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18.07.15 - Silvrettarun 3000

Der Hard-Trail

Steil bergan zur Bodenalpe

 

Die erste Verpflegungsstelle kommt nach etwa drei, vier Kilometer. Die Helferin, sie ist alleine, hat gehörig zu tun. Aber als Läufer bist du flexibel und schenkst dir und deinem Nachbarn ein. Wasser, Cola, Biolimo, Gatorade, Bananen, Geld und Riegel sind auf dem Speiseplan.

300 Höhenmeter haben wir bereits hinter uns, als wir an der Wallfahrtskapelle zu den Sieben Schmerzen Mariä in Unterpardatsch vorbeilaufen. Die Kapelle liegt an einer Waldlichtung am alten Weg ins Fimbatal. Der Ischgler Gastwirt Christian Zangerl hat sie erbaut. Ich werfe einen Blick hinein.

 
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Die Steigungsprozente haben nun auf dem Asphaltweg nachgelassen, fast kann man ein wenig Tempo machen. Teilweise hat man in den Wäldern noch ein wenig Schatten. Die Wiesen glitzern im Morgentau. Doch in der Sonne wird es schon gehörig warm, der Schweiß fängt an zu rinnen. Ich sehe in kurzem Abstand zwei Frösche auf der Straße liegen. Der eine ist unnatürlich breit und vermutlich unter die Räder, ääh Wanderschuhe gekommen, der andere scheint sich nur auszuruhen. An einer Stelle hat der gestrige Regen ein wenig Geröll auf die Almstraße geschwemmt.

Nach rund 50 Minuten laufe ich auf die Bodenalpe zu, die auf 1840 Meter Seehöhe liegt. Wer hier Urlaub macht, der ist mitten drin in der Natur. Winterurlauber haben hier Anschluss an den Skizirkus und die Wirtsleute holen dich auch im Tal ab, denn mit dem Auto kannst du hier im Winter nicht hochfahren.

 

Im Zeitdiktat zur Heidelberger Hütte

 

Das Fimbatal (auch Fimbertal genannt), in dem wir unterwegs sind, zieht sich rund 20 Kilometer von Ischgl herauf. Es endet erst vor dem Piz Tasna in Graubünden. Ja, später werden wir die Grenze zur Schweiz überschreiten. Während der untere Teil des Tals vom Wintersport mit seinen Bahnen und Liften geprägt ist, ist der südliche Teil als Hochtal naturbelassener. Gerade im Sommer kann man hier lange auf den Wandertouren unterwegs sein. Es empfiehlt sich jedoch, Unternehmungen von der Heidelberger Hütte aus zu machen. Die Talorte Ischgl, Samnaun oder Ramosch sind im Durchschnitt fünf bis sechs Stunden entfernt.

 
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Kurz nach der Bodenalpe endet der Asphalt, es geht auf befestigtem Wiesenweg weiter. An der Gampenbahn Talstation haben wir 7,6 Kilometer zurückgelegt und eine ganze Stunde dafür gebraucht, na servus. Ich weiß nicht, wie weit noch die Heidelberger Hütte entfernt ist und mache mir deshalb über das Zeitlimit Sorgen. Ich kann mich nur vage an einen Urlaub erinnern, wo ich mit meinem Vater bis zur Heidelberger Hütte gewandert bin und wir ewig lange unterwegs waren, obwohl wir bis zur Bodenalpe mit dem Auto gefahren sind.

An einem Findling sehe ich eine Bank mit einem Kreuz. An der Rückseite lernen wir wieder was Neues: Das ist hier der Stein der Weisen, unser nächstes Ziel ist 4,7 Kilometer entfernt, dazu kommen noch 200 Höhenmeter. 45 Minuten bis zum Time-Out, ist das zu schaffen?

Kurz nach der Fimbaalpe (2123 Meter) warnt ein Schild der Finanzlandesdirektion Tirol bei illegalem Grenzübertritt vor Strafe und Verzollung. Ein paar Meter weiter ein Metallschild, die Grenze zur Schweiz. Früher stand hier ein Zollgebäude, inzwischen wurde es abgebrochen. An einem kleinen Wasserlauf holt sich eine Läuferin eine Erfrischung. Ich mache es ihr gleich und kühle meine Birne.

Teilweise wird der Fahrweg ruppiger und an einigen Stellen sind Bohlen über Wasserläufe gelegt. Der Fotograf freut sich über diese Motive und lässt wieder einige Sekunden auf der Strecke liegen. Wenn mich das Zeitschwert trifft, dann bin ich nicht alleine, denn die Läufer um mich herum sind dann auch betroffen. Ich teile meine Sorgen einem anderen Läufer mit. Der schaut aber nur kurz auf sein neuzeitliches Equipment und kann mich beruhigen. „Das schaffen wir leicht, wir haben noch einen guten Kilometer und dafür 20 Minuten Zeit“. Mir fällt eine große Last ab, zumal dann auch die Heidelberger Hütte schon zu sehen ist.

