Erstmals im Laufkalender für Trailfreunde findet man heuer die Schönbuch Trophy. Mitten im Neckarraum, etwa 30 km südlich von Stuttgart, im Schönbuch, dem ersten Naturpark Baden-Württembergs, wird sie ausgetragen. Fast die gesamte Waldfläche ist als Schutzgebiet für Landschaft, Natur und Vögel ausgewiesen. 2014 wurde der Schönbuch zum Waldgebiet des Jahres gekürt. 20 Kilometer kann man hier durch naturnahe Wälder wandern und laufen ohne auf eine Straße zu stoßen. Wegen des anspruchsvollen Geländes somit auch ein idealer Trainingsplatz für den Laufsport, in dem auch Olympiasieger und Weltmeister regelmäßig trainieren.
Aber nicht nur Trail-Runner, sondern auch Mountainbiker kommen hier auf ihre Kosten. Das interessante Angebot des Veranstalters bietet die Möglichkeit, beide Sportarten zu verknüpfen. Neben den Trails über 42 und 12 Kilometer,gibt es bereits am Vortag der Laufbewerbe je ein Mountainbike-Rennen über 23 und 46 km. Sportler, die Interesse an beiden Veranstaltungen haben und sowohl den Trail-Run als auch das Mountainbike-Rennen mitmachen möchten, können an einer Kombiwertung teilnehmen.
Technische Hilfsmittel stehen für Greppi, Charly, Jan und mich an diesem Wochenende nicht auf dem Sportprogramm, wir nehmen ausschließlich den längsten Trail unter die Hufe, der die Marathondistanz und als Zugabe noch fast 1.000 Höhenmeter aufweisen kann. Da der Start für alle Trails erst um 11:30 Uhr angesetzt ist, brauchen wir nicht einmal sonderlich früh dafür aufstehen, obwohl wir ja doch über 200 km Anreise haben. Die Arbeiten an der A8 in Bayern gehen gut voran und so sind wir wieder frühzeitig vor Ort, wo uns allerschönstes Frühlingswetter empfängt.
Start- und Zielort ist in Herrenberg am Fuße des Schönbuchs. Vor der Stadthalle kann man parken und die Starternummernabholung und auch Nachmeldung finden im Gebäude statt. Zwei Stunden vor dem Start ist so gut wie noch gar nichts los. Voranmelder finden in ihrem Starterpaket ein schickes schwarzes Funktions-Shirt mit dem Hirschkopf des Veranstaltungslogos auf der Brust. Auf dem Rücken prangt in riesigen Lettern: Finisher T42. Das sind Vorschusslorbeeren, mit denen viele bereits an den Start gehen. Ich sehe das eher als ein schlechtes Omen und versuche erstmal meine Arbeit zu verrichten. Als Nachmelder komme ich hier aber sowieso nicht in Versuchung, wir bekommen unser Shirt erst im Ziel ausgehändigt, falls genügend über bleiben, ansonsten werden sie nachgeschickt.
Von der Stadthalle marschieren wir bergauf, etwa einen Kilometer durch die herrliche Altstadt von Herrenberg zum Startbogen am Marktplatz. Nur wenige deutsche Städte besitzen heute noch so gut erhaltene Fachwerkhäuser mit engen Gassen und malerischen Treppen. Die Altstadt steht seit 30 Jahren unter Denkmalschutz. Im Dreißigjährigen Krieg wurde sie 1635 durch einen großen Stadtbrand fast komplett zerstört. Danach wurde sie so aufgebaut, wie sie sich uns heute präsentiert. Begeistert begutachten wir die alten Fachwerkhäuser, die krumm und schief eine coole Kulisse für unseren Event abgeben.
Immer mehr und mehr füllt sich der Marktplatz und spätestens hier wird mir klar, warum es auch ein Teilnehmerlimit für alle Disziplinen gibt. T12 und T42 werden auch gemeinsam gestartet. Ein paar Minuten vor dem Start wird richtig Stimmung erzeugt. „Thunderstruck“ bläst uns aus den Lautsprechern in die Gehörgänge. Es gibt ja welche, habe ich in den sozialen Medien gelesen, die die Startmusik von AC/DC nicht mehr hören können, weil sie so oft gespielt wird. Ich gehöre nicht dazu. Ganz im Gegenteil, der Rhythmus geht mir einfach durch Mark und Bein und hebt meine Laune.
