr daraus hervor. Im Hintergrund, auf den Bergkuppen gerade noch sichtbar, ist Vogelsang, eine der größten NS-Hinterlassenschaften in Deutschland. Die als NS-Schulungsstätte errichtete Anlage wurde später von den britischen und belgischen Streitkräften als Kaserne und Verwaltung für den angrenzenden Truppenübungsplatz genutzt. Die politische und militärische Vergangenheit hinter sich lassend ist das Areal nun der Öffentlichkeit als Freizeit,- Sport und Kulturstätte zugänglich.
Von alledem bekommt der auf den Marathon konzentrierte Läufer wenig mit, denn er sieht schon die erste Getränkestelle, wo Wasser, Tee und Iso bereitstehen. Danach geht es gut einen Kilometer abwärts, bis wir uns am Talboden der Urftalssperre befinden und folgen wieder der Urft, diesmal auf der gegenüberliegenden Seite.
Den nun folgenden Abschnitt kenne ich sehr gut, denn ich bin hin und wieder hier beruflich in der Region und nutze dann die Gelegenheit zu einem Läufchen. Ein „Läufchen“ haben auch die uns jetzt überholenden 16,5 km-Läufer zu absolvieren, dass „chen“ sei im Vergleich zum Marathon gestattet. Jedenfalls werde ich nun permanent überholt und freue mich über die vielen laufenden Fotomotive.
Bald hat der Spaß ein Ende, denn wir kommen wieder zur Urftmündung in die Rur und damit zur Stauanlage des Obersees, dem Paulushofdamm.
Der Paulushofdamm ist, wie der Name schon sagt, unspektakulär nur ein Damm. Für uns wichtiger ist da schon die Marathonweiche. Links über den Damm haben die 16,5 km Läufer noch etwa 5,5 km bis zum Ziel, wir aber müssen rechts abbiegen und haben noch 31 km vor uns.
Links sehen wir wieder Wasser, das ist ja nun nichts Neues. Neu ist nur, dass es sich jetzt im den eigentlichen Rurstaussee handelt, also die Rurtalsperre Schwammenauel. Bald laufen wir aber permanent ansteigend oberhalb des Sees im einen schönen Herbstwald über raschelndes Laub, auch ohne Sonnenstrahlen eine Farbenpracht.
Kurz darauf dann die zweite Versorgungsstelle, mitten im Wald ein großes THW-Fahrzeug. An der Stelle ein großes Lob an die vielen Helfer, überwiegend von THW oder Feuerwehr. Und die THW- und Feuerwehrjugend immer mit Spaß dabei. Vielleicht half auch die eine oder andere Grillwurst, denn an einigen Stellen erreichte ein verdächtiger Geruch meine Nase. Hier im tiefen Wald bei km 14 geht das natürlich nicht.
Die Passage durch den Wald will kein Ende nehmen, was ich ausnahmsweise gar nicht schade finde… Kurz vor der nächsten Versorgung bei km 19 treffe ich auf Kirsten und Uwe. Mit beiden war ich schon vorher ein Stück zusammengelaufen, dann aber waren sie mir enteilt. Uwe hatte mir erzählt, dass er die Veranstaltung eines 24-Stunden-Laufs (auf einer 3,5 Km-Runde mit 100 Höhenmetern) hier in der Region Aachen plant. Dagegen ist der Lauf heute ja ein Kinderspiel. Die Versorgung des 24ers lässt hoffen, Uwe hat Aachener Printen dabei, ein weit verbreitetes Weihnachtsgebäck, in Aachen aber das ganze Jahr zu haben. Er bietet mir auch von diesem „Doping“ etwas an, ich muss aber wegen meines Magens dankend verneinen und bitte ihn mir etwas bis zum Ziel aufzuheben
Kurz darauf erreichen wir die nächste Versorgung bei km 19, wo es hochprozentiges gibt, von dem ich aber meine Finger lasse, und dann den Staudamm der Rurtalsperre Schwammenauel. Wir müssen uns den Damm mit Autos teilen, so dass es kaum auffällt, dass wir uns auf einem Staudamm befinden. Auf dem See sind zahlreiche Steganlagen zu sehen, und große Parkplätze lassen ahnen, dass hier im Sommer ein buntes Treiben herrscht.
Weiter geht es am Uferweg lang, die Halbmarathonmarke ist bald erreicht. Auf dem See ist nun die Insel Eichert zu sehen, allerdings ist diese kaum vom gegenüberliegenden Ufer zu unterscheiden. Beinah 5 km folgen wir immer neuen Buchten bis es dann bei km 24 für ein kurzes Stück steil bergauf landeinwärts geht. So sparen wir uns den Weg um eine Landzunge herum, was im Sommer schade wäre, denn dort ist ein Beach Club zu finden. Jetzt aber ist es angenehm, denn so sparen wir uns einen Umweg. Auf der Kuppe steht dann wieder das THW für uns bereit. Und dann? Dann geht es weiter, für weitere 5 km an immer neuen Buchten entlang…
Das ist alles andere als langweilig, denn der See und die dahinterliegenden Berge bietet immer wieder andere Eindrücke, wenn man sich die Zeit nimmt, diese auch in sich aufzunehmen. Waldsofas laden zum Verweilen ein, das Schild km 27 dicht dabei zeigt mir aber, dass es einen anderen Grund gibt, heute hier zu sein. Bald ist das enge Schilsbachtal erreicht, welches wir ein Stück auslaufen müssen. Zur Belohnung gibt es hier die nächste Versorgung und gute Stimmung bei den Helfern.
