So schön kann Trailrunning sein! Sonnengeflutetes Herbstlaub in seiner buntesten Ausprägung, dazu knackige Trails, die das Herz eines Trailrunners höher schlagen lassen und eine landschaftlich schöne und abwechslungsreiche Strecke bieten alles, was ich mir wünsche. Ich sage es gleich: Für mich verdient die Premiere dieser gelungenen Veranstaltung uneingeschränkt zehn von zehn möglichen Punkten.
In wohl jedem Bildband mit den schönsten Reisezielen Deutschlands gibt es ein Foto von der Saarschleife, aufgenommen am Aussichtspunkt Cloef. Auch in Zeitschriftenartikeln mit Reisetipps sieht man dieses Panorama häufig. Als ich vor Jahren auf der Rückfahrt von einem belgischen Ultratrail einen Zwischenstopp an der Saarschleife einlegte, dachte ich mir bereits, dass dies eine herrliche Gegend für einen Trail-Lauf sein müsste. Entsprechend freute ich mich, als dann tatsächlich ein Saarschleife Trail angekündigt wurde.
Zur Wahl stehen 61 km mit 2000 Höhenmetern, 29 km mit 950 hm, 13,3 km mit 500 hm und 6 km mit 220 hm.
Wenige Tage vor dem Start ist die Zahl der Anmeldungen schon so hoch, dass die Veranstalter beschließen, die Höchstteilnehmerzahl insgesamt auf 650 zu begrenzen, damit es auf den Pfaden nicht zu eng wird. Wie ich später erfahre, hatte man für die Premiere 100 bis 150 Leute erwartet. Man sieht, dass es hier nicht um maximalen Profit geht. Aber auch die niedrigen Startgebühr von 25,— Euro für die lange Strecke bei Anmeldung bis zu einem Monat zuvor hebt sich sehr positiv von den Preisen mancher kommerzieller Veranstalter ab.
Für die Ultradistanz stehen am Sonntagmorgen um 8 Uhr 135 Starter beim Tagungs- und Besucherzentrum Cloef-Atrium, nur wenige Minuten vom Aussichtspunkt Cloef entfernt, der bei gutem Wetter den berühmten Blick auf die Saarschleife bietet.
Wir laufen aber nicht direkt zum Aussichtspunkt, sondern zuerst eine Schleife oben auf den sonnigen Wiesen in Richtung Orscholz. Unter herrlich blauem Himmel scheint dies ein ungetrübter Sonnentag zu werden, doch leichter Dunst, der aus dem Tal herauf zieht, zeigt uns, dass die Saar noch im Nebel liegt.
Als uns dann ein schöner Trail bergab führt, hat sich das Läuferfeld schon genügend in die Länge gezogen, so dass es auf dem schmalen Pfad nicht zu eng wird. Vorbei an einigen für diese Gegend typischen Schutthänge, bemoosten Steinen und uriger Vegetation lässt schon dieser Abstieg meine Seele jubeln.
Dann kommen wir unten am Ufer der Saar an. Als ich gestern Mittag hier auf dem Saar-Radweg unterwegs war, konnte ich die mit herrlicher Farbenpracht protzenden Herbstwälder an den Berghängen in ungetrübtem Sonnenschein bewundern, jetzt dagegen erkenne ich im Nebel nur kleine Abschnitte der Hänge. Egal, auch die Nebelstimmung ist wunderschön. Nur kurz folgen wir dem Radweg, dann führt uns wieder ein schmaler Trail bergauf. Zuerst geht es durch Nebel, dann schimmert wieder blauer Himmel durch das Grau. Schließlich blicken wir auf ein herrliches Nebelmeer. Wie Inseln erheben sich die höchsten Bergrücken aus der weißen Masse. Jeder Läufer bleibt hier stehen und bewundert diesen überwältigenden Anblick.
