Der Naturpark Schönbuch liegt im Dreieck Herrenberg-Aichtal-Tübingen. 156 km² Wald sind eingebettet in reicher Kulturlandschaft mit Streuobstwiesen und Felderwirtschaft. Gegründet 1974, dient Baden-Württembergs ältester Naturpark durch die Nähe zu Stuttgart vielen Erholungssuchenden als Wander- und Bikerevier. Ein 560 km langes Netz bestens markierter Wanderwege, dazu 270 km zum Teil asphaltierte, gut ausgeschilderte Radwege sind ideale Voraussetzungen einer friedlichen Koexistenz zwischen Fußgängern und Radlern. 40 Grill- und 20 Spielplätze, einige davon mit Schutzhütten, locken vor allem Familien mit Kindern in den Wald.
2015 stellte sich das Event-Team des Stahl Sport Shop aus Maichingen unter der Federführung von Karen Stahl der Herausforderung, im Schönbuch für interessierte Sportler ein zweitägiges Spektakel mit Radfahren und Laufen anzubieten. Es war gewagt, weil der Schönbuchwald auf 4 verschiedenen Gemarkungen liegt und jede Gemeinde gerne ein Mitspracherecht im Genehmigungsverfahren hat.
Nicht zuletzt deshalb ist die Strecke dieses Jahr neu überarbeitet worden. Angeboten werden am Samstag ein MTB (Mountain-Bike) Race mit 450 Hm auf 24 km und eines über die doppelte Distanz - eher etwas für Profis. Am Sonntag gibt es dann Trailläufe über 15,6 km, 26,6 km, 42,2 km und diesen auch als 2er Staffel. Neben der Kombiwertung Radfahren und Laufen als Schönbuch-Trophy kann man sich auch nur für die einzelnen Wettbewerbe anmelden.
Ich war bereits 2015 bei der Erstaustragung. Mein Eindruck damals: “Wer gerne im Wald unterwegs ist, kommt mit dieser Mischung aus Trail und Wanderautobahn voll auf seine Kosten.“ Axel Stahl, Veranstalter des Laufs, hat jedoch angekündigt, dass der Trailanteil in diesem Jahr deutlich höher sein wird und konsequenter Weise auch das Zeitlimit auf 7 Stunden verlängert. Wir sind gespannt!
Start des Marathon T 42,2 und des T 26,6 ist um 10 Uhr auf dem Marktplatz in Herrenberg. Die Ausgabe der Startunterlagen erfolgt in der nahen Stadthalle. Es gibt eine gut gefüllte Startertasche mit allerlei Nützlichem, ein Funktionsshirt in grün und den Gutschein für die Pastaparty, die allerdings gestern, am Samstag stattfand.
Der Weg zum Marktplatz durch die Fußgängerzone mit schönen alten Fachwerkhäusern ist kurz. Auch der Marktplatz ist der Hit: da 1635 bei einem verheerenden Brand die meisten Häuser dem Erdboden gleich gemacht wurden, konnten sie größer und schöner wieder aufgebaut werden. Seit 1983 steht die Herrenberger Altstadt unter Denkmalschutz.
Heute wird der historische Platz allerdings von einem großen roten Marathontor dominiert. Davor befindet sich der Startkorridor, die Strecke ist mit Flatterband abgesperrt. Läufer, Begleiter und Zuschauer haben sich auf dem weiten Platz verteilt, viele unserer Bekannten sind hier. Laura wird die 26,6 km laufen, 540 Höhenmeter sind ihr genug. Die Marathonstrecke T 42,2 setzt sich aus dem T 26,6 und dem T 15,6 zusammen. Die Strecken werden dabei nacheinander gelaufen. Das heißt, wir werden zwischendurch auf dem Marktplatz vorbeischauen. Ich freue mich schon darauf.
Der Moderator ergreift das Wort und verrät, dass der Bürgermeister von Herrenberg letztes Jahr angekündigt hatte, auch mitlaufen zu wollen. Etwas verlegen verspricht dieser, nun doch mal zu trainieren, denn vielleicht klappt es ja dann nächstes Jahr. Axel Stahl gibt noch letzte Hinweise zur Strecke, den Markierungen, zwei Kreuzungspunkten und den Verpflegungsstellen. So informiert kann es nun endlich losgehen.