Wieder am eigentlichen See zurück, ist es nicht mehr weit bis Woffelsbach, das direkt am See liegt. Zur Abwechslung dürfen wir kurz durch den Ort laufen, immer schön bergauf und bergab, man gönnt sich ja sonst nichts. Jede Kreuzung wird für uns von einem Trupp der freiwilligen Feuerwehr gesichert, auch wenn fast kein Autoverkehr stört. Nun geht es ein wenig oberhalb des Sees entlang, bis wir bei km 33 die Ausläufer des nächsten Ortes Rurberg erreichen.
Unten am See stehen dann wieder die blauen LKW des THW für uns bereit, 35 km sind geschafft. Noch ein kurzes Stück auf dem Uferweg, dann sind wir an der Promenade von Rurberg und überqueren die Stauanlage Eiserbach, die den Eiserbachsee vom eigentlichen Rursee trennt. Auch dies nur ein Damm. Damit haben wir mit Nummer vier die heutige Sammlung der Stauanlagen komplettiert. Ich nutze die Gelegenheit, noch einmal einen Blick zurück auf die Silhouette von Rurberg zu werfen. Jetzt ist besonders der niedrige Wasserstand des Rursee erkennbar, obwohl er beim Sommerhochwasser übervoll war.
Auf einer kleinen Felsnase liegt das kleine Hotel, welches ich bei meinen gelegentlichen Dienstreisen in dieser Gegend nutze. Aus dem Frühstücksraum hat man einen wunderbaren Blick auf den See. Schon in wenigen Wochen ist es wieder soweit, ich freu mich jetzt schon auf meine Laufrunde an der Urft. Aber heute geht es jetzt erstmal steil bergauf. Diese Passage ist mir „mit Schrecken“ von meiner ersten Teilnahme im Gedächtnis. Da kann es helfen, sich das Höhenprofil des Rennsteig in Erinnerung zu rufen und gleich kommt mir die Steigung „wie ein Klacks“ vor. Oben warten dann gleich 3 Rettungssanitäter auf mich. Sehe ich so schlimm aus? Da sie meinen Wunsch nach einem Beatmungsgerät aber nicht nachkommen können, laufe ich über eine wunderschöne wellige Kuppe im Abendsonnenlicht weiter.
Dann gilt es die Höhenmeter ebenso schnell, wie wir sie vorher erklommen haben, wieder zu vernichten und hinter einer Kurve lugt die letzte Versorgungstelle hervor. Der Grill ist schon angeschmissen, aber leider nicht für uns. Für die verbleibenden vier Kilometer kommen wir auch ohne Bratwurst aus. Auf einem verwunschen wirkenden Weg noch oberhalb des Sees geht es weiter, bis uns plötzlich steile Felsserpentinen direkt wieder runter zum See führen. Hier ist Vorsicht angebracht, kein falscher Ehrgeiz bitte. Mir dicht auf den Fersen ist Alexander und so lasse ich ihn lieber passieren, denn nebeneinander oder direkt hintereinander zu laufen ist kaum möglich bzw. nicht ratsam.
Was bleibt sind noch 3 km Uferweg, mit einigen kleinen Steigungsgemeinheiten dazwischen. Kurz nach dem KM 41-Schild präsentiert sich Einruhr auf der anderen Seeseite. Um dahin zu gelangen, müssen wir nur noch eine Rurbrücke überqueren.
Vom unermüdlichen Moderator empfangen ist meine Arbeit bald vollbracht, nachdem auch Kirsten, Uwe und Alexander gemeinsam ins Ziel laufen. Und kaum zu glauben, Uwe hat tatsächlich Printen für mich aufbewahrt. Vielen Dank, selten so leckere Printen gegessen. Dann noch schnell an der offiziellen Versorgungsstelle eingedeckt und ich mache mich auf dem Rückweg zu meinem Auto.
Es war ein wirklich schöner Herbstmarathon, das Wetter hat gehalten. Medaillen und Finishershirt fallen heute umständehalber genauso aus wie Duschen, dass tut dem guten Gesamteindruck aber keinen Abbruch. Auffallend die hohe Zahl an Helfer gemessen an den Teilnehmerzahlen, und herzlich waren sie sowieso. Trotz des geringen Betrages von 35 €, von dem für uns noch ein Schlauchtuch spendiert wurde, scheint noch etwas übriggeblieben zu sein, was der Veranstalter an hiesige Flutopfer überweist.
Also, wer genug von der Ruhr hat, sollte es mal mit der Rur versuchen.