Und alle, alle kamen- sich zu quälen und zu schinden, sich auf ewig zu binden, zu Alex, dem Schindermeister aus dem Taunus. Da hat er doch tatsächlich im letzten Sommer einfach seine Lieblingsstrecke den Trailer-Kollegen bekannt gemacht (unverzeihlicher Leichtsinn!). Ein sehr, sehr langer Ultranachtlauf, eine Sommeredition – der halbe Taunus gerät vor Begeisterung in Aufruhr! Genauer: das Blaue Ländchen südlich der Lahn, bei Nassau. In Holzhausen. Ein ruhiges Gebiet, weit weg von Autobahnen, man muss etwas Reserve bei der Anfahrt einplanen, die vielen Kurven und so.
Und jetzt folgt die Winteredition.
Endlich angekommen, geht es auch schon los. Startnummern, lecker Abendessen, Schwatz & Klön. Im Winter könnte ja auch mal das Wetter zum Thema werden: wir haben aber Glück- sanfte Wärmewellen tauen das Eis ab und der Regen bleibt weg. Aber Schnee bleibt noch genug übrig…
Ab halb sieben geht es rund. Die Kollegen treffen ein, rödeln auf, Frühstück. Alles passt. Noch ein bisschen briefing und zum Schluss, ganz, ganz oben auf dem Grauen Kopf, gibt es einen stillen checkpoint: ein Briefkasten mit einem Exemplar „Schmerzmacher“ drin. Davon soll jeder eine Leseprobe mit ins Ziel bringen… So fällt Alex bis zum Start immer wieder was Neues ein!
Pünktlich traben wir aus der warmen Turnhalle ab, gleich links, und im Uhrzeigersinn auf die Strecke. Zunächst noch im zivilisierten römischen Gebiet: wir sind westlich des Limes (etwa entlang der Holzhausener Hauptstraße). Gute Forstwege, etwas Schotter, immer schön breit. Wir müssen uns ja noch nach Tempo sortieren. Und in Miehlen, da stehen sie, die Kinder, die uns ein Gedicht geschrieben haben. Solche Fans muss man einfach liebhaben. Ganz toll!
Im weiten Talgrund traben wir nach Marienfels, auch hier römische Reste. Der Kleinbahn-Damm ist kaum als solcher zu erkennen, der Limes auch nicht. Eigentlich, denn der Spitzgraben ist noch da. Kaum auf germanischem Gebiet, fängt der schmale, wilde Trail an. Seltsamer Zufall? Der Mühlbach hat ordentlich Wasser. Mal sind wir direkt daneben, mal ganz hoch in den Klippen. Gut, dass das hier nicht vereist ist. So ein paar Stellen wären dann wohl sehr knifflig geworden. Aber es läuft sich einfach wunderbar, fast von selbst.
Bis zur Burg Nassau sind wir auf uns selbst angewiesen – als Naschkatze muss man alles dabeihaben! Und das gilt auch für die Strecke – sie ist in Gegenrichtung markiert (für den Sommer), sodass man an so mancher Kreuzung ganz schnell was verpassen kann. Trotz GPS– der Empfang ist nicht immer perfekt…
Aber irgendwie schaffen es alle. Die Burg sieht man ja von weitem. Aber da hoch? Puuh, die Rampe hat es schwer in sich. Dafür steht oben Axels VP mit allem, was es nur gibt. Das Beste: Serranoschinken, frisch aufgeschnitten, und Schokosmarties, exklusiv mit dem Veranstaltungs-Logo. Und auch was Warmes ist im Angebot: Brühe und Jagertee, aah- sowas tut not.
Nächstes Ziel: Kloster Arnstein. Nur wenige km laufen wir auf dem Radweg, sonst nur auf Trails. Heißt ja auch Schindertrail. Genau deswegen. Hier an der Lahn scheinen die Berge besonders hoch, steil und fies zu sein. Und kalt, (schnee)-matschig und oben am Vodafonemast auch ganz hübsch windig. Wen juckt’s, wir sind Trailer.
Ein wenig Radweg noch, links unten die Lahn mit der großen Schleuse. Dann kommt der checkpoint am Kloster mit Glühwein- für die Motivation. Denn es gibt eine kleine Schleife, ungefähr 2 km mit 150 hm. Da sollte man schon gute Laune für haben. Hat man fertig geschleift, sollte jeder noch mal kräftig zulangen. Nächster Halt ist in gut 20 km.
