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11.10.20 - Schwarzwald-Marathon

ABGESAGT: ERINNERST DU DICH? (69)

Autor: Klaus Duwe

"Bitte kommt nicht!" Mit diesem Aufruf muss sich der Veranstalter des Schwarzwald Marathon gegen einen befürchteten Sturm der Läufer auf Bräunlingen wehren. Der  beliebte Marathon ist zwar wegen Corona abgesagt, dennoch wollen sich viele Läuferinnen und Läufer  verabreden, um am Sonntag gemeinsam die Strecke zu laufen. Sogar Verpflegungsstellen sollen organisiert werden. Das geht natürlich nicht. Und so appelieren der Veranstalter und der Bürgermeister gemeinsam an die Vernunft und bitten darum, wenn überhaupt, dann nur in kleinen Gruppen auf die Strecke zu gehen. Corona-konform eben.

Ein gemeinsames Lauferlebnis soll es dann wieder am 10. Oktober 2021 geben.

An den Marathon im Schwarzwald, der ja meine Heimat ist, habe ich trotz aller Wetter, mit denen man im Herbst rechnen muss, nur gute Erinnerungen. Besonders schön war es 2006, denn es war Goldener Oktober. Hier ist mein Laufbericht.

Weitere Laufberichte mit vielen Bildern
gibt es hier auf Marathon4you.de

 

 

 

Goldener Oktober

 

 

Pünktlich zur 700-Jahr-Feier der Stadtrechte von  Bräunlingen (seit 1305) präsentiert sich der Schwarzwald-Marathon, ältester Landschaftsmarathon in Deutschland,  jung wie nie. Auf zwei Tage wurde bereits im letzten Jahr der Veranstaltungsrahmen ausgedehnt. Neu ist in diesem Jahr die Marathonstrecke, die fast identisch ist mit der 42-Kilometer-Schleife aus den Anfangszeiten.

Bräunlingen liegt ungefähr 5 Kilometer von Donaueschingen entfernt, wo „Brigach und Breg die Donau zu Weg bringen“. Wenn jemand mit Schwarzwald hohe Berge, dunkle Wälder und tiefe Schluchten in Verbindung bringt, liegt er damit richtig. Allerdings ist die Gegend um Bräunlingen eine ganz andere. Auf einer Höhe von 700 bis knapp 1000  ist der Tannenwald zwar so dunkel, dass einem gleich klar wird, woher der Schwarzwald seinen Namen hat.  Aber er wechselt sich ab mit vielen Wiesen- und Ackerflächen und statt steiler Berge gibt es sanfte Hügel.

 

 
Das Mühlentor
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Badische Gastlichkeit und Schwarzwälder Spezialitäten darf jeder Besucher in Bräunlingen erwarten und wird nicht enttäuscht. Die 6.000 Einwohner haben sich mächtig ins Zeug gelegt und die vielen historischen Gebäude des Städtchens mit Fahnen geschmückt. Einen kleinen Rundgang sollte niemand versäumen.

Das 1590 erbaute Rathaus fällt als Erstes auf. Schon in Sichtweite rechts davon das Mühlentor, das letzte von ehemals vier Stadttoren, vermutlich 1203 erbaut. Geht man links die Straße runter, kommt man direkt zum Kelnhof, dem frühmittelalterlichen  kaiserlichen  Kammeralgut. Vom 9. Jahrhundert an war es im Besitz des Klosters Reichenau und Sitz des Kellers (Verwalters) der Klosterbesitzungen. Seit 1988 ist es ein Museum.  Rechts davon geht es ein schmale gepflasterte Gasse hoch. Dort steht das ehemalige Wächterhäuschen zur Ortsburg von Bräunlingen aus dem 13. Jahrhundert.

Von der jüngeren Geschichte zeugt das ehemalige Elektrizitätswerk (erbaut 1905 – 1907) gleich gegenüber. Heute ist dort die Narrenzunft untergebracht. Bräunlingen ist eine Hochburg der alemannischen Fasnet. Vor dem Gebäude wurde im letzten Jahr der Narrenbrunnen in Form eines Narrenschiffes errichtet.

