Kein Marathon, aber auch nur ein bisschen Ultra – einige Höhenmeter, aber auch nicht wirklich viele - partiell Naturprofil, aber auch viel Asphalt – nicht Fisch, nicht Fleisch? Wenn es eine Laufveranstaltung, noch dazu fast schon in der läuferischen Off-Season, auch nach 25 Jahren schafft, konstant um die 400 Teilnehmer zu einem 50er anzulocken, zum Jubiläum gar über 500 und auf allen angebotenen Distanzen an die 1.400, dann zeigt das: Sie hat es geschafft. Der Albmarathon hat sich als "Marke" etabliert, der es nicht nötig hat, im Konzert der Marathons mitzuspielen, also vergleichbar oder gar "PB"-tauglich zu sein. Die Läufer kommen, weil sie diesen Lauf so schätzen, wie er ist: eben als etwas Anderes und Besonderes.
50 km – 1070 Höhenmeter – drei Berge. Das sind die zentralen Eckdaten des Albmarathons, wobei man das mit den Bergen mit alpiner Brille betrachtet nicht überbewerten darf. Aber schon vorweg: Unterschätzen sollte man die Anstiege nicht. Trailschuhe mögen auf 98 % der Strecke entbehrlich sein, wer auf sie verzichtet, könnte auf den restlichen 2 % jedoch sein "blaues“ Wunder erleben. Und die drei Berge sind auch nicht irgendwelche Berge. „Kaiserberge“ wird das Triumvirat aus Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen genannt. Den stolzen Beinamen verdanken sie dem Umstand, dass der Hohenstaufen einst die Stammburg des Königs- und Kaisergeschlechts der Staufer trug.
Wem die 50 km zu heftig sind, kann sich auch mit der Halbdistanz über 25 km begnügen. Dabei kann man ein echtes Gipfelfinish auf dem Rechberg erleben. Und wer als 50 km Läufer unterwegs, aus welchen Gründen auch immer, zum Schluss kommt:“heute langt`s“, kann sich ganz spontan entscheiden, nach 25 km auszusteigen und für diese Distanz gewertet zu werden.
Idyllisch geht es los, mitten im Herzen Schwäbisch Gmünds, etwa 50 km vor Stuttgart gelegen. Der mittelalterlich geprägte Stadtkern bietet eine pittoreske Kulisse für den Start wie auch für das Ziel. Mittendrin: Der „Prediger“, ein ehemaliges Dominikanerkloster, das via Kaserne zum Kulturzentrum mit Museum und Galerie umfunktioniert wurde. Eine chice Melange aus historischen und modernen Elementen bietet die zentrale, drei Stockwerke hohe Halle im Kern des „Predigers“. Die Ausgabestelle der Startunterlagen und eine kleine Messe finde ich hier. Und die zentrale Begegnungsstätte all jener Läufer, die leichtgeschürzt angesichts der Morgenkühle Nestwärme suchen. Eine lange Schlange wartet geduldig vor dem Nachmeldeschalter.
Zu den Traditionen des Albmarathons gehört, dass am Lauftag (fast immer) „goldener Oktober“ angesagt ist. Und diese Tradition gilt auch und erst recht für den Jubiläumslauf. Kurz vor dem Start reißt der Hochnebel auf und die Sonne ergießt ihre wärmenden Strahlen über uns. Sogleich wird es deutlich voller auf dem Johannisplatz vor dem Prediger. Ebenso vor dem hier als Kleiderdepot aufgebauten Zelt. Ausnehmend schön ist die Kulisse um uns herum: Hier die uralte romanische Johanniskirche, dort das mächtige Kirchenschiff des Heilig-Kreuz-Münsters, das die Dächer der Bürgerhäuser überragt.
Rundum wird am Zielbereich noch eifrig gewerkelt. Für den Start auf der Bockgasse ist dagegen schon alles gerichtet. Doch lange macht niemand Anstalten, in Startposition zu gehen. Erst ein freundlicher Hinweis des Startmoderators setzt die wartenden Scharen in Bewegung. Ich sehe schon - sehr entspannt geht es zu. Sehr sympathisch. Überaus pünktlich wird jedoch die Startzeit eingehalten. Auf den Schlag 10 Uhr ist es, als es heißt „Leinen los“ und der Lindwurm der 50 km und 25 km-Läufer läuferisch Fahrt aufnimmt.