Aber erstmal runter, dann die andere Talseite wieder rauf. Der berühmte Berg der Tränen, Alex Lieblingsberg, wird erklommen. Schmale Trails winden sich hoch, um oben supersteil wieder ins Dörnbachtal zu leiten. Was dann noch kommt, ist flach, gefühlt jedenfalls. In Wahrheit steigt es ganz hübsch an, das Höhenprofil ist zur Ermutigung auf der Startnummer einzusehen. Aber weil das hier so schön ist, merkt man es einfach nicht.
Wieder ein schmaler Trail entlang eines wilden Tales. Ab und zu mal eine alte Mühle, so etwa 19 werden es heute schon sein, auch mal rüber aufs andere Ufer. Und auch mal mitten durch durchs Wasser. Hier gibt es alles, was einen Weg zum Trail macht. Und wer sich umdreht, kann an den Sommerschildern kontrollieren, ob‘s noch stimmt. Denn es sieht doch stark anders aus. Das mannshohe Unkraut ist platt, die Zecken sind weg und so mancher Holzfäller hat sich ordentlich ausgetobt.
Ja, auch Straßen müssen gequert werden – bei Willi Arzt seiner Mühle, in Niedertiefenbach und am Freibad, da kommt Asphalt unter die Treter. Sonst sind es wieder allmählich breitere Forstwege. Alles ist gut. Noch viel besser ist der VP bei ca.52km. Wieder sämtliche Köstlichkeiten, Warmes und Kaltes (ja wirklich - Eis am Stiel!), Süßes und Salziges. Warum sollte ich hier nochmal weg? Ach ja, der Schmerzmacher! Da war ja noch was.
Nach dem Freibad (beheizt, aber der Bademeister hat frei) beginnt der grausame Aufstieg zum Grauen Kopf. Stetig nur hoch. Langsam sinkt die Dämmerung herab, aber der Schnee beleuchtet noch alles gut. Die schwarzen Mauern des Römerkastells sind direkt am Weg. Ein Riesentrumm, und nicht weit davon die römische Badeanstalt. Wir sind wieder in der Zivilisation! Erst klingt es wie Meeresrauschen, Nordsee bei Flut und Starkwind, aber es sind die Quirle vom Windpark hier oben. Was für ein Getöse, pausenlos. Der Gipfel wird umrundet und am Kastell begegnen wir uns auf einem kurzen Stück. So, oben am Gipfel noch die Leseprobe einsammeln und mit Stirnlampe flott runter.
Es sind gute Forstwege, bis kurz vor dem Ort ein kurzes Trailstück gefunden werden will. Eine (sehr kurze) Schleife noch nach Holzhausen hinein und gleich wieder runter ins Tal, noch ein Waldstück durchqueren. Es sind ordentlich Höhenmeter, die es zum Ziel wieder rauf geht. Aber toll – bunte Lichterketten mitten im Feld geben Hoffnung, auch Alex‘ Sprüche auf der Straße. Kurz vor der Turnhalle riecht es guut: Pommes und Spanferkel warten auf uns!
Ein breiter, roter Teppich quer durch die Halle bis zu dem Treppchen, zur Bierklingel, zu Alex! Es ist getan. Die Leseprobe wieder abgeben (die Bücherei will den Band wohl komplett zurückhaben), das Zielbier genießen, mit der schweren Medaille fürs Siegerfoto posieren, tja, dann kann man sich putzen, feiern. Ach, alles ist jetzt möglich!
Fazit
Es bleibt nur noch, einen Bauplatz zu besorgen, denn hier will man gar nicht mehr weg, hier ist man auf ewig gebunden, bei diesem tollen Traillauf. Alex hat alle motiviert und mal wieder literweise sein Herzblut eingesetzt. Hier gibt es einen Traillauf der Extraklasse. Man muss lange suchen, um Ähnliches zu finden… Übrigens, wer noch weiter hinaus will, kann die ITRA- Punkte bestimmt auch gut gebrauchen!
25.01.20 | Der Schinder hat Geburtstag … |
Frank Albrecht |