Bei den 4 Trails kehre ich sportlich gewissermaßen zu meinen Anfängen zurück. Schon lange bevor ich mit dem Laufsport begann, überquerte ich unter anderem mehrfach zu Fuß die Alpen von Nord nach Süd und wanderte von Wien nach Nizza.
Laut Ausschreibung sollen wir in vier Tagen von Garmisch-Partenkirchen über Ehrwald, Imst und Landeck bis Samnaun 160 km mit 10000 Höhenmetern bewältigen. Relativ wenige Kilometer pro Tag dürfen aber nicht zum Trugschluss verleiten, dies sei ein Trail-Lauf für Anfänger. Ausdrücklich wird in der Ausschreibung Berg- und Trailerfahrung gefordert, was ich nur bestätigen kann. Selbst bei trockenem Wetter ist die Route deutlich anspruchsvoller als z.B. beim Swiss Alpine, Allgäu Panorama Ultramarathon oder Karwendelmarsch. Bei schlechtem Wetter wie 2014 erfordert er Trittsicherheit zumindest wie Zugspitz Ultra Trail.
Lange vorher kündigt der Wetterbericht schon kaltes und nasses Wetter an. Zwei Tage vor dem Start entwickelt sich die Prognose sogar noch weiter ins Negative mit Schneefall bis auf 2000 m. Plötzlich wächst meine Vorfreude wieder. Wenn schon kein Schönwetterlauf, dann wenigstens eine richtig deftige Sauerei! Manche Leute behaupten ja, ich sei verrückt (da widerspreche ich nicht), aber die Aussicht auf einen harten Lauf auf rutschigem Schlamm und vielleicht sogar ab und zu auf Schnee gefällt mir. Mein ursprünglicher Plan, bei den 4 Trails vier Tage lang ganz ohne Stress 100 % nur der puren Freude am Laufen zu huldigen, wird durch die spannende Herausforderung ersetzt, dem angekündigten Mistwetter zu trotzen. Trailabenteuer statt Genusslauf - es kommt wie es kommt!
Mit der Startnummer bekommt jeder Teilnehmer eine sehr große Reisetasche, in der er sein Gepäck für die nächsten Tage verstauen kann. Diese Taschen werden vom Veranstalter kostenlos meist direkt von Hotel zu Hotel transportiert, um die Übernachtungen an den Etappenzielen muss sich aber jeder selbst kümmern. Außerdem bekommt jeder, ähnlich wie bei einem Cluburlaub, ein Armband, das ihn während der nächsten Tage als Teilnehmer ausweist, sowie ein Kärtchen, auf dem jeden Tag das Abendessen angekreuzt wird, damit sich keine Begleiter durchschnorren können. Für Begleiter gibt es natürlich kostenpflichtige Angebote.
Der Abend beginnt stimmungsvoll. Vor dem Briefing marschieren Kinder mit den Flaggen der teilnehmenden Nationen in die Halle und versammeln sich auf der Bühne. Dann folgt das Briefing, bei dem uns Streckenchef Wolfgang (Wolfi) Pohl alles Wichtige erzählt, was auch ins Englische übersetzt wird.
Vor dem Frühstück reicht ein kurzer Blick aus dem Fenster zur Gewissheit, dass ich heute ideal meine speziell für die UTMB-Pflichtausrüstung gekaufte Regenhose und Regenjacke ausprobieren kann.
435 Athleten aus 29 Nationen sind am Start. 36 wollen nur die erste Etappe laufen, die man als „Schnupperetappe“ auch einzeln buchen konnte.
Der heilklimatische Kurort Garmisch-Partenkirchen liegt vor dem Wettersteingebirge, dessen höchster Gipfel die Zugspitze ist. Schon zu römischer Zeit gab es in dieser strategisch und wirtschaftlich wichtigen Lage eine Reisestation. 1936 fanden hier die Olympischen Winterspiele statt, die umstrittenen Bewerbungen für 2018 scheiterte, eine weitere für 2022 wurde durch einen Bürgerentscheid abgelehnt. Wer nach Garmisch kommt, der sollte auf jeden Fall auch die Partnachklamm besichtigen, eine Fahrt mit Zug oder Seilbahn auf die Zugspitze lohnt sich bei gutem Wetter natürlich auch.
Gegen 9:15 Uhr sollte eigentlich ein Gruppenfoto mit den Läufern des Team Orthomol Sport geschossen werden, dem ich in diesem Wettbewerb angehöre. Die Beschreibung des Treffpunkts war ziemlich wage, sodass ich zu dem Team erst stoße, als das Foto gemacht ist.
