Nachdem Xaver mehr oder minder stürmisch das Weite gesucht hat, soll sich der Lauftag in bester Laune präsentieren: Nur leichte Niederschlagsneigung, Temperaturen von bis zu acht Grad und nachlassender Wind, so heißt es auf diversen Wetterportalen, die ich zuvor gerne anklicke.
Die Anfahrt ist relativ einfach, denn die Autobahn 3 führt quasi an der Haustür von Aegidienberg vorbei (Anschluss Bad Honnef/Linz).
Wer eine Unterkunft braucht und keinen großen Wellnessbereich braucht, der ist in der Jugendherberge Bad Honnef gut aufgehoben. Doch „Obacht gebn“ auf der Straße, die das Schmelztal hinunterführt. Es wird geblitzt. Vor zwei Jahren durfte ich 15 EUR für das schlecht belichtete Fahrerbild abdrücken.
Es dämmert gerade, als ich Samstagnachmittag auf den kleinen Parkplatz vor dem Bürgerhaus noch eine freie Lücke entdecke und mit meiner Karre belege. Ich bin zwar eine halbe Stunde zu früh dran, denn die Ausgabe der Nummern beginnt erst um 17.00 Uhr, doch der Stand ist schon besetzt und ich erhalte meine Nummer ohne Verzögerung. Es ist noch recht wenig los. Die Gelegenheit nutze ich, um kurz noch mit einem der Organisatoren, Thomas Hahn, ins Gespräch zu kommen.
Mir wird berichtet, dass für den Lauftag rund 100 Helfer im Einsatz sind. Im eigentlichen Orga-Team sind fünf Personen ganzjährig mit dem Ablauf der Veranstaltung involviert. 1999 begann man hier im Siebengebirge mit dem Marathon, der dann im Jahr 2009 um eine Halbmarathonstrecke erweitert wurde. Mittlerweile ist bei Eis und Schnee auch eine Schlechtwettervariante vorhanden. Was auffällt und Seltenheitswert hat: Das Marathonfeld ist zahlenmäßig deutlich stärker ist als das der Halben.
Zwar ist das Starterfeld beim Marathon auf 600 und beim Halben auf 500 limitiert, die Grenze wird aber auch dieses Jahr nicht erreicht. Wer sich erst relativ spät entschließen kann, kann sich die Bestätigung einer Startplatzverfügbarkeit noch im Internet, per Mail oder telefonisch holen.
Das Startgeld ist für die gebotene Leistung (Medaille, Urkunde aus dem Internet, Duschen und Nutzung des Hallenbades) mit 24 EUR bei frühzeitiger Meldung für den Marathon recht günstig. Wer ohne Meldung am Lauftag erscheint, der legt ein paar Euromünzen noch dazu. Und wer hungrig aus dem Haus geht, der kann vor dem Lauf noch im Bürgerhaus frühstücken.
Am nächsten Morgen werfe ich in der Jugendherberge vor dem Frühstück noch einen Blick aus dem Haus und sehe, es regnet noch. Große Gedanken mache ich mir aber nicht, denn bis zum Start sind es noch ein paar Stunden. Bei meiner Fahrt von Bad Honnef durch das Schmelztal nach Aegidienberg sind schon die ersten Helfer der Feuerwehr mit dem Aufbau einer V-Stelle beschäftigt. Und der Regen ist bereits passé.
Im weiteren Umfeld des Aegidiusplatzes (da ist übrigens das Bürgerhaus) finden sich Parkplätze in den Wohngebieten. Mehr als fünf Gehminuten kommen da nicht zusammen, bis man zur Aegidiuskirche hochkommt. Die überragt den Ort ein wenig. „Deine Kollegen hocken am runden Tisch,“ werde ich am Eingang hingewiesen. Wolfgang Bernath und Bernd Neumann sind gerade bei ihren Vorbereitungen, hängen sich die Nummern dran, verstauen noch Riegel und sind mit anderen Prozeduren beschäftigt.
Die Zeit vergeht nach der Wettkampfbesprechung (auch hier und nicht nur beim Triathlon) recht schnell und Wolfgang mahnt zum Aufbruch. Wir müssen nämlich noch zum Gangpferdezentrum marschieren.
Der Weg zum Start ist ausgeschildert und nicht zu verfehlen. Die Halbmarathonis sind längst auf und davon, denn bereits um 09.00 Uhr war für sie der Start und in Kürze werden die Ersten ins Bürgerhaus einlaufen. Als ich zusammen mit Wolfgang ins Gangpferdezentrum einmarschiere, sind einige der Tiere nicht mehr gehend, sondern in ihren Pferchen laufend und springend unterwegs, als wollten sie uns jetzt schon antreiben und Beine machen.