Die Stimmung ist prächtig. Mit flotten Sprüchen heizt der Moderator den Wartenden zusätzlich ein. Als dann auch noch AC/DC in voller Lautstärke über den Marktplatz schallt, ist es endlich soweit: ein Countdown, dann geht es los. Von Publikum flankiert geht es durch die Altstadt, tendenziell bergauf. Wir haben uns hinten einsortiert. Norbert fällt ein, dass gleich eine Engstelle kommen müsste und forciert das Tempo. Zu spät: er ist nur zwei Meter vor mir als wir vor dem steinernen Tor abbremsen müssen. Endlich sind wir durch und dürfen die lange, lange Treppe in Angriff nehmen, die nach oben führt. Höchstens zu zweit nebeneinander kann man hier hinaufsteigen.
Immer wieder sitzen Zuschauer auf den angrenzenden Mäuerchen und feuern uns an. Auch untereinander ist die Stimmung ausgelassen, flotte Aufmunterungen machen die Runde. Irgendwann werden meine Beine schwer. Oben ist es mir fast unmöglich anzulaufen. Erst langsam geht es wieder besser. Wir überqueren einen kleinen Rasenplatz mit toller Aussicht, dann führt ein steiler Weg bergab.
Wellig geht es auf dem ersten Singletrail durch ein kleines Wäldchen. Nach einem kurzen Stück erst leicht bergauf, dann richtig steil auf Asphalt, biegen wir gleich in den nächsten Trail. Der Weg wird schmal und wellig. Links in Sichtweite liegt ein bereits jetzt gut besuchter Spielplatz. Unter uns, im Wald unbemerkt, verläuft der 626 m lange Schönbuchtunnel, wo der Verkehr auf der A81 sicher dahin rauscht. Bald ist die erste Verpflegung bei km 3,5 erreicht. Hier wird flink gearbeitet, um alle Vorbeikommenden zu versorgen. Es ist jetzt schon gut warm, soll aber noch wärmer werden. Die nächste VP kommt erst bei km 13, also ist viel trinken angesagt.
Wir überqueren die L1184, die Hildrizhauser Straße. Sie ist heute für den Autoverkehr gesperrt. Neben den Helfern haben sich hier einige Zuschauer eingefunden. Es wird geklatscht und angefeuert. Mit Flatterband markiert führt der Weg um den Parkplatz des Waldfriedhofs herum, bevor wir wieder vom Wald geschluckt werden. Der enge Weg ist optimal zu laufen. Dann geht es steil bergab, ein bisschen matschig, um eine Kurve herum und steil bergauf. Km 5 sagt uns ein Schild. Dann öffnet sich der Wald und es geht zwischen blühenden Obstbäumen weiter. Unter uns liegen kleine Orte in der Sonne. Ein Helfer leitet uns auf dem Sträßchen nach links, wunderbar bergab, bis zum nächsten Streckenposten der uns auf einen Feldweg weist. Weiter geht es über bunte Wiesen und an Obstbäumen entlang.
In der prallen Sonne ist es ganz schön warm. Ich bin froh, dass ich vor mir bereits wieder den Wald sehe. Aber leider führt der Weg steil bergauf. Oben erreichen wir die Streckentrennung von T 15,6 und T 26,6. Wir laufen rechts den Berg wieder hinunter. Eine Helferin passt auf, dass keiner den Abzweig auf einen abwechslungsreichen, welligen Singletrail verpasst. Auf einmal wird der Weg ziemlich nass und wir müssen unsere Füße vorsichtig setzen. Ein Fußbad im Schlamm ist nicht so angenehm.
Wir folgen nun einem geschotterten Weg tendenziell bergauf. Km 10. Ich bin in Gedanken versunken, als plötzlich Läufer von hinten angerannt kommen. Bevor ich mich zu sehr wundere, sehe ich an ihren Startnummern, dass sie zum T 15,6 gehören. Klar, dass sie schneller sind. Ich lasse mich etwas von ihnen ziehen. Es geht am Dammwildgehege, eines von 7 Schaugehegen im Naturpark, entlang. Allerdings ist keiner der gefleckten Hirsche zu sehen. Schon von weitem jedoch kann ich die nächsten Streckenposten ausmachen. Es geht nun an der L1184 entlang und nach ca. 100 m in den Wald steil bergab. Ein Schild kündigt in 200 m die nächste VP bei km 13 an.