Nur ein paar Schritte weiter biegen wir schon ein auf den Marktplatz, den Mittelpunkt der Gmünder Altstadt, ein. Schöne Patrizierhäuser in einem Stilmix aus Fachwerk, Barock und Rokoko, säumen den langgezogenen Platz. Aber im allgemeinen Getümmel dürften wohl die wenigsten Gedanken oder Blicke auf diese Umgebung verschwenden. Ehe wir uns versehen, verlassen wir am anderen Ende über die Ledergasse den Platz schon wieder und erreichen kurz darauf das westliche Ende der Altstadt.
Dort erwartet mich unvermittelt ein echter „eyecatcher“. Ein mächtiger, in der Sonne golden glänzender Kubus mit unregelmäßigen Kanten und wie eingestanzt wirkenden quadratischen Fenstern in allen Größen baut sich vor mir auf. „Forum Gold und Silber“ nennt sich der Komplex, der erst 2014 anlässlich der Landesgartenschau entstanden ist, und einen krassen optischen Gegensatz zum eher beschaulichen Umfeld bildet. Ich bin beeindruckt – ein „irres Teil“.
Vorbei am Stadtgarten folgen wir ein kurzes Stück dem Waldstetter Bach, ehe es entlang der Katharinenstraße weiter aus der Stadt hinaus geht. Vorbei kommen wir an der Schwerzerhalle, was insofern erwähnenswert ist, als hier für denjenigen, der bereits am Tag vor dem Lauf anreist, ein kostengünstiges Hallenquartier inklusive Shuttlebusverbindung zum Start geboten wird.
Nicht mehr lange dauert es und wir tauchen, dem Verlauf des Remstales folgend, ein in die Natur und dürfen das erleben, was – neben den drei Bergen – das Markenzeichen des Albmarathons ist: Die herbstlich, in allen möglichen Gelb- und Rottönen eingefärbten Laubwälder. Zumeist auf schmalen, für Tourenradler prädestinierten Asphaltwegen geht es in leichtem Auf und Ab dahin. Ein stetes Rauschen begleitet uns. Dessen Ursache ist allerdings nicht die Rems, die überaus still und meist unsichtbar vor sich hin fließt, sondern die B29, mit der wir uns das Naturidyll teilen müssen. Zu sehen ist von der Straße allerdings ebenfalls so gut wie nichts.
Das ändert sich erst ab km 6. Denn hier schwenken wir nach Süden ab und folgen dem Verlauf des Beutentals. Weiterhin bestimmt ein mal asphaltierter, mal geschotterter Radweg unseren Laufparcours durch Wiesen und Wälder. Zunächst nur leicht, dann aber immer stärker machen sich die Anstiege bemerkbar, doch das Laufen durch die herbstliche Natur ist weiterhin überaus entspannend.
Aus dem Tal hinaus schwingt sich nach 10 km unser Weg hinauf bis zum „Wäscherschlössle“, einer über dem Beutental thronenden, fachwerkgeschmückten Miniburg. Unterhalb der Festungsmauern umkurven wir das „Burgzwergerl“. Vorbei am Fachwerkidyll des Wäscherhofs treten wir hinaus in offenes Gelände. Und zum ersten mal sehe ich im dunstigen Gegenlicht am Horizont daraus aufragend unseren ersten „Berg“: den Hohenstaufen.
Mein erster Eindruck, nun ja: Furchterregend ist etwas anderes. Als sanfter, bewaldeter Kegel hebt sich der Staufen von der Umgebung ab. Ganz interessant: Der Form hat der Berg seinen Namen zu verdanken. Denn diese erinnert an einen umgedrehten Kelch, den man im Mittelalter auch „Stauf“ nannte. Wie der Rechberg und der Stuifen zählt der Hohenstaufen zu den sogenannten Zeugenbergen So bezeichnet man Berge, die nicht durch Faltung der Erdoberfläche, sondern durch Erosionsvorgänge von den umliegenden Gesteinsschichten abgetrennt wurden und als Berginseln bestehen blieben.
Luftliniengemessen wäre der Hohenstaufen gar nicht weit weg, doch die Veranstalter sehen eine behutsame Annäherung vor und so beschreibt der Kurs hin zum Berg einen weiten Bogen. Der führt uns zunächst durch das ruhige Wäschebeuren und dann weiter durch saftig grüne Wiesen und Felder, durchbrochen von den Farbinseln der herbstlichen Bäume. Zunächst recht flach, dann immer mehr ansteigend, geht es dahin. Näher und näher rückt der Kegel. Gerade recht kommt die Verpflegungsstation direkt am Fuße des Berges, die von einer Armada von THW-Helfern gemanagt wird.
