Die Wolkendecke bekommt erste lichte Stellen, auch ist es ein wenig wärmer geworden. Die Laufbedingungen bleiben perfekt. An der höchsten Stelle des Aasrückens wird der Marathonkönig Heiko an der V-Stelle erwartet. Ein Laufkollege mit Thüringerdialekt greift sich den Haferschleim. "Ein wenig dünne“, höre ich.
Das wellige Stück durch das Waldstück Geschwende endet und wir laufen auf der Ortsstraße nach Rechberg hinein. Der Ort gehört seit 1975 zu Schwäbisch Gmünd. Die Bewohner sprachen sich seinerzeit zu 90 Prozent gegen eine Eingemeindung aus, aber die Politik und später die Gerichte entschieden.
Frühzeitig höre ich Musik auf meinem Weiterweg. Leider ist das Lied zu Ende, als ich auf den Anstieg auf den Rechberg abbiege. Trotz meiner Aufforderung „Musik!“ dauert die Pause der Waldstetter Lachabatscher weiter an. Schade. Aber später setzt ihr Spiel wieder ein.
Rund 100 Höhenmeter steigt die Straße zum Gipfel an. Gelaufen wird kaum, nur der eine oder andere 25-Kilometer-Läufer macht eine Ausnahme. Links und rechts der Straße sehen wir die 14 Stationen des Kreuzwegs. Es ist schon ein Kreuz, hier hochzukommen. Doch mit jedem Schritt kommen wir dem Gipfel des zweiten Kaiserberges näher.
Um die Ruine Hohenrechberg zu sehen, auf halber Höhe zum Gipfel, müsste man die Bäume links und rechts an der Zufahrt ein wenig zurückschneiden. Sehen kann man fast nichts, nur erahnen. Einen Umweg für einen Blick auf die Ruine erspare ich mir. Einige Wanderer und Spaziergänger schleichen noch langsamer als wir hoch. Ein wenig Applaus fällt dennoch ab. Diejenigen Läufer mit einem Grinsen im Gesicht sind die, die gleich „finito“ haben.
Dann sehe ich das Zielschild für die Sprinter. Wir werden frühzeitig links geleitet, Zwischenzeitnahme, 2.38 Stunden lese ich auf der Uhr. Für sub fünf Stunden wird es knapp werden.
Auch der 708 Meter hohe Rechberg ist ein Zeugenberg. Bereits seit dem 15. Jahrhundert pilgerten Wallfahrer hier hoch zur Kirche St. Maria. Das Gotteshaus war früher Wallfahrtsstätte der Grafen von Rechberg und ist heute die Pfarrkirche der Rechberger Bevölkerung. Früher standen hier zwei Kapellen, die im Rahmen der steigenden Wallfahrerzahlen zur Kirche in der jetzigen Form ausgebaut wurde.
Auf einem Pflasterweg geht es wieder bergab. Wir müssen aufpassen, der Untergrund ist feucht und abschüssig und scheinbar auch rutschig. Einige eiern vorsichtig hinunter, nicht dass wir die A...backenbremse brauchen. Aber im Wald ist der Untergrund griffiger als vermutet.
Unten in Rechberg ist der letzte der drei Kaiserberge bereits fest im Blick der Ultras. Die Kaiserbergstraße führt aus Rechberg hinaus und die Landesstraße verlassen wir nach dem Ortsschild gleich nach links.
Etwa mit dem 28. Kilometer befinden wir uns am Fuß des Stuifen. Ein paar Sanis stehen und regeln den Läuferverkehr, denn die Runde auf und um den Stuifen beginnt und endet hier. Übrigens, nicht jeder Kilometer ist ausgeschildert, aber einen ungefähren Eindruck, wie weit man noch zu laufen hat, hat man immer. Viele laufen heutzutage ja mit GPS und lassen sich die Kilometer einsagen.