Mindestens fünf Minuten lang bleibe ich am Aussichtspunkt Cloef und genieße das Panorama. Dass ich nun nicht zur Saarschleife hinab blicken kann, ist mir in dem Moment völlig egal. Ich hoffe, dass ich heute Abend noch einmal hier stehen werde und dann auch die Saar sehe, die 180 m unter uns durch das enge Tal fließt, das sie sich im Laufe der Jahrmillionen durch den Taunusquarzit gegraben hat. Besseringen, der Anfangspunkt der Saarschleife und das Ende bei Mettlach liegen Luftlinie nur etwa zwei Kilometer entfernt, aber der Fluss legt auf diesem Weg fast zehn Kilometer zurück.
Im Sommer 2016 wurde oberhalb des Aussichtspunkts der Baumwipfelpfad eröffnet, auf dem man in vielen Serpentinen weit in die Höhe steigen kann. Bei Touristen ist dieses gigantische Bauwerk sehr beliebt, doch mir selbst erschließt sich der Sinn dieser Landschaftsverschandelung nicht, da man schließlich auch vom alten Aussichtspunkt das Panorama genießen kann. Und wenn man unten am Ufer der Saar entlang wandert, wirkt diese Spirale inmitten unberührter Natur wie ein Dorn im Auge.
Für einen Teil des Läuferfeldes gibt es ein schnelleres Wiedersehen mit dem Cloef als erwartet, denn sie werden von einem Zuschauer versehentlich in die falsche Richtung geschickt. Zum Glück fällt dieses Missgeschick schnell auf, so dass die Fehlläufer nicht allzu viel Zeit verlieren. Irren ist menschlich!
Nun geht es auf einer herrlichen Route für einige Zeit im Sonnenschein oberhalb des Nebelmeeres mit vielen schönen Ausblicken weiter. Mal kann man schneller laufen, mal steigt man über unwegsame Pfade, wie ich sie liebe. In die Streckenführung sind Abschnitte der Traumschleife Cloefpfad und vom Saar-Hunsrück-Steig eingebunden. Allmählich durchdringen wir dann erneut den Grauschleier. Ein Kranz aus Sonnenstrahlen beleuchtet den Wald. Ein toller Trail führt nun hinab zur Saar.
Inzwischen scheint auch hier unten die Sonne und setzt die Farbenfülle des Herbstwaldes perfekt in Szene. Bald erreichen wir Keuchingen. Am Ortsrand stehen Wasserkanister für uns bereit. Da ich die Ausschreibung nicht richtig gelesen habe und daher nicht weiß, dass es hier für uns nur Wasser gibt, erwarte ich eine richtige Verpflegungsstelle im Ort und laufe weiter, ohne meine Flaschen nachzufüllen. An der VP Mettlach auf der gegenüber liegenden Seite der Saar kommen wir aber erst heute Mittag vorbei.
Am Ufer in Mettlach wirkt die 112 m breite Fassade einer vor über 250 Jahren errichteten Benediktinerabtei als Blickfang. Nach der Französischen Revolution wurde das Gebäude zuerst 1803 an einen Papierfabrikanten versteigert, ging aber schon sechs Jahre später in den Besitz der Familie Boch über, die dort Keramik produzierte. Heute ist es der Sitz der Firma Villeroy & Boch, auch ein Keramikmuseum befindet sich in dem großen Barockbau.
Nach einem schönen Streckenabschnitt am Ufer geht es wieder durch sonnigen Herbstwald bergauf. Ein Veranstalter kann fast alles planen, aber die Natur, wegen der wir das Laufen auf Trails so sehr lieben, sorgt manchmal sehr kurzfristig für unangenehme Überraschungen. Nur kurz wundere ich mich, warum die Läufer vor mir den Pfad verlassen und steil den weglosen Hang hinauf kraxeln, da warnen sie mich schon. Direkt an der Strecke liegt ein Wespennest und einige Läufer seien auch schon gestochen worden. Seit ich vor 25 Jahren auf ein Wespennest getreten bin und weiß, dass 16 Stiche nicht ideal für den Kreislauf sind, habe ich Respekt vor so etwas und kraxle nun in entsprechend großem Abstand daran vorbei.