Vergangenes Jahr war ich richtig euphorisch was diesen Lauf angeht. Obwohl damals die Strecke witterungsbedingt gekürzt und das Zeitlimit von 26 auf 20 Stunden heruntergesetzt wurde, war ich nach circa 14 Stunden zufrieden im Ziel. Wunderbare Landschaft, das Wetter passte, die Stimmung familiär und kein großer Rummel.
2013 war für mich klar, dass ich den Lauf in jedem Fall nochmal mache. Das Wetter sollte für dieses Jahr mitspielen und die volle Distanz über 82 km und 6100 Höhenmeter könne gelaufen werden, so tags zuvor die Meldung vom Veranstalter. Die Behörden schreiben aufgrund des Naturschutzes dem Veranstalter ein Teilnehmerlimit von max. 300 Startenden vor, somit tat gut daran, wer sich zeitig anmeldete.
Erst sehr viel später (um nicht zu sagen, vor ein paar Tagen), beim Basteln einer faltbaren Streckenkarte, wurde ich mit den diesjährigen Cut-Off-Zeiten konfrontiert und musste feststellen, dass man die verkürzten Zeit von max. 20 Stunden aus 2012 beibehielt, aber die Strecke in ihrer ganzen Länge mit 82 km gelaufen wird. Uiuiui.
Start (Furt): 08:30 Uhr
Batöni, 18.1 Km, 1536 m D+: Cutoff 13:00 Uhr
Spitzmeilenhütte: 42.8 Km, 3500 m D+: 18:30 Uhr
Schwendi: 68.5 Km, 4720 m D+: 00:00 Uhr
Ziel (Furt): 82 Km, 6100 m D+: 04:30 Uhr
Und mit diesen Fakten nimmt diese Geschichte diesmal ihren Lauf.
Ich reise diesmal schon am Freitag an und übernachte in Furt im Hotel Alpina. Hier gibt's ein günstiges Angebot für Sardona-Starter. Ein Matratzenlager reicht mir, heute ist noch nix los und ich teile mir eine 18 Mann-Bude mit Cyrill, er startet morgen auf seine erste richtige Ultratrail-Distanz und er ist schon reichlich aufgeregt, sympatischer Kerl. Abends sitze ich noch mit Gerhard und Margot sowie weiteren Läufern beim Abendessen und einem alkoholfreien Gerstensaft.
Morgens um 06:30 läutet der Wecker und nach einem ausgiebigen Frühstück trotte ich zur Startnummernausgabe. Hier wird jeder einzeln gebrieft und über das Notwendigste informiert. Auf das Notwendigste ist diesmal auch das Starterpaket reduziert. Startnummer (inkl. Sicherheitsnadeln!) mit Chip und eine ausgedruckte Karte mit Höhenprofil. Weniger geht für 160 CHF Startgeld nicht. Gut, ich bin ja auch beim Trail und nicht auf einer Butterfahrt. Aber so gar keinen Gimmick ist schon fad - wenigstens ein Buff oder so.
Danach reihe ich mich zur Kontrolle der Pflichtausrüstung ein und ich gelte ja wieder als Musterschüler, weil ich alles doppelt und dreifach dabei habe. Entsprechend schwer ist auch der Rucksack. Egal, das ist der Preis des Selbstversorgungsprinzips.
Dann gibt's noch ein Meet'n Greet mit Guido und Niels. Es macht immer wieder Spaß, die beiden zu sehen. Sie laufen mittlerweile in einer anderen Liga, selber schuld. Das kommt davon, wenn man dauernd trainiert.
Ein Startschuss um 08:30 unterbricht unsere Konversation jäh und dann laufen ca. 100 Starter irgendwie los. Vorneweg kann ich Dippi (Mathias Dippacher) ausmachen, er hält die deutsche Trailfahne auch bei diesem Lauf für uns hoch. Gut, dann kann ich es langsamer angehen lassen. Allerdings lasse ich mich zunächst ziemlich mitreißen, die anderen geben ein Mordstempo vor.
Gerhard und ich laufen zusammen - geballte Lauferfahrung tausender Wettkampfkilometer können nicht irren. Wir stellen sehr bald fest, dass wir zu schnell unterwegs sind. Das Tempo, das die anderen vorgeben, können wir auf Dauer nicht halten und sie vermutlich selbst auch nicht. Lieber jetzt langsam angehen und dafür stetig, als später einzubrechen.
Ich bin ja nun nicht vollkommen blauäugig in diesen Lauf gegangen, auch wenn das eingangs den Eindruck erweckte. Die Rechnung sieht aber ganz nüchtern betrachtet so aus, dass ich 4,1 km/h durchschnittlich laufen müsste, um innerhalb der Cutoff-Zeit anzukommen. Das kann man wandern, hätte man keine Berge dazwischen. Aber bei einer Vertikaldistanz von +/- 6100 m, Steigungen von über 50% und sehr schwierig zu laufenden Wegen funktioniert diese Rechnung nicht. In Verbier bin ich eine ähnliche Durchschnittsgeschwindigkeit bei mehr Höhenmeter und mehr Kilometer (und somit weniger Durchschnittssteigung) gelaufen. Das sollte aber dennoch zu machen sein.
wir ziehen konstant hoch in Richtung Gaffia, zur ersten Verpflegungsstation. Die Aussicht ins Rheintal von hier ist unglaublich und das Wetter scheint zu halten, zumindest tagsüber ist gutes Wetter angesagt. Nachts soll es dann mehr oder weniger stark regnen. Zeitweise lässt sich die Sonne blicken und es wird kurzzeitig richtig warm. Wir tragen uns schon mit dem Gedanken, die Kleidungsschichten zu reduzieren. Aber im nächsten Augenblick ist die Sonne weg und es scheint, als wolle mich der Wind auf dem Bergrücken schockfrosten. Wir hören jetzt einen Startschuss und im Tal machen sich die Marathonis auf den gleichen Weg.