Sie liegt auf 2264 Meter Seehöhe und bietet 62 Betten und 80 Lager. Betrieben wird sie von der DAV-Sektion Heidelberg. Die Hütte liegt am Fuß des Fluchthorns (Piz Fenga), ein Bergmassiv, dessen Südspitze mit 3399 Meter nach dem Piz Linard (3411 Meter) der zweithöchste Berg in der Silvretta ist.

Der Speiseplan an der Heidelberger Hütte ist klasse. Neben vielen Getränken werden hier auch geräucherte Würste und Brot serviert. Nach einer reichhaltigen Futterorgie mache ich mich auf den weiteren Weg, 13 Minuten vor den Cut-Off. Die Medium Strecke biegt rechts ab und führt zum Ritzenjoch.

 

Schwieriger Aufstieg zum Kronenjoch

 

Die Wegverhältnisse sind nun völlig anders. Statt auf breiten Wegen geht es auf schmalen   Bergpfaden weiter, über Steine und durch kaltes Schmelzwasser. Brücken und Bohlen über diese Wasserläufe gibt es nicht mehr. Entweder springen (wenn das Bachbett schmal ist), umgehen (wenn ein Umweg nicht zu viel Zeit kostet), oder wie jetzt mitten durch. Das Gewässer ist vier Meter breit, aber nicht tief. Ich sehe meinen Vordermann zuerst noch rumeiern, dann springt er mitten durch und fasst natürlich tief ein. Ich probiere es nicht lange, trockenen Fußes an jenseitige Ufer zu kommen und steige mittendurch. Das Wasser ist total erfrischend für die Füße.

 
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Es geht nun in Wellen hoch, nicht sehr anstrengend und immer wieder kann man kleinere Stücke laufen. Der Bewuchs wird immer kleiner, dafür intensiver. Distelgewächse werden relativ groß, dafür werden die Alpenblumen immer kleiner. Dann nach einem Aufschwung öffnet sich ein Hochtal mit vielen Wasserzuläufen von allen Seiten. Ich sehe einige Läufer zusammenstehen und realisiere, dass sich dort eine V-Stelle befindet. Die Helferin kommt mit den nach und nach eintreffenden Läufern gut zurecht. Du kriegst noch die ganze Vielfalt an Getränken. Für Gemüseliebhaber hat sie eine Gurke mitgebracht. „Da können wir ja richtig picknicken“, meine ich. Und sie setzt noch einen drauf: „Für enk bring ich nächstes Mal einen Grill mit.“ 16,5 Kilometer liegen hinter uns.

Ab Foppa Trida (2547 Meter) ist Schluss mit lustig. Das grüne Schild für uns zeigt bergan. Gut 400 Höhenmeter müssen wir bis zur höchsten Stelle bezwingen. Der Grasbewuchs wird immer spärlicher und endet. Und die Blumen werden immer kleiner, dafür viel bunter. Jetzt müssen wir auch ein Auge auf den Weg werfen, denn nicht immer ist der Wegverlauf eindeutig zu sehen. Doch die Helfer haben in dieser Steinwüste viele rote Farbpunkte angebracht.

Dann warten einzelne Schneefelder auf uns. Wer Trailschuhe an den Füßen hat, kann sich auf dem rutschigen Weiß gut halten. Vor Straßenlaufschuhen würde ich in dem Gelände eher abraten. Unterhalb der Krone (3188 Meter) queren wir ein Schneefeld namens Vadret da Fenga. Oben am Joch sehe ich einen Helfer der Bergrettung, der jeden lobt für seine Leistung: „Gleich seids oben, 100 Meter noch.“

Um 11.15 Uhr erreiche ich schließlich das 2980 Meter hohe Kronenjoch, dem Übergang vom Fimba- zum Jamtal. Einige Läufer zücken ihre Handys für einen Fotoschuss. Die Aussicht hier ist gigantisch. Man könnte noch den einen oder anderen 3000er ohne große Anstrengung mitnehmen, sei es die Bischofsspitze (3029 Meter), der Grenzeckkopf (3047 Meter) oder die Breite Krone (3079 Meter). Eine Mannschaft ist auf dem Grat in südlicher Richtung marschierend zu sehen.

Das Verpflegungsangebot ist aus logistischen Gründen nicht mehr ganz so üppig, doch Getränke gibt es weiterhin zur freien Auswahl, dazu Bananen und Gel. Die Wärme setzt sogar hier oben den Schokoriegeln zu, sie schmelzen auf 3000 Meter Höhe - verrückt nicht? Und das Wetter hält sich, denn vor einer halben Stunde konnten wir in Richtung Süden schon dickere Wolkenpakete sehen.

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Informationen: Silvrettarun 3000
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