Es bleibt noch Zeit für ein gemeinsames Bild mit meinen Reporterkollegen. „Geh du mal nach vorne, wo du hingehörst,“ darf ich mir anhören. „Ich bin für die Mitte zuständig und Bernd treibt das Feld von hinten an,“ zwinkert Wolfgang mit den Augen, bevor ich mich in Richtung Spitze aufmache.
Die Aussicht in das Hügelland ist ungetrübt. So sind drei der insgesamt sieben Berge zu sehen, die dem Siebengebirge vermeintlich den Namen gegeben haben. Die markanten Spitzen sind Großer Ölberg, Löwenburg, Lohrberg, Nonnenstromberg, Petersberg (darauf das berühmte Gästehaus der Bundesrepublik), Wolkenburg und Drachenfels, allesamt zwischen 300 und 450 Meter hoch. Eher wahrscheinlich kommt der Namen von der Zahl sieben, die eine nicht festgelegte oder nicht festdefinierte Menge beschreiben soll. Wenn jemand seine Siebensachen zusammensucht, sind das ja nicht unbedingt genau sieben Sachen.
Wir erhalten die letzten Infos seitens der Orga und dann spricht Bürgermeisterin Wally Feiden aus Bad Honnef ihre Grußworte. Die letzten Sekunden werden herunter gezählt und dann schießt uns Frau Bürgermeister mit einer Sekunde Verspätung auf die Strecke. Wahrscheinlich hakelte der Abzug ein wenig, was ich ihrem angestrengten Gesichtsausdruck entnehme.
Ohne Gedränge macht sich das Feld auf den Weg der halben Runde im Oval der Laufbahn. Oder sagt man hier Gehbahn, ich lasse mich da gerne informieren. Wir verlassen die Pferderennbahn nach oben zur Aegidienberger Straße, ein Polizeifahrzeug vorneweg. Zuschauer sind nur einige an der Strecke und später im Wald sind es noch weniger. Unsere Absicht heute ist ja nicht ein Remmidemmi-Lauf, sondern wir wollen die Ruhe und die Natur auf unseren Laufwegen genießen.
Der erste Kilometer ist beim Aegidiusplatz schon fast geschafft. Durch meine Knipserei trotte ich nun im hinteren Teil des Feldes herum. Es ist fast Absicht, denn ich will auf der ersten Hälfte ruhiger laufen, und dann im zweiten Streckenteil das Tempo eher etwas erhöhen. Leicht wird es aber nicht werden, denn der Marathon weist 650 Höhenmeter auf. Der ist damit ein echter anspruchsvoller Landschaftsmarathon. Nichts für Weicheier, eher schon was für Trailer, oder solche, die es werden wollen.
Übrigens, Aegidienberg gehört zur Stadt Honnef und zählt rund 7000 Einwohner. Der Stadtteil liegt hart an der Grenze zum Bundesland Rheinland-Pfalz. Probleme gibt es derzeit mit der schlechten Anbindung des Rheintals an die A3. Der Verkehr muss die rund 200 Höhenmeter hinunter nach Bad Honnef durch das Schmelztal. Eine bessere Erschließung, natürlich unter den Geboten der Nachhaltigkeit mit der Natur, wäre Not.
An der Evangelischen Friedenskirche verlassen wir das Ortsgebiet und nach einem kurzen Stückchen laufen wir nicht mehr auff Asphalt, sondern auf befestigten Feld- und Waldwegen. Wer sich Trailschuhe untergeschnallt hat, hat eine gute Wahl getroffen, denn die Wege sind eher rustikal, matschig und rutschig.
Ich komme zum Quatschen mit Bernhard Hertinger, einem Marathon- und Ultra-Viech vom Lauftreff Hemsbach. Den trifft man das ganze Jahr über immer wieder bei langen Läufen auf der Strecke. Über 360 Marathons und Ultras hat er schon im Sack. Und mich jungen Spund schickt er dann an der nächsten Steigung weiter nach vorne und droht: „Pass auf, wenn ich alter Diesel in Schwung komme, überrolle ich dich beim Gefälle.“
Bei Kilometer fünf kann zum ersten Mal verpflegt werden. Wasser, Iso und warmer süßer Tee warten auf die Abnehmer. Später kommen noch Bananen und Riegel hinzu. Verhungern und Verdursten braucht da keiner, auch wenn „nur“ alle fünf Kilometer die Tanken an der Strecke liegen. Das reicht dicke.
Nur auf mein Lieblingsgetränk muss ich bis zum Zielstrich warten. Oder gibt es etwas für die Freibierletschn?