Schon am Samstag geht es rund in Bräunlingen. Der Schwarzwald-Marathon ist ein Fest für die ganze Stadt. Wer von den 6.000 Einwohnern nicht irgendeine Funktion bei der Veranstaltung hat, ist als feiernder Gast dabei.

Am Nachmittag wird der 10 km-Lauf, das Walking und Nordic Walking gestartet. Über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind am Start. Alles spielt sich in und um die Stadthalle herum ab. Dort gibt es die Startunterlagen und die obligatorischen Nudeln. Für 2,50 € gibt es eine solch große Portion, dass ich fürchte, sie trotz meines guten Appetits nicht zu schaffen.

In der Halle ist auch eine kleine Messe mit Sportartikeln und Souvernirs. Draußen spielt unermüdlich eine Guggemusik, reichlich beklatscht vom Publikum. Am Abend werden dann die Favoriten für das morgige Rennen vorgestellt.

Am Sonntag herrscht schon um 8.00 Uhr reges Treiben. Das Wetter wird herrlich werden, Sonne und Temperaturen um die 20 Grad werden versprochen. Das treibt die Meldezahlen noch einmal nach oben. Viele Kurzentschlossene stehen bei „Nachmeldungen“ Schlange.

 

 

 
Guggemusik
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Vor der Halle hat sich bereits wieder die Guggemusik postiert. Ich treffe Klaus, Karlheinz und Franz, alle drei haben gerade erst den  Deutschlandlauf erfolgreich beendet und sind schon wieder im Einsatz. Ich lasse mir erzählen, wie es so war nach 17 Tagen und nach über 1.200 Kilometern. „Die ersten Nächte wusste ich gar nicht, wo ich war“, meint Klaus. „Als ich dann realisierte, dass ich Zuhause in meinem Bett lag, und nicht raus auf die Straße musste, war das ein tolles Gefühl.“

Nach Laufen war den Drei die ersten Tage nicht zu Mute. „Aber jetzt muss es wieder sein“, meint Franz. Er macht Ernst und ist nach 3:30 wieder im Ziel. Jetzt stößt auch Alex dazu, mein neuer Nachbar. Wir laufen jede Woche eine Runde zusammen und treffen uns jetzt auch öfters beim Marathon. Alex ist sehr ambitioniert und hat sich für den Isarrun (333 km, 5 Tage) angemeldet. Karlheinz kann ihm da gute Tipps geben. Sie sind für den Rest des Tages unzertrennlich.

Wie schon gestern moderiert Peter Jenniches, selbst Marathonläufer mit persönlicher  Bestzeit „so um die 2:25“, kompetent und mit launischen Kommentaren das Geschehen. Das Starterfeld füllt sich und pünktlich um 9.30 Uhr geht es auf die Strecke.

 

 
Am Rathaus vorbei
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Mir scheint, das ganze Städtchen hat sich vor der Stadthalle und der Straße versammelt. Wer zu spät aus den Federn kam, hängt jetzt am Fenster und klatscht den Läuferinnen und Läufern Beifall. Die Kirchenglocken läuten. Manch ein Pfarrer soll schon versucht haben, auf die Startzeiten bei Laufveranstaltungen Einfluss zu nehmen. In Bräunlingen ist das umgekehrt. Fünf Minuten nach dem Start beginnt der Gottesdienst. Der Pfarrer steht mit den Messdienern auf der Kirchentreppe und klatscht zusammen mit der bereits versammelten Kirchengemeinde Beifall.

