Es ist Anfang des Jahres und wir versuchten gerade das Marathonjahr zu planen, da bekomme ich den Tipp für den SONUT, den Soonwald Nahe Ultratrail. Die Homepage ist schnell studiert, sofort bin ich Feuer und Flamme. Es handelt sich um einen Lauf von Läufern für Läufer mit 62 km Länge, in toller Natur auf anspruchsvollen Trails mit 2100 Höhenmetern.
Zeitnah melden wir uns an. Gerade in der heutigen Zeit ist es für Veranstalter wichtig, eine Planungsgrundlage zu haben. Wir sind gespannt, wie das Konzept der im September herrschenden Coronalage angepasst wird.
In der Woche des Laufs kommt die Infomail: Wir müssen den beigefügten Haftungsausschluss ausdrucken und ausfüllen. Es besteht Masken- und Desinfektionspflicht überall, wo man mit anderen in Berührung kommen könnte. Außerdem wird es Startwellen und zwei Cutoffs geben und eine umfangreiche Plichtausrüstung ist vorgeschrieben.
Die Ausgabe der Startunterlagen am Lauftag beginnt um 6 Uhr. Es ist noch dunkel im Schulhof des Emanuel Felke Gymnasiums in Bad Sobernheim, als wir unsere Startnummer und einen coolen Sonut Buff erhalten. Weil unser Ferienwohnung in der Nähe ist, reicht es noch für ein ausgiebiges Frühstück. Die Bahn zum Start nach Kirn fährt erst um 7Uhr44.
Im Sammeltransport geht es zum Startort. Dort wandern wir zum Rathaus, wo sogar ein Frühstück angeboten wird. Rosinenbrötchen und Kaffee kommen bei den Läufern gut an. Bemerkenswert ist die freundliche und entspannte Atmosphäre. Wenn die professionelle Ausrüstung der Läufer nicht wäre, könnte man sich auf einer Familienfeier wähnen; natürlich ohne komische Verwandte.
Weil es noch kalt ist, sonnen sich die Läufer in der Fußgängerzone. Daher wird kurzerhand das Briefing dorthin verlegt. Basti und Frankie (die Organisatoren) erklären, dass man zunächst den Schildern des Soonwaldsteigs folgen muss. Ab Kilometer 38 dann Flatterbändern, später den Schildern der Vitaltour und zum Schluss wieder Flatterbändern. Zu kompliziert – nein; alles wird perfekt ausgeschildert sein.
Das Ziel war in den Vorjahren immer auf dem Marktplatz in Bad Sobernheim im Rahmen des Stadtfests. Da das Stadtfest dieses Jahr wegen Corona ausfällt, ist das Ziel heute das Emanuel Felke Gymnasium, wo wir auch die Startnummern bekommen haben.
Der stellvertretende Bürgermeister von Kirn spricht noch ein paar Worte und betont, wie wichtig der Lauf für die Stadt ist. Gemeinsam geht es zum Start hinter dem Rathaus. Der Bürgermeister schickt mit seiner Startpistole die Läufer in Gruppen von jeweils 10 auf die Strecke. Norbert und ich laufen gemeinsam.
Zuerst geht es im Ort am Hahnenbach entlang. Schnell bekommen wir über steile Treppen die ersten Höhenmeter. Auch der erste Singletrail lässt nicht lange auf sich warten. So schnell, wie wir Höhe gewinnen, geht es auch wieder bergab. Die Steilheit der ersten An- und Abstiege lässt erahnen, dass das heute kein Spaziergang wird. Die Burgruine Stein thront auf einem Felsen in perfekter Aussichtslage.
Im lauschigen Wald führt der Trail bergauf und -ab. Bei km 6 erreichen wir den Teilort Hahnenbach. Die Einwohner sind geschäftig, es ist Samstagvormittag. Wir grüßen freundlich, und genauso kommt es zurück. Im Ort geht es bergauf. Der Wald ist wunderbar kühl, wir steigen höher, springen den Treppentail bergab und überqueren eine Straße. Manchmal wird der Aufstieg richtig steil, dann sind unsere Stöcke eine große Hilfe. Ab und zu halten wir kurz an und genießen die Aussicht auf Wälder und Wiesen. Nach dem nächsten Gefälle queren wir erneut die Straße und joggen auf der anderen Seite ein kurzes Stück daran entlang.