Hinter den Getränketischen machen Schilder auf eine erneute Streckentrennung aufmerksam. Laura ist gerade mit Nachtanken fertig, als ich ankomme. Auch Kati und Judith sind schon am Aufbrechen. Ich schütte einen Becher Wasser in mich hinein und folge den Mädels rechts hinunter und über eine Holzbrücke. Der folgende Trail ist wie ich ihn liebe: schmal und wellig. Zwischendrin geht es kurz auf einen Wanderweg, dann kommt schon der nächste Trail. Leider kann ich das gerade nicht so genießen, denn ich bin ziemlich platt. Vermutlich habe ich mich beim Treppensteigen am Anfang übernommen. Also Tempo raus, es ist ja noch weit.
Es geht über eine schattenlose Wiese, wo ein Streckenposten mir Mut zuspricht. Der folgende Schotterweg führt am lauschigen Krebsbach entlang. Es geht ziemlich lange bergauf. Ulli kommt von hinten angejoggt. Bei Ihm läuft es heute. Bei mir geht es nun auch wieder voran. Bei km 20 kommt die nächste VP. Ich entdecke eine Flasche mit „Schönbuch Radler“ und greife sofort zu. Da höre ich von hinten: „Mama, gib mir auch einen Schluck“. Ich hatte Laura gar nicht bemerkt.
Die VPs sind allesamt reichhaltig ausgestattet. Ich halte mich ja normalerweise an Wasser (das gibt es mit und ohne Kohlensäure), aber es gibt auch ISO, Cola, Gels, Müsliriegel und Bananen. Hefezopf und Radler könnte es sein, dass sie nicht für uns gedacht sind und die Helfer ihre Ration mit uns teilen.
Ein Läufer kommt aus der entgegengesetzten Richtung angespurtet, hält kurz inne und rennt gleich weiter. War das der führende Marathoni? Auf dem nächsten Trail kommen in langem Abstand immer wieder Schnelle von hinten. Ich bin froh, als wir wieder auf einem breiteren Weg sind. Das ständige Anhalten und Vorbeilassen ist nichts für meine Beine. Da kommt mir die erste Läuferin entgegen. Ich feuere sie an.
Es geht erneut schön bergab und bergauf. Streckenposten zeigen uns von weitem die Richtungsänderung. „Die kleine Steigung schafft Ihr locker!“ Ich biege nach links und falle sofort ins Gehen. Die „kleine Steigung“ ist ein steiler Berg. Toll, wie die Schnellen hier raufrennen. Oben wird es flacher und ich kann Musik hören. Bei der nächsten VP handelt es sich um VP1, allerdings jetzt bei km 23,5. Gibt es hier auch Radler? „Für Dich doch immer,“ höre ich eine Stimme von hinten. Axel Stahl ist auf Patrouille mit seinem Quad. Er meint, dass Norbert auch gerade vorbeigekommen ist. Allerdings bereits auf der 2. Runde. Ich rechne und komme auf einen Vorsprung von 7 km. Das ist fantastisch.
Ich gönne mir jetzt aber erst mal das Radler und ein Stück Hefezopf. Dann trolle ich mich Richtung Ziel. Immer mehr Marathonis kommen mir entgegen, das macht die Strecke kurzweilig. Jeder winkt und wir feuern uns gegenseitig an. Für mich geht es tendenziell bergab und es läuft ganz gut. Bald habe ich die Treppen zum Marktplatz erreicht, die wir vorhin hoch mussten. Erstaunlicherweise macht mir das Absteigen keine Probleme. Unten werde ich in einer Schleife durchs Ziel geleitet. Dort gibt es eine VP und viel Applaus.
Mit einem weiteren Becher Radler und einem Stück Hefezopf mache ich mich an den erneuten Aufstieg. Oben auf dem ersten Trailstück kommt Marion mit den Besenläufern im Schlepptau entgegen. Sie ist gemütlich aber gut gelaunt unterwegs und wird es innerhalb des Zeitlimits ins Ziel schaffen.