Um 9.50 Uhr starten wir bei kühlem Regen. Unter meist tiefen Wolken können wir ein paar der Berge in der Umgebung erkennen, die höchsten Gipfel bleiben heute unsichtbar. Bald folgt der erste Aufstieg, mal auf breitem Waldweg, mal auf Trails. Ach, bin ich froh, wieder in den Alpen laufen zu dürfen! Nach fast 500 Hm Aufstieg geht es eine Weile bergab zur erste Verpflegungsstelle bei der Laubhütte.
Den folgenden Trail hinauf zur Talstation Längenfelder kenne ich vom Zugspitz Ultratrail. Vor zwei Jahren stapfte ich dort irgendwann zwischen 3 und 4 Uhr nachts hinauf, war zu dem Zeitpunkt hundemüde und erschöpft und wurde von vielen anderen Teilnehmern überholt. Heute macht mir dieser Trail so richtig Spaß. Es stört mich nicht, dass jetzt an manchen Stellen Wasser auf dem Weg fließt. Die Füße sind ohnehin schon lange nass.
Ab der Talstation Längenfelder laufen wir direkt den manchmal etwas steilen Trail 844 Höhenmeter hinab nach Hammersbach. Heute ist der Weg durch den tagelangen Regen sehr rutschig. Eigentlich ist die erste Tagesetappe gerade für Einsteiger ideal, doch jetzt fühlen sich manche wegen dem nassen Untergrund beim Abstieg schon leicht überfordert. Wenn die wüssten, was an den folgenden Tagen noch auf sie zukommt!
Nach diesem Abstieg, der mir wieder ausgesprochen viel Freude bereitete, folgen für eine Weile viele wenig spektakuläre Kilometer. Bei der Abzweigung Eibseealm erreichen wir die zweite VP.
Beim nächsten, teilweise etwas steilen Aufstieg sehen wir kurz den Eibsee unter uns. Der Eibsee entstand nach dem Rückzug der Gletscher. Seine heutige Form bekam er, als ein gewaltiger Bergsturz die Landschaft veränderte.
Der Gipfel der über uns aufragenden Zugspitze wird von Wolken verhüllt, doch ein großer Teil der Felswände liegt frei vor uns. Etwa 500 Höhenmeter oberhalb der VP passieren wir die Grenze zwischen Deutschland und Österreich.
Danach folgen einige Kilometer auf einem märchenhaft schönen Trail, der ebenfalls auch beim Ultratrail gelaufen wird. Nach einem längeren Abstieg müssen wir anstrengend entlang einer Skipiste aufsteigen. Richtig steil ist dann die Skipiste hinab zur letzten Verpflegungsstelle.
Wer nun glaubt, dass anschließend nur noch bequemer Abstieg zum Ziel folgt, wird enttäuscht. Auf dem Weg nach Ehrwald bremsen uns einige kurze Aufstiege.
Ehrwald liegt unterhalb der 2962 m hohen Zugspitze. Auch von hier führt eine Seilbahn direkt zum Gipfel. 500 m vor dem Ziel will ich einer Straße geradeaus bergab folgen und achte nicht auf die eigentlich unübersehbare Markierung nach rechts. Also gut, dann halt noch einmal bergauf! Schließlich ist es geschafft und ich komme trotz moderatem Tempo über eine Stunde vor Zielschluss an.
Kurz bevor ich das Ziel erreiche, bekomme ich per SMS die Nachricht, dass der Start für die zweite Etappe auf 8 Uhr verschoben wird. Das überrascht mich nicht, denn wegen der gesunkenen Schneefallgrenze rechnete ich schon damit, dass es morgen nicht über die Grünsteinscharte geht.
Abends werden bei der Siegerehrung jeweils die schnellsten drei aller Altersklassen auf die Bühne gerufen, außerdem bekommen die Führenden jeder Kategorie ihre Leader-Trikots. Philipp Reiter, der 4Trails-Sieger von 2012, musste kurzfristig verletzt absagen, steht aber täglich an der Strecke, um seine Freunde und Kameraden anzufeuern. Sehr sympathisch!
Dann folgt das Briefing für die nächste Etappe und als Höhepunkt des Abends können wir jeweils Fotos und Filme des Tages auf der Leinwand betrachten. Super, was die Profifotografen und Kameraleute täglich an der Strecke aufnehmen und bis 19 Uhr schnell zusammenstellen. Bei manchen Szenen gibt es Applaus vom Publikum, und bestimmt habe nicht nur ich dabei Gänsehaut.
Später packe ich im Hotel meine Sachen für die zweite Etappe. Ein Tipp für Läufer, die noch nie mehrere Tage gelaufen sind: Wenn man für die ersten Tage nicht seine Lieblingsklamotten vorsieht, sondern das älteste Zeug anzieht, dann braucht man nicht so viele verschwitze Sachen in die Tasche packen und tagelang durch die Gegend schleppen, sondern sie an Ort und Stelle entsorgen.