Die ersten Meter führen durch die verwinkelte Altstadt von Herrenberg und es geht bereits bergauf los. Immer steiler geht es den Schlossberg hinauf. Am Stadtrand warten die berühmten Herrenberger Staffeln auf uns, so werden hier die vielen Treppenstufen bezeichnet. Die sind nicht allzu breit und daher ist auch der erste Stau vorprogrammiert. Darauf wurden wir aber bereits vor dem Start hingewiesen. So ist es für besonders Eilige ratsam, auch möglichst weit vorne zu starten, um dem zu entgehen. Das Hauptfeld nimmt das Ganze aber recht locker und es wird gesittet nach oben marschiert, bis auf ein paar wenige, die die Abkürzung über den Hang suchen.
So sind auf den ersten 2,5 Kilometer bereits 120 Höhenmeter zu absolvieren, meist noch auf befestigten Wegen. Aber dann geht es runter vom Asphalt und wir schlagen uns nach rechts in die Büsche. Hier warten die ersten Single-Trails auf uns und es geht wellig, aber tendenziell abwärts auf den nächsten 2,5 Kilometern an den südlichen Hängen des Grafenbergs entlang. Streuobstwiesen prägen unterhalb des Waldgebietes die Landschaft. Besonders die in voller Pracht stehende Kirschblüte bietet einen wunderschönen Anblick. Gepaart mit der abwechslungsreichen Strecke mit vielen Single-Trails ist das sicherlich einer der schönsten Abschnitte der gesamten Strecke. Das warme Lokalklima begünstigt hier besonders den Anbau von Süßkirschen. In früheren Jahren wurde aber vornehmlich Wein und zeitweilig auch Hopfen angebaut. Die letzten Weinberge wurden 1935 aufgegeben.
Nach einem kräftigen Aufstieg erfolgt ziemlich genau nach 6 Kilometern die Streckentrennung vom T12. Während sich die Kurzstreckler auf den Rückweg machen, geht es für uns wieder abwärts bis Mönchberg (Km 8,5). Am Ortsrand ist die zweite Getränkestation eingerichtet. Im weiteren Angebot des Veranstalters stehen auch eine 2-er und 4-er Staffel, für die hier ihr erster Wechsel erfolgt.
Nach 11,5 km ist der abwechslungsreiche Trailabschnitt vorerst einmal beendet. Die Strecke führt auf die Kayher Straße, man hat den Fahrradwegen, vermutlich zur besseren Orientierung, auch Namen gegeben. Auf einem einigermaßen gleichmäßigen Höhenlevel führt uns die Schotterstraße über mehrere Kilometer ziemlich gerade an‘s hintere Ende des Schönbuch.
Zur Auflockerung wechseln wir aber zwischendrin auch wieder auf eine kurze Trailpassage. Die Pfade sind aufgrund der längeren Trockenheit ziemlich ruppig und staubig und erfordern deshalb einige Aufmerksamkeit. Trailschuhe bräuchte es bei der heutigen Wetterlage nicht zwingend auf der Strecke, der Boden ist dermaßen trocken, dass wir nur sehr selten auf weichere Untergründe treffen. Über eine Zeitmessmatte erreichen wir bei Km 17,5 km am Sportplatz Entringen die nächste Versorgungsstation und Wechselpunkt für die Staffeln. Erstmals wechseln hier die 2er-Staffeln, der zweite Part ist bei ihnen mit ca. 25 Kilometern, der deutlich längere.
Der Rückweg führt uns wieder auf die wenig abwechslungsreiche Waldautobahn Kayher Straße. Hier passieren wir auch die Halbmarathonmarke. Kati posiert für ein Bildchen und weiter geht’s. Wenig später biegen wir an der nächsten Labe nach rechts in die Weinsteige ab und es wartet ein zwei Kilometer langer Downhill auf uns, wo es immer noch auf Schotter 80 Höhenmeter abwärts zu vernichten gibt.
