Als sehr angenehm empfinde ich das Auftanken, die Getränke sind wunderbar vorgewärmt. Etwas links ist ein langer Tisch mit Essbarem aufgebaut. Bananen, Süßigkeiten, Käsesemmeln und Würste werden angeboten. Sollte es jemand am Magen haben, für den gibt’s ein Stamperl mit Hochprozentigem. Der feine Marillen-Hausschnaps ist aber noch jungfräulich und wird wohl eher noch auf ein paar Wanderer warten müssen, die Läufer haben ihn allesamt verschmäht.
Unser weiterer Kurs führt uns in einem weiten Bogen ansteigend um das Zeinisjoch herum. Mein Blick gleitet in die Ferne auf den schneebedeckten Gipfel des Gr. Litzner und den darunter liegenden Vermunt Stausee. Direkt an ihm, von hier aber nicht einsehbar, führt die Silvretta Hochalpenstraße vorbei, eine der schönsten Gebirgsstraßen der Alpen überhaupt. Mit ihren vielen Kurven und Kehren ist sie vor allem bei Bikern beliebt. Die Anreise nach Galtür kann ich im Übrigen von Deutschland aus über Bodensee, dem Montafon und über die 24,5 km lange Hochalpenstraße nur wärmstens empfehlen. Sie kostet zwar 11,50 € Benutzungsgebühr, dafür bin ich aber Stau- und Stressfrei und auch sehr zügig bis ans Ziel gelangt. Bei der auch möglichen Anfahrt über den Fernpass konnte ich im Verkehrsfunk gestern doch von einigen Störungen hören.
Nach 450 absolvierten Höhenmetern geht es bis zur Verbella Alpe wieder für fast anderthalb Kilometer am Verbellabach entlang leicht bergab. An der Hütte wühlt ein Glücksschwein im Boden. Ja, was haben wir heute für ein Wetterglück, gar nicht vorzustellen hätten wir gestern hier hoch müssen. Schon seit Wirl habe ich mich mit Franz Eckl und Harald Baur zusammengeschlossen, ich brauche nach dem Ultra Trail vor einer Woche ein etwas ruhigeres Tempo und bin so am hinteren Feld nicht ganz alleine in der Alpinwelt unterwegs. Franz macht heute seinen ersten Marathon. Nachdem er noch im Vorjahr als Erster in der Wanderklasse im Ziel war, hat er heute den Ehrgeiz, unter 6 Stunden zu bleiben.
Ab Verbella Alpe nimmt die Steilheit spürbar zu. Bis zur Heilbronner Hütte hinauf sind auf den folgenden 3,5 Kilometern weitere 380 HM zu erarbeiten. Unsere zweite Labestation haben wir auf dem Abschnitt fast immer im Visier. Unterhalb der Hütte hat man einen sagenhaften Blick über die Scheidseen, grobe Richtung St. Anton am Arlberg. Mich erinnert dieser Ausblick an ein norwegisches Fjord.
Auf 2.320 m steht die Heilbronner Hütte - heute beginnt hier die Schneegrenze. In der Nacht hat es bis auf diese Höhe herunter leicht geschneit. Das Thermometer zeigt noch genau 1 Grad plus an. Ich bin froh, anständig gekleidet zu sein, in meinem Rucksack hätte ich sogar noch ein Jacke und eine warme Mütze. Ohne Handschuhe gehe ich bei solchen Temperaturen eh nicht aus dem Haus. Ohne warme Finger gibt’s sonst keine gscheiten Fotos. Am Donnerstag herrschten hier oben noch 30 Grad, erzählt uns einer der Bergwacht.
Nach der Hütte beginnt der alpine Teil unserer Route. Nach einem steilen Anstieg überqueren wir hinter dem nordöstlichen Jöchligrat ein kleines Plateau. Geleitet von Steinmännchen mit atemberaubender Aussicht auf das vor uns liegende Massiv führt der Weg hinab ins Ochsental. Der Hochgebirgstrail über und durch die leicht überzuckerten Biotitschieferplatten ist für mich heute ein absoluter Höhepunkt. Es geht an einem kleinen See vorbei, ich bin nur mehr am fotografieren vor Begeisterung. Man möchte eigentlich verweilen und sich nur noch satt sehen. Zu unserer Gruppe stößt auch immer wieder der Michael Dorfstätter aus Mödling bei Wien. Der „Dorfi“ ist heute zum ersten Mal auf einem Bergmarathon, dementsprechend vorsichtig geht er das als ausgesprochener Flachländer auch an. Seitlich am Hang steigen wir runter in eine kleine Schlucht. Über Schottersteine können wir gerade noch trockenen Fußes die Rosanna überqueren, die etwas weiter oben in den Verwall-Bergen entspringt.