Am Waldrand führt die Strecke auf einem Wiesenweg und dann im Wald wieder bergauf. Gefühlt sind wir bald die Letzten. Das wird uns dann auch an der ersten VP bei km 12 bestätigt. Die Helfer sind guter Dinge und finden nichts dabei. Einer muss ja Letzter sein. Ich will nur die Zeitlimits schaffen und möglichst um 20 Uhr im Ziel sein, so wie es die Vorgaben der Veranstalter vorsehen. Also verpflegen wir uns gut, es gibt salzige Kekse, Studentenfutter und Kuchen. Auch meine Wasservorräte fülle ich auf.
Das Wetter ist herrlich, die Sonne scheint und im Wald ist es angenehm kühl; wir kommen gut voran. Ich laufe allerdings an meinem Limit. Bergauf gebe ich alles, bergab kann ich es gut rollen lassen. Hoffentlich reicht das für die drei langen und steilen Anstiege, die im Höhenprofil markant hervorstechen.
Nun treffen wir zum ersten Mal auf Wanderer. Nach einem freundlichen guten Morgen wird uns sofort Platz gemacht. Plötzlich tun sich vor uns zwei Tunnels auf. Durch diese Tunnel wurden früher auf einer Feldbahn Schieferplatten transportiert. Ich mag solche abwechslungsreichen Wege. Beim nächsten Aufstieg genießen wir einen phantastischen Blick auf die Schmidtburg, eine alte Festungsanlage aus dem 11. Jahrhundert.
Hinweisschilder weisen den Weg zum Besucherbergwerk Herrenberg, wo Interessierte sich einen Einblick in die Bergmannsarbeit verschaffen können. Etwas weiter bergauf stehen plötzlich indianisch anmutende Totempfähle auf dem Weg. Sie begrüßen den Wanderer bei der Keltensiedlung Altburg, wo zwischen dem 3. und 1. Jahrhundert vor Christus eine Burganlage war. In den 80er Jahren wurde an der ursprünglichen Siedlungsstelle ein Freilichtmuseum errichtet.
Wir lassen das beeindruckende Bauwerk rechts liegen und überqueren eine große Wiese. Ich finde es hier schon recht heiß.
Ungefähr bei km 16 wird der Pfad eng. Rechts und links überragt uns japanisches Springkraut. Vor uns im Dickicht kann man die Brücke über den Hahnenbach erahnen. Auf der anderen Seite folgen wir einem lauschigen Pfad stetig bergauf. Hier wird die Bedeutung von Wasser für unser Leben und die Umwelt erklärt und mit Tafeln und Mitmach-Angeboten anschaulich gemacht.
Das nächste Gefälle hinter uns lassend erreichen wir eine weite Wiesenfläche. Abrupt bleibt Norbert stehen und meint: „Wir sind falsch“. Er kontrolliert regelmäßig die Strecke mit dem Track auf der Uhr. Alarmiert drehen wir um. Aha, da war das Schild rechts im Gras versteckt. Nun sind wir wieder auf dem richtigen Weg.
Kurz darauf kommt uns eine junge Frau entgegen. Sie ist Helferin und wollte uns einfach ein Stück entgegen kommen. Sie warnt vor der folgenden Straße und kündigt an, dass demnächst die VP bei km 21 kommen wird. Bald haben wir diese auch erreicht. Sie liegt schattig im Wald und verfügt über alles, was das Herz begehrt. Hände desinfizieren, Maske auf, Essen und Trinken ordern. Wir machen es uns auf einer bereitgestellten Bierbank bequem.
Beim Briefing wurde geraten, hier die Trinkflaschen aufzufüllen. Die nächste VP kommt erst nach 17 Kilometern, die mit vielen Höhenmetern gespickt sind. Selbstverständlich befolgen wir diesen Hinweis. Erwartungsvoll machen wir uns wieder auf den Weg.
