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27.10.18 - Sparkassen Alb Marathon

Drei Kaiserberge, aber kein Kaiserwetter

Mit seiner 28. Austragung gehört der Albmarathon in und um Schwäbisch Gmünd zu den Klassikern in Baden Württemberg. Wobei es sich nicht um einen klassischen Marathon, sondern um einen Ultramarathon handelt. Fünfzig Kilometer und 1100 Höhenmeter sind beim Albmarathon zu bewältigen. In diesem Jahr findet in Schwäbisch Gmünd auch das Finale des Europacups im Ultralauf statt. Für mich wird die Teilnahme eine Premiere und so bin ich schon gespannt, was mich in der größten Stadt im Remstal erwartet.

Ich reise schon am Abend zuvor an und plane genügend Zeit ein, um meine Startnummer noch vor 20:00 Uhr im Prediger, einem ehemaligen Dominikanerkloster direkt in der Altstadt, abzuholen. Erste Zelte stehen schon, der Startbogen wird gerade montiert. Hier bin ich richtig. Meine Startnummer habe ich wenige Minuten später auch schon in Händen.

Als ich am nächsten Morgen vor die Tür meines Hotels trete, muss ich feststellen, dass der Wetterbericht leider recht behalten hat. Konnte ich bei meiner Anfahrt am Vortag noch die schöne Landschaft der schwäbischen Alb genießen und herrliche Aussichten bewundern, muss ich mich für heute wohl von diesen Gedanken verabschieden. Über Nacht hat es geregnet und es ist empfindlich kalt. Drei Grad zeigt  das Thermometer und ich frage mich, ob ich die richten Laufklamotten ausgewählt habe: Kurze Laufhosen, ein kurzes Shirt und eine dünne Regenjacke. Aber was soll's, was anderes habe ich heute nicht dabei, also muss es reichen.

Als erstes läuft mir Sybille aus Augsburg in die Arme. Sie ist wirklich schnell und scheint deutlich besser auf die Bedingungen eingestellt zu sein, als ich. Wir unterhalten uns kurz, bevor nach und nach immer mehr Lauffreunde eintrudeln. Schon eine Stunde vor dem eigentlichen Start gehen ganz offiziell einige Läufer auf die Strecke, die sich für den sogenannten Genusslauf angemeldet haben. Dieser bietet Läufern, die Zweifel haben, das Ziel innerhalb des Zeitlimits von 7:30 Stunden zu erreichen, die Möglichkeit, das ganze stressfrei anzugehen. Darunter ist auch M4Y-Urgestein Eberhard Ostertag nebst Begleitung.

 

 
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Dann sind wir an der Reihe. Immerhin ist es trocken, doch es ist lausig kalt. Die Straße vor dem Startbogen ist gut gefüllt. Mit uns starten die Staffel- und die 25-Kilometer-Läufer. Für den 50km-Marathon sind gut 300 Läufer gemeldet. Ob alle ihr Ziel bei diesen Bedingungen erreichen werden, wage ich jedoch zu bezweifeln. Doch dann geht es los. Die letzten Sekunden werden gemeinsam heruntergezählt und schon bald laufen wir durch die historische Altstadt von Schwäbisch Gmünd und werden von zahlreichen Zuschauern verabschiedet. Die ersten Kilometer sind gut zum Einrollen. Nach der Fußgängerzone geht es durch ein Stadttor und durch die Stadt flach dahin. Ich finde relativ schnell mein Wohlfühltempo.

Kurz nach Schwäbisch Gmünd erreichen wir das Beutental, die ersten Höhenmeter liegen vor uns. Auf einem Waldwanderweg geht es stetig, aber nicht allzu steil nach oben. Es ist noch gut zu laufen. Die Strecke macht schon jetzt Laune. Herbstlich gefärbte Laubbäume säumen den Weg. Bei Kilometer 7 erreichen wir auch schon die erste Verpflegungsstation. Es gibt Wasser und warmen Tee, den ich bei diesen Bedingungen eindeutig bevorzuge.

 

 
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Es geht weiter in Richtung Wäschenbeuren. Die Strecke ändert sich auf den nächsten Kilometer kaum. Er geht stetig nach oben, aber gelegentliche Bergabpassagen lassen einem auch wieder Zeit zum Erholen. Nach einem kurzen, knackigen Anstieg liegt das Wäscherschlössle vor bzw. über uns. Es wurde zwischen 1220 und 1250 erbaut. Einer Legende zufolge soll Kaiser Barbarossa auf dem Rückweg von den Gräbern seiner Vorfahren zur Burg Hohenstaufen hier Rast gemacht haben. Dabei hat er sich in eine Wäscherin verliebt und ihr kurzerhand die Burg geschenkt. Das Ortswappens von Wäschenbeuren geht aber auf Konrad den Wascher zurück. Es gibt noch zählreiche weitere Mythen über das Wäscherschlössle, die man sich bei Führungen durch die Burg erzählen lassen kann. Dafür ist aber heute nicht die Zeit. Wir durchlaufen die kleine Ortschaft Wäscherhof und erreichen wenig später die zweite Verpflegungsstelle bei Kilometer 12.