So geht’s hinaus zum Städtchen auf einer lang gezogenen Asphaltstraße durch Felder und Wiesen. Das Wetter ist einmalig schön, der Himmel strahlend blau. Es ist noch etwas frisch, die Temperaturen sind einstellig. Fast endlos erscheint die Läuferschlange. Nach 4 Kilometer geht es links etwas bergauf und bald sind wir an der ersten Verpflegungsstelle. Mir ist das Gedränge zu groß, ich verzichte und laufe weiter. Zunächst geht es am Waldrand entlang und dann in den Wald (km 7). Hier im Schatten würde man ohne Bewegung ganz schön frieren. Aber die Läuferinnen und Läufer haben längst ihre Betriebstemperatur erreicht und empfinden die Bedingungen als ideal.

Auf der ersten Hälfte steigt die Strecke an und erreicht dabei zweimal nahezu 1000 Höhenmeter. Das geschieht aber ganz unspektakulär und im ständigen Wechsel mit flachen und einigen Abwärtspassagen. Nie ist es steil, alles ist sehr gut zu laufen.

 

 
Erste Kilometer
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Bei Kilometer 12 dann die Streckenteilung. Die „Halben“ laufen geradeaus, rechts geht es ab für die Marathonis. Immer noch sind wir im dichten Tannenwald, nur hin und wieder erreichen wir eine Lichtung, tanken Sonne und genießen den freien Blick.

Karlheinz erzählt Alex fast ununterbrochen von seinen Laufabenteuern. Alles, wovon ein Ultra träumt, hat Karlheinz längst im Kasten: Spartathlon, Le Grand Raid, Badwater, Biel (23 mal!), usw., usw..

Das Läuferfeld hat sich deutlich gelichtet. Nach wie vor verläuft die Strecke leicht wellig und immer im Wald. Manchmal haben sich sogar kleine Fangruppen postiert und sorgen etwas für Abwechslung. Als es bei km 17 links ab geht, stehen in der Kurve etliche Leute und machen kräftig Lärm. Den Schwung kann ich brauchen, denn gleich geht es wieder etwas aufwärts. Hier ungefähr haben wir den höchsten Punkt der Strecke erreicht.

 

 
Karlheinz und Alex bei Kilometer 18
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Ich verliere beim Fotografieren immer etwas Zeit und versuche dann mit Zwischenspurts, wieder zu Alex und Karlheinz aufzuschließen. Obwohl es die letzten Kilometer  überwiegend abwärts geht, kostet das Kraft und ich habe mit so einer „Renntaktik“ noch keine guten Erfahrungen gemacht.

Seit ungefähr 2 Kilometern sind wir raus aus dem Wald und laufen auf Oberbränd (km 20) zu. Es ist sehr angenehm und nicht zu warm in der Sonne. Das ist das Schöne am Goldenen Oktober.

In der scharfen Linkskurve stehen wieder viele Leute und feuern uns an. Die Strecke steigt wieder an. Gleich erreichen wir die Halbdistanz. Karlheinz und Alex sind inzwischen weit vor mir, bald werde ich sie aus den Augen verlieren. Weiter geht es aufwärts und ich versuche deshalb gar nicht erst, zu beschleunigen. Ich spüre meine Beine und will  in meinem Tempo weiterlaufen. Bei km 22 ungefähr ist der zweite Scheitelpunkt erreicht, es geht links herum und dann bergab.

 

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10 Jahre später: Bilder aus 2016

 

 

 
© trailrunning.de 133 Bilder

 

 

 

Ich laufe nie alleine, immer sind Läuferinnen und Läufer vor und hinter mir in Sichtweite. Trotzdem ist es ruhig auf der Strecke. Nur vereinzelt begegnen wir ein paar Wanderern, Bikern oder Spaziergängern. Ansonsten höre ich nur meine Schritte und meinen Atem, mal das Plätschern eines Bächleins oder den Gesang eines Vogels. Es ist einfach herrlich hier und das Laufen macht einen Riesenspaß.