Der Hinterbergweg ist größtenteils noch befestigt, doch dann verlassen wir die Forststraße auf einem Pfad, der einem Trailrun alle Ehre macht. Konzentration und Koordination sind notwendig, auch Geschicklichkeit, denn der Weg ist schmierig, Wurzeln und Steine können dich stolpern lassen. Alles marschiert.
Der Gipfel mit 757 Meter Seehöhe bleibt uns erspart, wir laufen unterhalb auf der Südseite vorbei und ersparen uns etwa 20, 30 Höhenmeter. Ich konnte mich noch an die ersten Läufe hier erinnern, da ging es auf Trampelpfaden hoch und genauso schwer wieder hinunter.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Kaiserbergen ist der Stuifen nicht bebaut. Auch bietet er keine Aussicht, denn der höchste Punkt ist bewaldet. Die Drei Kaiserberge kamen zu dem Namen, weil der Hohenstaufen die Stammburg des Königs- und Kaisergeschlechtes der Staufer trug. Zum Wallfahren und zur Jagd gingen die Herrschaften natürlich auf „ihre“ Berge. Heute bilden die drei markanten Zeugenberge zusammen mit dem Aasrücken und dem Rehgebirge ein Landschaftsschutzgebiet. Unten zeigt uns ein Wanderschild zur Reiterleskapelle und zum Kalten Feld.
Kilometer 32: An einer Kreuzung, nach Westen geht es nach Wißgoldingen, beginnt die Runde zur Reiterleskapelle. Die freundlichen Helfer an der V-Stelle haben doppelte Arbeit, denn wir wollen vor dem Hinweg und nach dem Rückweg etwas zu trinken und zu essen. Außerdem müssen die Läufer auf den rechten Weg eingewiesen werden. Nicht dass einer in seinem Laufdelirium in eine Endlosschleife kommt. Die Ortsverbindungsstraße nach Tannweiler verläuft ein wenig wellig westlich und südlich des Schönbergs. Auf der Gegenseite kommen immer wieder Läufer von ihrer Runde zurück, darunter auch der Nürnberger Anton Luber, der freundliche Handicap-Runner.
Am Wanderparkplatz vor Tannweiler biegen wir nach rechts ab. Ein Feldweg führt die 50 Höhenmeter arg steil nach oben. Alles marschiert. Unten wird abermals die Zeit genommen. Ein Läufer hat sich auf der Bank niedergelassen. Wahrscheinlich liegt das Aufbaugetränk hinter der Bank, für Schnorrer wie mich unsichtbar und doch gekühlt. Oben auf der Passhöhe zwischen Rechbergle (Schwarzhorn) und Graneggle, da endet die Steigung, sehen wir bereits die Reiterleskapelle (642 Meter). Die daneben stehende Sommer-Linde hat ihr Laub zur Gänze bereits abgeworfen.
1714 wurde die Kapelle erbaut, vermutlich von einem Bauern namens Reuterles aus dem nahen Tannweiler. Der Autor sucht Besinnung in dem Gotteshaus. Das Innere ist sehr schlicht gehalten. Ich sehe eine Statue des Patrons der Kapelle, des heiligen Leonhard von Limoges, dem Schutzpatron der Pferde.
Als ich mich wieder auf dem Weg mache, ist ein Trio aufgerückt, das lacht, als ich aus der Kapelle trete. Der Rückweg ist für mich neu, denn wir müssen nicht mehr auf einen weiteren Wendepunkt, sondern wir laufen auf einem Trail in den Wald. An dessen Ende haben die Mädels Probleme mit ihren Slicks, denn die paar Meter hinunter durch die Weise sind recht rutschig. In ein paar Minuten sind wir auf der Teerstraße zurück am Wanderparkplatz mit der V-Stelle.