Relativ unspektakulär steigt ein breiter Weg an. Schnell erreichen wir den Teufelsfelsen mit seinem Aussichtsturm, dem langen Heinrich. Ich bin erstaunt: sollte das tatsächlich der erste, von mir gefürchtete Anstieg gewesen sein? Um die Kurve herum sieht das Gelände flach aus. Die dicken Steine auf dem Pfad kann man gut bewältigen. Oh je, es wird immer steiniger. Ah, da vorne liegt das auf vielen Bildern zu bewundernde Steinmännchenfeld. Obwohl schlecht zu laufen, finde ich das toll.
Der Weg wird nicht besser. Obwohl das eigentliche Steinfeld schon hinter uns liegt, ist es immer noch unwegsam. Irgendwann scheinen wir oben zu sein. Ein bequemer Single Trail lässt die Beine entspannen. Dann geht es hinab. Die nächsten 4 Kilometer bringen uns von knappen 600 m Höhe auf knappe 300. Aber es läuft. Das Gefälle ist genial!
Man merkt sofort, wann man unten ist: Wir erreichen den Simmerbach. Eine Brücke bringt uns trockenen Fußes hinüber. Zunächst folgen wir dem Bachlauf. Dann geht es richtig zur Sache und in der direkten Falllinie nach oben. Wo es zu steil wird, helfen Treppen.
Norbert wartet auf mich – sicher sind wir nun oben. Leider geht es gleich weiter. Zu der Steilheit wird es nun auch noch felsig. Vorsichtig steigen wir von Fels zu Fels. Eine seitlich abfallende Steinmuräne muss überquert werden. Dann geht es plötzlich nochmal steil bergauf. Ein Weg ist hier nicht zu sehen. Wir suchen das nächste Schild und klettern möglichst direkt darauf zu.
Hinter einem mannshohen Fels fällt das Gelände ab. Wir sind wohl wirklich oben. Eine Bank lädt zum Verweilen ein und wir genießen kurz die Aussicht. Laut Höhenprofil sollte es jetzt wieder bergab gehen. Dachte ich, tut es aber nicht. Zumindest verläuft der Weg relativ flach. Auf dem breiten Weg ist gut zu laufen.
Fast hätten wir den Abzweig verpasst. Eine unscheinbare Treppe führt rechts steil nach oben. Ok, wir waren wohl doch noch nicht ganz an der Spitze des Berges. Nach weiteren schweißtreibenden Minuten erkenne ich über uns den Aussichtsturm der Burgruine Koppenstein bei km 32. Da sind wohl auch Leute oben. Wir sparen uns das und machen uns nun tatsächlich an den Abstieg.
Erst steile Treppen, dann Serpentinen, meine Beine brennen! Als der Weg etwas besser wird, sind wir auch schon unten. Während wir ca. 200 m an der Straße entlang laufen, bekomme ich einen Krampf im Oberschenkel. Nicht schlimm, aber der letzte Anstieg steht uns noch bevor.
Zunächst überqueren wir eine Wiese, dann geht es schattig auf einem Feldweg. Im Wald liegt dann der Aufstieg zur Alteburg vor uns. Es geht besser als gedacht. Erfreulich schnell kommt der Aussichtsturm in Sicht.
Auf einer Bank sitzt der Besenläufer. Er wird hinter uns die Flatterbänder, denen wir nun folgen müssen, entfernen. Der Weg bergab ist überraschender Weise feucht bis matschig. Wir versuchen die größten Pfützen zu umlaufen, das gelingt nicht immer so gut. Einmal platsche ich direkt hinein. Bäh!
Wo kommt plötzlich die sphärische Musik her? Hinter der nächsten Kurve steht die nächste VP bei km 38. Kurzer Uhrenvergleich: 15Uhr57. Noch eine dreiviertel Stunde bis zum Cutoff - das passt. Auch die Helfer loben uns. Sie hätten noch nicht mit uns gerechnet. Wir werden aufs Beste versorgt und super unterhalten. Die Musik war übrigens nur Pausenfüller. Das folgende „Eye of the tiger“ hat besseren Rhythmus.
