Alles ausgebucht! Rekordanmeldungen für alle Strecken! Das Gesamtlimit von 1200 Läufern wird erstmals und unerwartet überschritten. Immerhin etwa 160 Anmeldungen fallen auf den Ultratrail mit seinen 70 km ab, das bleibt noch übersichtlich. Aber bei den kürzeren Strecken ist richtig was los. Das Team ist stolz wie Bolle. Dieses Interesse – also wirklich! Und dazu noch ein richtig gut geeignetes Wetter – was will Läufer noch mehr?
Bereits bei der Anreise beschleicht mich ein komisches Gefühl. Die Straße führt hoch, richtig steil hoch, und nimmt kein Ende. Nur Wald ringsumher. Erst nach gefühlt endloser Strecke das Ziel: der große Parkplatz vor dem Sportpark Rabenberg-Hotel. WoMos, Wohnwagen, Zelte, jede Menge PKWs und meiner jetzt auch. Raus aus dem Wagen und der Musik nach- da gibt’s Nudeln, die Startunterlagen und das Briefing. Und an der Bar was zum Trinken…
Alle Ultras lauschen gebannt – ein unerwartet fremder Dialekt (badisch) erklärt uns den Trail. Sehr, sehr lohnend, dabei zuzuhören und hinterher mit den Kollegen zu klönen, im Zelt oder draußen. Erst spät wird’s dunkel und kühl, ab in die Falle zu einer viel zu kurzen Nacht. Ab 5:30 kann das Frühstück gefasst werden, dann noch eben die Schuhe binden und um 7:00 dann der gnadenlose Start in einen Tag voller … naja, lest einfach weiter!
Eng aufgeschlossen tobt die Truppe auf breitem Waldweg los; weil es ansteigt, sortiert sich das Feld nur allmählich. Ein kurzes Asphaltstück noch, scharf links, Füße heben, und bergab auf MTB-Tracks. Die sind ordentlich wurzelig, steinig und holprig sowieso. Also obacht, Stürze tun weh! Aber es macht unglaublich Spaß. Heute ist es trocken, also kein Rutschen. Den Blick fest am Boden, flitzen wir zu Tal. Jawohl, bis ganz unten. Mein Gefühl bei der Anfahrt war schon richtig: Das geht auch nachher wieder hoch, aber zu Fuß…
Am Schwarzwasser, ein kleiner Fluss (oder großer Bach), der erste VP, nur Wasser. Dann im Wald lang, allmählich ansteigend, schön zu laufen, immer wieder einige Buckel steil hoch, gelegentlich mit Aussicht zwischen den Bäumen durch. Von oben sieht man kurz den Bahnhof von Johannsibirsk, dann nur noch frisches Grün. Ein erstklassiger Trail schraubt sich hoch, auf VP 2 zu. Felsen, Bäume, Brennesseln - alles da.
Es gibt auch Waldwege, schotterig, steil, rauf und runter, aber immer gut markiert. Flatterband , weiße Streupfeile, auch mal bunt – aber immer eindeutig. Das Team hat wirklich gute Arbeit geleistet. MTB-Tracks durchziehen hier wohl jeden Winkel. Manche davon sind schon für Fußgänger anspruchsvoll, wie machen die Biker das bloß? Dann kommt sie, die Grenze. Ein Traum. Eigentlich ein nasser Graben, beidseits mit Pfaden versehen. Samtweicher Untergrund, leicht federnd. Stetig bergan, eine kleine Brücke noch, dann wird’s krautig. Der Pfad ist schlecht zu erkennen, Tipp: Immer auf der deutschen Seite bleiben. Sumpf und Modder gibt’s weiter oben, da läuft uns Wasser entgegen. Noch weiter oben ist dann Schluss mit dem Trail. Erst Forstweg, dann Straße, frisch geteert. Diesmal über die Grenze, nach Böhmen rüber. Da bleiben wir erstmal.