Der finale Gipfelsturm steht an. Nachdem wir von Wäschebeuren aus by the way und ganz allmählich bereits etwa 180 Höhenmeter bewältigt haben, sind es nurmehr gut 100 Höhenmeter bis zum Gipfel des Hohenstaufen (684 m üNN). Aber die haben es zugegebenermaßen in sich: Wir tauchen ein in ein dichtes Blättergewölbe, durch das sich der laubbedeckte Pfad um den halben Berg herum steil nach oben schraubt. Einige versuchen es zunächst noch schnaufend mit Trippelschrittchen, doch schnell setzt sich auch bei ihnen die Einsicht durch: Marschieren ist das Gebot der Stunde. Wobei „Stunde“ hier der unpassende Ausdruck ist, währt die kollektive Wanderung doch nur ein paar Minuten. Dann haben wir nach 18 km das Gipfelplateau erreicht. Bereits im 11. Jahrhundert wurde hier die Stammburg des Adelsgeschlechts der Staufer, die ehemalige Burg Hohenstaufen, errichtet. Nach ihrer Zerstörung im Bauernkrieg 1525 wurde die Ruine wenig später als Steinbruch für den Bau des Göppinger Schlosses genutzt und die verbliebenen Reste wurden im Laufe der Jahrhunderte weiter abgetragen. Heute sind nur noch Fundamente sichtbar, sodass man schon die Fantasie bemühen muss, um sich vorzustellen, dass hier einst eine stolze Burg gestanden hat. Wobei das angesichts der genialen Lage und Aussicht nicht schwerfällt.
Viel Zeit zum Fantasieren bleibt nicht. Denn nach einer Kehre geht es auf gleichem Weg schon wieder vom Gipfel herunter. Jetzt darf ich die Entgegenkommenden beim Schnaufen beobachten und bemitleiden. Noch ein Stück weit setzt sich der schöne Pfad, nun flach am Fuße des Berges oberhalb des gleichnamigen Ortes entlang führend, fort, dann treten wir hinaus auf weite Wiesen und genießen einen unglaublichen Fernblick.
Vom sogenannten Aasrücken, dem Kamm einer langgezogenen, welligen Hügelkette, überblicke ich nach links und rechts bis zum fernen Horizont die grün-gelbe Landschaft und darin als Einsprengsel eingebettet zahllose Dörfer. Der markanteste Punkt in diesem Panorama liegt aber ein paar Kilometer entfernt sozusagen direkt vor meiner Nase: Es ist der Rechberg, unser nächstes Bergziel. Zumindest von Weitem wirkt der Rechberg wie ein Klon des Hohenstaufen. Der Detailblick wenig später wird jedoch zeigen: Dem ist ganz und gar nicht so.
Zunächst einmal gilt es jedoch den Aasrücken zu bewältigen. Touristisch bekannt ist dieser als Panoramawander- und radweg. Und eben jenem Radweg folgen wir, mal auf Asphalt, mal auf Schotter nach dem Motto „auf und nieder, immer wieder“. Direkt am Fuße des Rechbergs angekommen müssen wir uns zunächst noch etwas gedulden und der Straße durch den gleichnamigen Ort folgen. Der Klang beherzter, wenn auch nicht immer ganz tonsicherer Blechbläser lässt schon von Weitem erahnen, dass wir erwartet werden. Und tatächlich: Direkt an der Bläsertruppe vorbei werden wir von der Straße auf einen breiten Weg geleitet, der uns in einer Schleife weitere 100 Höhenmeter steil nach oben entführt.
Anstrengend, aber gleichermaßen wunderschön ist dieser Weg. Zunächst ist es der Blick durch die luftigen hohen Bäume in die Tiefe, der mich ablenkt. Dann erspähe ich die Ruine Hohenrechberg, die ein Stück weit unterhalb des Gipfels aus dem bewaldeten Berghang ragt. Genauso alt wie die Burg Hohenstaufen ist sie, doch im Gegensatz zu dieser in einem unvergleichlich besseren Erhaltungszustand. Mehr als ein kurzer Distanzblick ist mir jedoch nicht vergönnt. Im weiteren Verlauf wird es ausgesprochen heilig. Denn der weitere Weg durch den Wald nach oben wird von von vierzehn Stationen eines Kreuzwegs gesäumt. Kein Wunder: Auf dem nahen Gipfel lauert die barocke Wallfahrts- und Pfarrkirche St. Maria, ein beliebtes Wallfahrtsziel.