Die nächste VP wartet schon weitere  vier Kilometern weiter auf uns, doch bis dahin passiert genau das, was ich am wenigsten gebrauchen kann: Es beginnt zu regnen und es wird richtig ungemütlich. Innerhalb kürzester Zeit habe ich eiskalte Hände. Handschuhe wären jetzt richtig und auch sonst ist meine Kleidung wenig passend. 

Durch die nebelverhangene graue Landschaft kann ich den Hohenstaufen erkennen, den ersten der drei Kaiserberge, den es zu bezwingen gilt. Doch zuvor gibt es noch eine kleine Verpflegungsstation. Ich greife mir wieder einen Becher Tee. Danach geht es nach oben.

Der Name des Hohenstaufen kommt von der alten Bezeichnung „Stauf“ für einen spitzen, kegelförmigen Berg, abgeleitet von „staupa“, was so viel wie steil bedeutet. Und so geht es nun auch nach oben. Die ersten Meter geht es über einen Trampelpfad, der vom Regen aufgeweicht und glitschig ist, so dass ich in die Wiese ausweiche, die mehr Trittsicherheit verspricht. Etwas besser wird es, als wir den eigentlichen Wanderweg nach oben erreichen. Die vor mir Laufenden kommen mir teilweise schon wieder entgegen, denn auf dem Hohenstaufen ist bei Kilometer 18 ein Wendepunkt. Oben angekommen, sehe ich die Ruine der Stammburg der Staufer, die ehemalige Burg Hohenstaufen. Auf einer Tafel wird das Panorama erklärt, dass ich heute jedoch nur erahnen kann.

 

 
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Ich wende bei Kilometer 18, was ein Helfer mit laufender Kamera überwacht. Wie gewonnen, so zerronnen, die erlaufenen Höhenmeter gibt man auf demselben Weg wieder ab. Auch beim Bergablaufen muss man nun höllisch aufpassen, der Weg ist teilweise rutschig. Das feuchte Herbstlaub macht es nicht unbedingt besser. Etwa auf der Hälfte des Abstiegs kommt mir Kati entgegen. Sie kündigt schon mal an, dass sie bei Kilometer 25 die Möglichkeit des Ausstiegs nutzen wird. Ihr ist kalt und sie will nicht mehr.

Beim zweiten Kaiserberg werden diese 25 Kilometer erreicht. Es hört auf zu regnen.  Für den Nachmittag war eine leichte Wetterbesserung angesagt, was offenbar zutrifft.  Kalt ist mir dennoch und ich versuche, etwas schneller zu laufen, die Strecke gibt es her, sie ist leicht wellig. Auf einem Geh- und Radweg laufen wir dem Asrücken zu und erreichen die vierte VP. Ein paar hundert Meter müssen wir hier wieder steil nach oben und schon kann ich mir meinen nächsten Becher Tee abholen. Die Stärkung ist dringend notwendig, denn der Rechberg will als nächstes bewältigt werden. Ich habe Axel eingeholt,  wir wollen jetzt gemeinsam laufen. Schon viele Läufe haben wir gemeinsam beendet und es tut gut, endlich einen Laufpartner an der Seite zu haben. Die Gespräche lenken etwas von der Kälte und von der Anstrengung ab.

Bis auf 708 Meter müssen wir hinauf, wir kommen gut voran, es gibt nur gelegentlich ein paar  rutschige Stellen. Mitten im herbstlichen Wald steht plötzlich ein aquäduktähnliches Bauwerk vor mir. Es ist die Zugangsbrücke zur Ruine Hohenrechberg. Die Burg wurde zwischen 1200 und 1250 vermutlich durch Ulrich von Rechberg erbaut. Von 1448 bis 1450 plünderten Krieger aus Schwäbisch Gmünd und Schwäbisch Hall die Umgebung der Burg, wagten es jedoch nicht, diese anzugreifen. Im Bauernkrieg 1525 wurde die Burg allerdings niedergebrannt. Wieder aufgebaut, überstand sie den dreißigjährigen Krieg und die französischen Revolutionskriege unbeschädigt. 1865 löste ein Blitzschlag einen Brand aus und ruinierte die Burg, die seit dem Jahr 1977 in die Liste der herausragenden Sehenswürdigkeiten an der Straße der Staufer aufgenommen wurde.