VP 5, etwa 20 km. Ein Drittel geschafft, ein sehr, sehr schönes Drittel. Die Teerstraße ist erstmal ganz okay, man kann laufen und meditieren, stolpert nicht, hat Zeit für die Aussicht in die Gegend. Die Sonne scheint, blauer Himmel, und noch nicht so heiß. Nach VP6 geht’s ordentlich abwärts, man kann es rollen lassen. Für lange Zeit das letzte Mal. Hier liegen nun die dropbags, es empfiehlt sich, nochmal richtig aufzutanken. Es folgt ein langer Aufstieg auf breitem Weg, hinauf auf etwa 1000 m Höhe. Immerhin alles im Schatten, ringsum Wald, wenig Aussicht. Am Weg rechts unten fährt gerade eine Besuchergruppe in ein kleines Schaubergwerk ein. Ja, das Erzgebirge hat seinen Namen zu Recht, ich glaube, man hat hier schon jedes bekannte Metall gefördert.
VP7 liegt fast ganz oben. Gute Laune. Der absolut höchste Punkt der Strecke. 10 km bis hierher und auch wieder runter zu VP8 (=VP6!). Auf deutscher Seite bieten sich nun sehr schöne Ausblicke, ein kühler Bach begleitet den breiten Schotterweg, erst der Klingenbach, dann das Pohlwasser. Entspanntes Laufen, aber zum letzten Mal. Denn ab VP8 wird es hart. Das letzte Drittel sogar knallhart. Also: gut tanken!
200m Anstieg auf nur 2 km Waldweg mit einer kurzen, aber giftigen Traileinlage. Dann Schotter und Asphalt bis zum VP9. Es herrscht Aufbruchstimmung, nur noch wenige Läufer werden erwartet. Aber die gute Laune ist immer noch da und jede Menge Vorrat. Kraftspender fest und flüssig. Auf der Preißhausstraße parallel zur Grenze weiter, nach einem Teich rechts hoch auf einen netten Trail zu einem komischen Wegedreieck. Abkürzungswächter passen auf- damit keiner was verpasst. Danach beginnen die harten MTB- Tracks. Kaum zu glauben, was die sich trauen…Oben noch etwas flach, dann alles an gewonnener Höhe wieder runter. Breiter Weg, schnell scharf rechts auf die Grenzstraße. Dann nicht zu schnell weiter, denn im Gestrüpp beginnt der Aufwärtstrail. Nicht verpassen! Nur 300 m weiter wäre man dann auf dem Weg von heut früh und alles nochmal…?
Zermürbend steil führen die Serpentinen hoch. Es ist endlos, in der Summe aber nur etwa 150 hm ound inzwischen einstellig weit bis zum Ziel. Dieser Trail frisst die letzten Körnchen, aber oben ist VP10. Gründlich auftanken! Was nun folgt, braucht mehr Energie als alles zuvor: abwärts (so heißt es), etwa 5 km bis VP11. Stimmt auch, netto. Nur sind die Wege ziemlich beschwerlich: Hindernisse wie Holzhaufen, Wurzeln, Steine, Bohlenwege, machen das Vorankommen spannend. Ich für meinen Teil mache langsam, bloß nicht stürzen.
Am VP11 gibt’s noch mal was zu trinken, keine 5 km mehr. Etwas Straße, dann breiter Schotter. Und wieder hoch. Hier heißt‘s durchhalten – diese Steigung ist noch harmlos. Ein Posten weist mich ein, nach links, und – alles wieder runter. Das kostet Körnchen und Nerven. Das Ziel ist noch verdammt weit oben, weit weit weg…
Und die Steigung schlägt alles! Um die Kurve und nochmal rauf, noch steiler! Und oben, ein MTB-Track (war ja klar), voller Schmankerln, Kurven, Steine, und- steil. Hat man erst McAbenteuer mit dem Klettergarten erreicht, kann man das Ziel hören. Links-rechts, am Sportplatz berghoch ins Ziel. 5 km durch die Hölle. Auf sächsisch eben.
Fazit
Ein knallharter Traillauf mit hervorragender Orga in einer super Umgebung. Alles, was man braucht. Flüssiges, Festes, Festives. Eine Nacht oder besser zwei. Der lange Trail bietet alles, der Halftrail die Höhepunkte pur. Zum Ausklang sollte man sich am Sonntag wirklich mal für diese schöne Gegend etwas Zeit nehmen, es gibt herrliche Ecken…
02.07.16 | Saxndi, ein harter Brocken |
Anton Lautner |