Die dort ankommenden Läufer haben allerdings ein sehr viel weltlicheres Ziel: Knapp die Hälfte der Läufer passiert nach einer Weiche bei km 25 auf 700 m üNN die Zielmatte und belagert glücklich und erschöpft sogleich die Zielverpflegung. Der Rest darf gleichfalls ein Päuslein bei Speis und Trank einlegen, muss sich jedoch dann von der herrschenden Jubel-Trubel-Stimmung verabschieden und sozusagen den Hinterausgang nehmen. Vorbei an der malerischen Kirche geht es auf der anderen Bergseite auf einem schmalen, durch Laub und Moos teils rutschigen Pfad im Zickzack jäh in die Tiefe. Was ein Glück, dass der Untergrund nicht auch noch feucht ist!
Aus dem Bergwald hinaus tretend gelangen wir erneut in den Ort Rechberg. Und können gar nicht so weit weg schon Teil drei unserer Bergtour ausmachen: den Stuifen.
Bis weit zum Horizont zu überblicken ist das schmale Asphaltband des sich durch Wiesen und Felder windenden Radweges, auf dem sich die Läufer als kleine bunte Punkte verlieren. Immer deutlicher baut sich der Stuifen vor uns auf. 28 km liegen hinter mir, als ich die Dreifachweiche am Fuße des Stuifen erreiche. Ein wildes Geflecht von lila Pfeilen am Boden markiert, wer wohin zu laufen hat. Da nicht jeder Läufer so viel Abstraktionsvermögen besitzt, das Pfeilrätsel richtig zu lösen, dirigieren zudem Helfer die jeweils Ankommenden in die richtige Richtung, während ein Trupp Sanitäter entspannt dem Sonnenbad frönt. Zu tun gibt es für sie zum Glück nichts.
Schon auf dem Streckenplan schaut der bevorstehende Kurs ein wenig kompliziert aus, tatsächlich ist es aber halb so wild. An der Weiche beginnt und endet ein doppelter Rundkurs mit einer inneren und einer äußeren Runde auf und um den Stuifen, letztere garniert mit einer Zusatzschleife. Alles klar? Speziell bei der inneren Runde gibt es heuer eine Neuerung in der Streckenführung, die allerdings nur die alten Hasen unter den Mitläufern als solche erkennen können. Für mich ist als Alb-Novizen letztlich alles neu.
Los geht es mit der inneren Runde. Sie führt uns auf den profilmäßig wohl anspruchsvollsten Part des Albmarathons. Wem die Veranstaltung bisher zu wenig Trail-Feeling bot, der kommt spätestens hier auf seine Kosten. Zum Einstieg führt uns ein schmaler Single-Pfad zunächst noch leicht ansteigend und locker zu belaufend durch die bewaldete Bergflanke. Jäh ändert sich jedoch die Richtung und der morastige Pfad schraubt sich über Stock und Stein direkt den Hang empor. Keuchend und wortlos schleichen die Läufer, einer nach dem anderen, den steilen Abhang empor. Bei Nässe und Matsch wäre dieser Part mit normalen Laufschuhen wohl nur krabbelnd zu bewältigen. Wohl dem also, der griffige Trail-Treter unter seinen Fußsohlen hat. Auf den Gipfel (757 m üNN) kommen wir allerdings nicht, sondern erreichen lediglich einen Scheitelpunkt etwa dreißig Meter unterhalb. Das Gipfelerlebnis wäre ohnedies wohl ein eher bescheidenes gewesen, ist doch der Stuifen, bar jeder Burg, Kapelle oder sonstigem Menschenwerk, auch am Gipfel komplett bewaldet. So geht es auf einmal unvermittelt wieder talwärts, nicht mehr ganz so steil, aber seine Sinne, vor allem den Gleichgewichtssinn, sollte man auch hier stets unter Kontrolle haben.
So plötzlich, wie ich den Wald betreten habe, bin ich auch wieder draußen und lasse mich, erneut an der Weiche eintrudelnd, in eine neue Himmelsrichtung dirigieren. Sehr viel gemütlicher lässt sich die „äußere“ Runde am Fuße des Stuifen an. Ein Schotterweg führt uns durch eine weite, offene Wiesenlandschaft. Fahnen markieren eine weitere Verpflegungsstelle. Konditionell geplättet süffle ich mich durch das Getränkesortiment: Wasser, Isogetränk und Tee, Cola und Bouillon, nichts ist vor mir sicher. Danach geht es mir besser. Bananen und Energy-Riegel, Weißbrot und Salzbrezeln gibt es auch, aber die mittlerweile an die 20 Grad Celsius signalisieren mir nur eines: Durst. An dieser Stelle ist es an der Zeit, ein großes Lob an die auch ansonsten ausgezeichnete Versorgung auszusprechen, mit der die Läufer alle paar Kilometer verwöhnt werden. Verdursten und verhungern muss hier wahrlich niemand. Und emotionalen Zuspruch gibt es obendrauf.