 

 
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Eine 20köpfige Musikgruppe Kapelle interpretiert etwas eigenwillig „Wannsee“ und stimmt so auf das Finish der 25km-Läufer ein.  Wir laufen weiter auf die zweite Hälfte.  Auf einem schmalen Teerweg stürmen Axel und ich ins Tal.  Zwei der Kaiserberge liegen nun hinter und nur noch einer vor uns. Der Stuifen ist das nächste Ziel bei Kilometer 30. Bis dahin gibt es kaum nennenswerten Steigungen. Erst bei Kilometer 28 beginnt der Anstieg. Wieder handelt es sich um eine Begegnungstrecke, auf der man einige bekannte Gesichter trifft, die den Stuifen schon bezwungen haben. Mit 757 Metern ist er der höchste der drei Kaiserberge, also noch einmal eine ordentliche Aufgabe. Eine Helferin leitet uns auf den „Ho Chi Minh-Pfad“, auf den auch ein handgemaltes Schild hinweist. Schon nach wenigen Metern liegt ein herrlicher Trail vor uns und es macht richtig Laune hier zu laufen.  Gut einen Kilometer geht das so, dann steht der letzte giftige Anstieg an. Steil geht es nach oben. Wieder ist es matschig und man muss höllisch aufpassen, um nicht auszurutschen.

Erschöpft und glücklich meistern wir den Stuifen. Wir nehmen ein paar Meter Umweg in Kauf, um vor dem zwölf Meter hohen Holzkreuz, das 2011 aufgestellt wurde, ein Erinnerungsfoto zu schießen. Danach machen wir uns wieder auf den Weg nach unten. Die Oberschenkel rebellierten nun ab und zu auf dem steilen Abstieg, was ich aber ignoriere. Gut 35 Kilometer und die allermeisten Höhenmeter sind bewältigt. Nur noch ein paar kleinere Hügel liegen vor uns.

 

 
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Ungefähr bei Kilometer 36 macht mich Axel auf die „Reiterles Kapelle“ aufmerksam. Eine schlichte Kapelle, die mir sicherlich entgangen wäre. Über der Eingangstür kann ich die Jahreszahl 1714 erkennen. Da soll sie erbaut worden sein. Doch ob dem wirklich so ist, darüber ist man sich bis heute nicht im Klaren. Eine neben der Kapelle stehende Linde wurde auf etwa 350 Jahre geschätzt und man denkt, dass sie bei der Fertigstellung der Kapelle dort gepflanzt wurde. Sie wäre also wesentlich älter.  

Interessant finde ich immer die Geschichten, die sich um ein Bauwerk spinnen. So eine erzählt mir Axel von der Reiterles Kapelle, die ihr wohl auch den Namen gab. Der wohlhabende Bauer Reuterle soll zu später Stunde nach dem Begräbnis des Hauptmannes Joachim Berchtold von Roth im Februar 1621 auf dem Heimweg vom Leichenschmaus gewesen sein, als dieser plötzlich auf einem kopflosen Pferd an ihm vorbeireitet, begleitet von einer Meute kopfloser Hunde. Reuterle ist  tief erschrocken, grüßt aber dann ehrfürchtig den Geist. Dieser ruft erzürnt: „Würde ich dich nicht kennen, zu Zunder und Fetzen zerrisse ich dich!“ Anschließend stürmt die Geisterschar weiter. Bauer Reuterle fällt in Ohnmacht und als er aus dieser erwacht, schwört er, für die Seelenruhe des Freiherrn von Roth eine Kapelle zu errichten.

Inzwischen regnet es wieder leicht  und es wird noch ungemütlicher.  Wir durchlaufen ein paar Waldstücke und schlittern  eine matschige Wiese bergab und sind dann auf dem letzten Streckenabschnitt und den letzten zehn Kilometern. Auch hierzu weiß  Axel etwas berichten. Wir laufen nämlich bis zum Ortseingang von Schwäbisch Gmünd auf einem Damm. Das ist etwas sonderbar, da weit und breit kein Fluss oder See zu erkennen ist, der die Aufschüttung eines Damms erklären würde. Es handelt sich aber um eine alte Bahntrasse, die zum Geh- und Fahrradweg umgebaut wurde. Wir werden auch noch ein Haltestellenschild des ehemaligen Bahnhofs Schwäbisch Gmünd-Süd passieren, auch wenn es das Gebäude dazu schon lange nicht mehr gibt.

Am Ende erreichen wir wieder Schwäbisch Gmünd, schlängeln uns durch die Straßen und um ein paar Ecken und finden uns schließlich in der Fußgängerzone wieder. Gemeinsam erreichen wir das Ziel und freuen uns über unser gemeinsames Finish. Wir nehmen unsere Medaille entgegen,  lassen uns auf ein alkoholfreies Weißbier im Verpflegungszelt nieder und  stoßen auf einen gelungen Ultra-Marathon an.

Trotz des Wetters haben wir einen schönen Lauf erlebt und ich denke, wenn irgendwann über den drei Kaiserbergen mal Kaiserwetter herrscht, komme ich gerne wieder, um dann die  wunderbare Landschaft so richtig zu genießen.

 

Informationen: Sparkassen Alb Marathon
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