Leider versagt meine Kamera beim Gruppenfoto. Aber: „Ihr seid die Besten!“
Es geht über die Straße, dann folgen einige langweiligere Kilometer auf einem flachen, breiten Weg. Wir folgen den Flatterbändern bis zu den Schildern des Vitaltour Willigisweg. Im Kiesel- und später dem Hoxbachtal ist es dann wunderbar kühl. Wir überqueren den Kieselbach an der Schinderhanneshöhle, von wo ab der Weg wieder zum Traumpfad wird. Trotz müder Beine können wir etwas Tempo machen.
Der Trail spuckt uns unvermittelt an einer Straße aus. Ein Streckenposten hat hier gewartet und zeigt uns den erhobenen Daumen. Auf der anderen Straßenseite wechselt nun die Vegetation. Felder und Wiesen bestimmen das Bild. Eine asphaltierte Straße bringt uns wieder bergauf. Oben holt uns der Besenläufer ein. Er stellt sich als Dieter vor und bittet uns kurz inne zu halten und die Aussicht zu genießen. Der ganze Soonwaldkamm ist zu sehen. Hier sind wir gelaufen. Das ist eine ganz schön lange Strecke.
Wir lassen einen Mähdrescherkonvoi passieren. Die Wiesenwege scheinen für uns frisch gemäht zu sein. Trotzdem bin ich vorsichtig. Im Gras kann man Unebenheiten leicht übersehen und umknicken. Unfallfrei erreichen wir die letzte VP bei km 49. Nach langer Zeit sehen wir wieder Läufer, die hier verweilen.
Wir werden ein letztes Mal verwöhnt. Die Helferinnen laden uns ein, im Kneippbecken die Füße zu kühlen. Das lassen wir mal lieber. Es ist schon nach 18 Uhr, da sollte es nun sowieso kühler werden.
Im Wald geht es dann gleich bergauf. Ich merke die Erschöpfung und komme nicht mehr richtig vom Fleck. Bald haben uns die Läufer, die später an der VP gestartet sind, ein- bzw. überholt. Dieter begleitet uns.
Nachdem wir die lange Steigung hinter uns gelassen haben, sind wir auf breiten Wegen unterwegs. Ich bin darüber nicht böse, denn meine Beine sind schon wieder am Verkrampfen. Im Wald wird es merklich schummrig. Wir haben zwar Stirnlampen dabei, aber diese auszupacken, ist trotzdem nicht notwendig. Nach einem steilen Abstieg verlassen wir bei km 59 den Wald. Hier ist es trotz Sonnenuntergang noch hell genug.
Es geht jetzt am Golfplatz entlang, dann durch eine Unterführung unter der B41 in den Ort. Am Marktplatz ist nichts los. Dafür werden wir auf dem Schulhof des Emanuel Felke Gymnasiums stürmisch empfangen. Die Läufer von vorhin sind noch da und ebenso viele der Helfer.
Basti und Frankie beglückwünschen uns und überreichen die originelle Medaille – das Soonwaldsteigschild. Es gibt Getränke und Brezeln. Da ich fünfte Frau geworden bin, gewinne ich auch noch eine Flasche Nahewein.
Fazit:
Wo „Soonwald Nahe Ultratrail“ drauf steht, sind die Soonwaldtrails auch drin. Diese sind anspruchsvoll, aber gut zu bewältigen. 2100 Höhenmeter sprechen für sich. Bergab ist meist laufbar, hier kann man Zeit gutmachen. Nicht umsonst benötigt der Sieger Christoph Lux nur 5h49. Wir hatten mit der Streckenmarkierung keine Probleme, der Track auf der Uhr ist jedoch hilfreich.
Die Verpflegung ist hervorragend und die Helfer umsorgen die Läufer. Die Kommunikation im Vorfeld lässt nichts zu wünschen übrig, denn alles ist perfekt organisiert. Auf die Frage, was man besser machen könnte, fällt mir nichts ein.
Vermutlich der Corona-Situation geschuldet, waren dieses Jahr nur 58 Läufer am Start. Das muss sich schnell wieder ändern. Die Veranstaltung verträgt mit diesem Hygienekonzepts gut das Doppelte.