Der Verpflegungsposten kennzeichnet gleichzeitig den Abzweig zur bereits erwähnten Zusatzschleife, die ein ganz spezielles Ausflugsziel ansteuert. Ein Asphaltweg führt zunächst in einem Bogen weg vom Stuifen, bis wir bei Tannweiler ein letztes Mal einen steilen Weg den Hang hinauf nehmen müssen. Erst oben angekommen wird unser Ziel sichtbar: Die winzige, dem Heiligen Leonhard geweihte Reiterleskapelle. Dreihundert Jahre alt ist die Kapelle, doch die ausladende Linde, die sie fast schon umschlingt, soll nochmals hundert Jahre älter sein. Auf einem lauschigen Waldpfad, dann weiter auf dem schon bekannten Asphaltweg geht es zurück zum Verpflegungsposten und damit zum Stuifenrundkurs. Gut 35 km sind geschafft. Und ich bin es auch.
Die nächsten Kilometer, auf einem Forstweg durch einen zumeist blickdichten Wald um den Stuifen herum führend, erlebe ich als so etwas wie ein läuferisches Waterloo. Nichts geht mehr und selbst die kleinsten Steigungen lassen mich, welche Schmach, zum Walker mutieren. Irgendwann habe ich es dann doch zum dritten Mal bis zur Weiche geschafft, wo die „Sanis“ noch immer die Sonne anbeten, ansonsten aber nun tiefe Ruhe eingekehrt ist.
Landschaftlich so richtig schön und abwechslungsreich sind einmal mehr die nächsten Kilometer. Im Licht der Nachmittagssonne feiert die herbstliche Natur weitere Farborgien. Auf einsamen Wegen geht es tendenziell bergab, auch wenn mich immer wieder kleine Gegenanstiege ausbremsen. Mal geht es vorbei an knorrigen Obstbäumen, mal über raschelnde Laubteppiche in dichtem Wald. Friedlich grast eine Herde Lamas auf einer Weide. Stetig neue Perspektiven und Ausblicke eröffnen sich vor meinen Augen. Eine Perspektive der besonderen Art ist auch der frische Käsekuchen, den eine freundliche Helferin an der Verpflegungsstelle bei km 38 den begeisterten Ankömmlingen kredenzt. Vorbei an Waldstetten cruisen wir durch die Natur bis Straßdorf, wo wir uns doch tatsächlich für 200 Meter den Weg mit einer richtigen Straße teilen müssen.
Auf eisenbahn-historischem Kurs bewegen wir uns ab km 43, konkret auf der ehemaligen Trasse der Hohenstaufenbahn, die seit 1911 die Städte Göppingen und Schwäbisch Gmünd verband. Nachdem der Streckenbetrieb – das Schicksal vieler Nebenstrecken teilend – dem Rotstift zum Opfer fiel, wurde die Trasse kurzerhand rückgebaut und seit 1990 durch einen Fahrrad- und Wanderweg ersetzt. Des einen Leid, des anderen Freud: Die superflachen finalen Kilometer geben wir die Chance, mein angeknackstes Läufer-Ego aufzupäppeln und in meditativem Flow Schwäbisch Gmünd entgegen zu schweben. Schon bei km 46 dürfen wir einen Panoramablick über die nahe Innenstadt werfen, doch Gemach: Zunächst einmal ziehen wir daran vorbei und weiter hinaus in die westliche Peripherie.
Schließlich ist es soweit: Über eine Brücke queren wir Gmünds Hauptausfallstraße und setzen über bis direkt ans Ufer der Rems. Eine letzte Erfrischung erwartet uns bei bei km 48, dann geht es entlang des stillen Flusses direkt der Altstadt entgegen. Am modernen Congress-Centrum und am Stadtgarten vorbei halte ich direkt auf den mittelalterlichen Fünfknopfturm zu. Gmünds Altstadt ist erreicht. Dem Kopfsteinpflaster der Bockgasse folgend schließt sich unter dem Zielbogen auf dem Johannisplatz vor dem Prediger der 50 km-Kreis.
Kurz darauf genieße ich schon mein kühles Zielbier – uuh, das „zischt“ (Erdinger sei Dank). Ja, jetzt kann auch ich mitreden, wenn es um den Albmarathon geht. Und kann eigentlich nur noch einmal bestätigen, was ich eingangs gesagt habe: Der Albmarathon ist etwas Anderes und Besonderes, und das im positiven Sinne. Eine Laufveranstaltung so richtig zum Wohlfühlen, auch wenn einem die 50 km und die drei Berge Einiges abverlangen. Ich komme gerne wieder.