Nach der kurzen Erholungspause müssen wir über die Neue Weinsteige wieder zwei Kilometer aufwärts. Mir ist es zu kraftaufwändig und marschiere lieber. Kati ist gerade gut drauf, nimmt größere Abschnitte im Laufschritt und kann so von hinten wieder aufschließen. Meine stellenweise trabenden Kontrahenten in Sichtweite vor mir machen hier aber laufend nicht viel Zeit gut. Meist rächt es sich ob des Kräfteverschleißes später sogar, daher lasse ich es sein. Endlich wird die Strecke wieder abwechslungsreicher. Ein weiblicher Streckenposten schickt uns mit Vorwarnung über einen äußerst rustikalen Trail. Mir gefällt das außerordentlich gut, während Kati darüber jammert. So unterschiedlich sind die Meinungen.
Eine gut ausgestattete VP wartet bei Km 31,5 auf uns. Wasser, Buffer, Cola, Müsliriegel, Bananen und Energy-Gels werden angeboten. Auf den letzten 20 Kilometern wechselten sich kürzere Trailpassagen mit längeren Waldwegabschnitten ab. Am Schild, das uns noch 10 km bis zum Ziel anzeigt, dreht sich das Verhältnis zugunsten natürlicherer Untergründe. Über vorwiegend schmale Naturpfade geht es jetzt durch den hohen Baumbestand des Schönbuchs, teilweise an abenteuerlichen Abhängen mit tiefen Schluchten entlang. Dabei gibt es auch einige interessante Hindernisse, wie Flussüberquerungen und umgefallene Bäume zu überwinden.
Mir fällt auf, dass heute ungewöhnlich viele Sanitäter an der Strecke postiert sind, im Not-Einsatz habe ich aber glücklicherweise keinen erlebt. Viele von ihnen feuern uns lautstark an. Die Kilometerangaben beschränken sich, wie auf Trails durchaus nicht unüblich, auf das nötigste. Die Schlusskilometer werden jetzt aber in immer kürzer werdenden Abständen angezeigt.
Bei Km 39 treffen wir wieder auf den ersten Teil des Kurses, auf fast identischem Weg geht es zurück ins Ziel. Ein letzter, aber äußerst giftiger, kurzer Anstieg auf den Schlossberg, oberhalb der Hausgrenze von Herrenberg bei Km 41 km kann bei mir und wahrscheinlich bei den meisten anderen auch, keine Jubelarie mehr hervorlocken. Vom Schlossberg hinunter führen uns wieder die berühmten Staffeln, es geht direkt an der Herrenberger Stiftskirche vorbei. Der Schlossberg ist hier nicht ganz stabil. Jährlich wandert die Kirche um einen Millimeter auf die Altstadt zu.
Der letzte Kilometer zieht sich scheinbar endlos dahin. Das kommt daher, weil nach 42,2 km noch nicht Schluss ist. Wir müssen noch einige hundert Meter drauf legen bis zum Zielbogen. In die letzte Kurve vor dem Ziel auf dem Marktplatz werde ich mit einer La Ola geschickt, wo ich vom Zielsprecher empfangen werde. Viel hat er jetzt nicht mehr zu tun, nur noch spärlich tröpfeln Finisher ein. Nach 5:18 Stunden bin ich im Ziel. Das Zeitlimit ist auf 6:30 h festgelegt, das müsste für die meisten ohne Stress zu bewältigen sein. Die Zielverpflegung bietet nochmals reichlich Möglichkeit, verlorene Energien zu erneuern. Mittlerweile sind ein paar Wolken aufgezogen und ich bin froh, mir gleich meine um die Ecke deponierte Jacke überziehen zu können.
Die Premiere ist bestens gelungen, die Location Herrenberg und Schönbuch ist optisch wirklich eine Schau. Ein paar kleine Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer. Für jeden ist hier etwas dabei. Etwa die Hälfte der Strecke wird auf technisch nicht sonderlich schweren Trails zurückgelegt, alles andere auf Waldwegen. So ist die Veranstaltung auch für Straßenläufer geeignet, die einmal Trailluft schnuppern wollen. Natürlich darf man die knapp 1.000 Höhenmeter nicht scheuen. Ich komme gerne wieder.
Einen weiteren Laufbericht mit vielen Bildern
gibt es hier auf Marathon4you.de