Mitten im Wald, bei km 25, ist dann eine Kontrollstelle mit Zeitnahme und nach einem weiteren Kilometer biegen wir rechts ab und laufen mit leichtem Gefälle auf dem Weg Richtung Löffingen. Kann es sein, dass zum Marathon die Wege noch einmal ausgebessert wurden? Ich sehe viele „Flickstellen“. Die Wege sind sonst tadellos in Schuss und ausnahmslos gut zu laufen. Auch wenn es mal regnen sollte, gibt es hier keine Probleme, weil das Wasser gut ablaufen kann.

Zwischen Kilometer 29 und 30 in einer Linkskurve ist dann wieder eine Verpflegungsstelle. Es gibt wie schon davor Wasser, Tee, Iso und Bananen und jetzt auch Cola. Perfekt.

Nach wie vor wechseln sich flache Stücke mit kurzen Anstiegen ab, jetzt auf der zweiten Hälfte überwiegen allerdings die Abwärtspassagen. Dabei ist es aber nie steil. Mir fällt auf, dass zu den Bodenmarkierungen und Flatterbändern immer wieder kleine Hinweisschilder mit dem Logo des Schwarzwald-Marathon an Bäumen oder Pfosten angebracht sind. Die Strecke ist also permanent ausgeschildert und kann praktisch das ganze Jahr gelaufen werden.

Wir laufen Richtung Unterbränd und haben rechts immer den Brändbach in Sicht- und Hörweite. Ab und zu kommt wieder eine sonnige Lichtung und wir blicken in einen makellos blauen Himmel. Ein Traumwetter.

 

 
"D'Wälder Bänd" spielt in Unterbränd, Kilometer 35
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Bei km 33 erreichen wir dann auf einer Teerstraße zuerst die noch immer kräftig grünen Wiesen und dann die ersten Häuser von Unterbränd. Schon von weitem höre ich die Blasmusik, die sich vor der Sankt-Anna-Kapelle postiert hat. Daneben sind Festbänke aufgestellt und viele Leute sitzen dort bei Kaffee, Kuchen oder Bier. Die ankommenden Läuferinnen und Läufer werden stürmisch begrüßt.

Nachdem wir bei km 35 den Ort verlassen haben, kommen wir zu dem von herrlichen Wiesen und Schilfgürteln umgebenen Kirnbergsee. Der 1921 erbaute Stausee liegt auf einer Höhe von 785 m und ist wegen seines warmen Wassers als Badesee sehr beliebt. Heute liegt der See völlig ruhig da, nur ein paar Enten sind zu hören. Bäume und Büsche und der strahlend blaue Himmel spiegeln sich im Wasser.

 

 

 
Kirnbergsee. Kilometer 36
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Wir laufen jetzt durch ein Stück Mischwald, der sich schon in herrlichen Herbstfarben zeigt und kommen bei km 38 wieder auf freies Feld. Vor uns liegt Bräunlingen. Ein kurzes Stück geht es rechts die Verkehrsstraße runter und dann links auf einen asphaltierten Wirtschaftsweg. Hier ist die letzte Verpflegungsstelle.

Bräunlingen kommt immer näher, rechts ein großer Bauernhof, dann kommt schon km 41 und die ersten Häuser. Gleich ist auch ist die Guggemusik zu hören. Wir laufen über  die gesperrte Durchgangssgtraße. „Noch 500 Meter“, rufen uns die Leute zu.

Eine tolle Stimmung herrscht rund um die Stadthalle. Viele Menschen stehen rechts und links und beklatschen und bejubeln die Läuferinnen und Läufer. Peter begrüßt nach Möglichkeit alle Finisher namentlich. Unter den bunten  Fahnen der teilnehmenden Nationen laufen wir ins Ziel.

Gleich gibt es die Medaille und die Glückwünsche der Lauffreunde. Die Stimmung hier gleicht einem Volksfest. An verschiedenen Ständen gibt es Kaffee und Kuchen, Maultaschen und Gegrilltes. Und wer nicht aufpasst, fährt trotz Marathon mit einer positiven Kalorienbilanz nach Hause.

 

Informationen: Schwarzwald-Marathon
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