Immer noch habe ich viel Gegenverkehr. Es sind alles Läufer kurz vor dem Zieleinlauf und entsprechend gut drauf. An der bekannten VP1 jetzt bei km 29,5 treffe ich unerwartet auf Norbert. Das ist jetzt ein Vorsprung von 9 Kilometern! Wir tauschen uns kurz aus, verpflegen ausgiebig, dann geht es weiter. Die steilen Traileinlagen von vorhin sind nun besser zu laufen, weil außer mir kein Mensch unterwegs ist. Ich kann mein Tempo selbst bestimmen, das macht mir Spaß. In der prallen Sonne bei den Streuobstwiesen ist es jetzt unangenehm heiß. Auch im Wald steht mittlerweile die Luft.
Hinter der langen Steigung bei km 31 darf ich diesmal an der Kreuzung geradeaus weiter laufen. Bereits nach circa einem Kilometer erkenne ich die Strecke wieder. Hier war ich auf der ersten Runde schon einmal. Der Streckenposten an der Straße ist noch da. Gerade wird die Flatterband- Absperrung abgebaut. Es sind genügend Streckenposten anwesend, die die Läufer sichern. So viele kommen ja nicht mehr.
Eine Frau ruft mir zu, dass es rechts in den Wald geht, wo bereits die nächste VP bei km 34 ist. Auch hier ich schon ein-, nein zweimal. Das war mir vorhin gar nicht aufgefallen, weil ich aus der Gegenrichtung ankam. Es gibt insgesamt also nur 2 VPs - das ist genial. Ich ordere ein Radler, und halte Smalltalk mit den Helfern.
Den Rest der Strecke kenne ich nun. Die Jungs an der letzten VP stoßen mit mir an. „Willst Du noch eins?“ Nein, ich bin ja gleich im Ziel. Wir verabschieden uns herzlich. Jeder Streckenposten applaudiert mir und feuert mich an. Ich fliege förmlich dem Ziel entgegen. Die letzte Steigung ist noch einmal zäh, aber dann bin ich oben.
Auch die langen Treppen runter gehen noch ganz gut. Viele Spaziergänger sind unterwegs, machen aber schnell Platz, wenn sie mich hören. Rasant verliere ich an Höhe. Die folgende steile Kopfsteinpflasterstraße ist ebenfalls kein Problem. Hinter einer Kurve wartet Laura und im Ziel gibt es eine LaOla-Welle von den Helfern und Zuschauern. Ich bekomme eine einmalige Medaille aus Holz und ein Helfer befreit mich vom Zeitmesschip.
Fazit:
Axel Stahl hat nicht zu viel versprochen: Der Trailanteil liegt bei gefühlten 80% und die beiden Schleifen sind für mich perfekt. Auch, weil die 15,6 km Strecke deutlich einfacher zu laufen ist, was müden Beinen am Ende zugutekommt. Man kann guten Gewissens sagen, dass der Schönbuch Trail Run für jeden etwas zu bieten hat. Einsteiger sind mit dem T 15,6 gut bedient. Fortgeschrittene Trailer fühlen sich sicher beim T 26,6 wohl und wer diesen gut gemeistert hat, kann sich auch mit etwas Training die lange Strecke zutrauen. Zeit ist genug vorhanden.
Die Stimmung am Start ist eines großen Traillaufs würdig und die Logistik in Herrenberg sowie das schöne Ambiente am Marktplatz machen die Veranstaltung wirklich perfekt. Die Verpflegung ist für mich mehr als ausreichend. Ich sage nur: Hefezopf und Radler, wobei ich Salz und Gel immer selbst dabei habe. Man muss beachten, dass in der ersten Runde zwischen 1. und 2. VP fast 10 Kilometer liegen. Bei entsprechendem Wetter und Tempo ist ein eigener Getränkevorrat daher nicht verkehrt.
Alle Helfer sind top motiviert und intelligent über die Strecke verteilt. Kann man sich verlaufen? Eigentlich nein. Die Strecke ist perfekt markiert. An allen großen Gabelungen stehen Streckenposten, ansonsten sind rote Pfeile auf dem Boden und dann gleich anschließend ein Markierungsband im Sichtbereich an Büschen oder Bäumen am rechten Wegrand. Flatterband sperrt nicht zu laufende Wege ab, scharfe Abzweige werden zusätzlich mit einem roten Schild angekündigt.
Der Schönbuch Trail Run mit den Worten von „Der Tourist Friedrich Liechtenstein“: Super Strecke, super Leute, super Orga, super Atmo - Supergeil.