Dann werden die Bremsen gelöst, denn auf rund vier Kilometer erhalten wir etwa 200 Höhenmeter auf einigen Serpentinen des Urengartensträßle zurück. Ich lasse es laufen, denn es geht mir und meinen Beinen gut. Unweit der St. Laurentius-Kirche in Waldstetten verlassen wir den Ortskern auf dem Rechbachweg.
Noch im Ortsbereich wechseln wir auf die Rechbergstraße, Tendenz ist wieder bergauf. Vor dem Start wurde uns empfohlen, ein paar Körner hierfür aufzuheben. Hab ich gemacht und kann fast die ganze Steigung bis Hummelshalden joggen, während das Gros der Läufer zu Wanderern mutiert.
Die letzten 100 Meter bis zum Waldrand tun aber mir auch weh. Die drei Frauen am Ende der Steigung geizen nicht mit Applaus und lachen lauthals auf mein „Schieb's an“. Gefällig lasse ich es dann laufen bis zum Ortsrand von Straßdorf. Vorletzte Tankstelle.
Dann biegen wir auf die ehemalige Hohenstaufenbahn ein. Bis fast in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts verkehrte hier die Eisenbahn von Göppingen nach Schwäbisch Gmünd. Der Bahnbetrieb wurde eingestellt und der Bahndamm als Radweg ausgebaut. Wer hier noch kann und will, kann es hinunter laufen lassen. Doch viele Krieger sind müde geworden. Frühzeitig können wir einen Blick auf die Altstadt der Stauferstadt werden.
Dann sehe ich ein auffälliges Trikot der AST Süßen, ein Verein, der gleich mit rund 20 Läufern hergekommen ist. Dieter Pflüger hat mit meinem Erscheinen von hinten überhaupt nicht gerechnet. In Imst beim Gletschermarathon habe ich ihn hinunter zum Inn geschleift, auch in Davos sind wir vor ein paar Jahren einige Kilometer gelaufen. Und heute? Er kann mein Tempo nicht ganz mitgehen.
Unten in Schwäbisch Gmünd wird am Ende des Radwegs unmittelbar an der Rems die letzte Labung angeboten. Der Bayer sagt „Naa“ zu Wasser und Tee und hebt sich seinen Durst für später auf.
Wir bleiben nun auf dem Straße an der Rems und drehen noch eine Runde um einen Fußballplatz, wo den dortigen Sportlern eine Ausdauereinheit auch nicht schaden dürfte. Der letzte Kilometer wird noch im Grünen angezeigt, dann laufe ich an einer Trommlerformation vorbei durch die Bocksgasse zur Stauferstele, wo das Zieltransparent hängt. Viele Zuschauer haben sich hier versammelt. Ich bin happy, auch wenn ich fünf Minuten mehr als fünf Stunden unterwegs war.
Im Ziel finden wir reichhaltige Verpflegung am Erdingerstand und anderswo. Dieter kommt nach wenigen Minuten ebenfalls herein und lässt sich ein gescheites Bier reichen, das er brüderlich mit dem Fotografen teilt. Wer schon richtig Kohldampf schiebt, der kann an den verschiedenen Ständen sich mit Grillwurst und Steak versorgen. Zur Dusche kann man wieder in die Großsporthalle auslaufen oder spazieren gehen. Dort kann man sich auch massieren lassen. Wer nicht mehr gut zu Fuß ist, wird gefahren.
Mein Fazit:
Ein würdiger, abwechslungsreicher Saisonabschluss für den Straßenläufer, Marathoni und Trailläufer. Die Einladung für Ende Oktober 2015 steht schon jetzt.
Männer
1 BERNER, Mirco TV Jahn Kempten 3:23:32
2 SCHUMACHER, Richard AST Süßen 3:25:38
3 WETZEL, Michael AST Süßen 3:35:32
Frauen
1 KERN, Karin LAV Stadtwerke Tübingen 4:06:00
2 FAUSER, Biggi LG Bad Waldseer Lauffieber 4:13:11
3 NEUBAUER, Anja SV Zang 4:22:42
432 Finsiher