Über ganze und halbe…
Unsere morgendliche Anreise erfolgt noch bei zeitweise dichtem Nebel, aber vom Wetterbericht ist der Durchzug eines Zwischenhochs angekündigt. In Schwäbisch Gmünd um 8 Uhr in der Früh kann man schon leise Ansätze davon erahnen, langsam beginnen sich die Nebelschwaden zu lichten. Von 1805 bis 1934 hieß die Stadt amtlich Gmünd, im örtlichen Sprachgebrauch ist das weiterhin eine gängige Bezeichnung. In der Innenstadt, in der Nähe der Startnummernausgabe suchen wir uns einen Parkplatz, allerdings ist das nur einen Kurzparkzone, sodass wir später noch einmal umparken müssen. Jan muss noch nachmelden und Hans und ich wollen auch erstmal unsere Startnummer in Händen halten, darum erledigen wir das lieber gleich.
Zentraler Treffpunkt für den Alb Marathon ist im Prediger am Johannisplatz und ein paar Meter davor erfolgt auch der Start und die Zielankunft. Unter diesem etwas seltsamen Namen verbirgt sich ein ehemaliges Dominikanerkloster, das heute als Kulturzentrum genutzt wird. Zudem befinden sich darin auch eine Galerie und ein Museum. Große Werbeplakate und –fahnen weisen derzeit auf eine Ausstellung mit 140 Lithographien und Zeichnungen von Théodore Géricault, Eugène Delacroix und Honoré Daumier aus dem 19. Jahrhundert hin. Neben dem Laufen kann ich mich auch für Kunst begeistern, das wäre durchaus auch was für mich. Leider beginnt die Werkschau erst am 6. November, daher kann ich sie nach dem Rennen – sofern ich da noch Lust hätte – nicht im Tagesprogramm unterbringen.
Im Eingangsbereich des Prediger ist eine kleine Marathonmesse und Tafeln mit Streckeninformationen untergebracht. Im ersten Stock befinden sich die Anmelde- und Nachmeldeschalter, wo auch reger Betrieb herrscht, aber lange muss keiner warten. Wer noch Lust auf ein zweites oder evtl. sogar auf sein erstes Frühstück hat, der ist hier auch richtig. Die Pokale für die Siegerehrungen sind vor der Bühne auch schon aufgebaut. Alle 50 km-Läufer haben in ihrem Starttüterl auch einen Gutschein für ein Shirt in bester Qualität, das im Erdgeschoß abgeholt werden kann. Die Zeitmessung erfolgt mit dem bibchip, der in die Startnummer integriert ist. Die großen orangen Ohren zur Zeiterfassung haben sich schon bei vielen Veranstaltungen durchgesetzt.
Das kurzfristige Innenstadtparken bringt uns jetzt aber leider doch noch in einen kleinen Zeitzwang. Die Parkplätze um das 850 m entfernte Sportzentrum, wo nach dem Lauf auch die Duschmöglichkeiten geboten sind, sind alle belegt. Das war taktisch schlecht gemacht, jetzt müssen wir uns noch auf Parkplatzsuche begeben. 15 Minuten vor dem Start treffen wir wieder im Prediger ein um unser Gepäck abzugeben. Alles in Allem stehen wir dann zwei Minuten vor dem Startschuss bereit. Zum Umschauen und Fotografieren bleibt jetzt leider für mich keine Zeit mehr. Die Schwaben sind pünktlich, daher geht’s um 10 Uhr los. Auf schwäbisch müsste ich jetzt sagen: „I frei mi scho a diesa scheena Okdobrsamschdag hir in da äldeschde Schdauferschdadd Gmünd z soi und mir jetza d Schtreck über d Kaiserbergle anzschaua“
Neben dem 50-er bietet die Veranstaltung noch einen Stafettenlauf für Hobby- und Betriebsmannschaften, den Rechberglauf über 25 km, einen 10-er und für die Walker & Nordic Walker 30 km. Als Besonderheit beinhaltet der Alb Marathon auch heuer wieder das Showdown des Europacups der Ultramarathons. Fünf der größten Ultramarathons Europas umfasst die Wertung. Die besten drei Teilnahmen in einem Kalenderjahr werden gewertet. Dabei werden die relativen Zeitdifferenzen auf die Siegerzeit mit einem streckenspezifischen Gewichtungsfaktor gewertet. Zu den Rennen gehören noch die 50 km von Mnisek pod Brdy (Tschechische Republik), der Rennsteiglauf mit 72,7 km, die Bieler Lauftage mit 100 km und die 75 km von Celje (Slowenien). Hans hat auch daran teilgenommen, aber leider spielten seine Hax’n nicht mit, so konnte er am Rennsteig und in Biel nur Teilziele erreichen, die nicht in die Wertung aufgenommen wurden.
Anlauf zu den Kaiserbergen
Die ersten Kilometer führen uns in einem „S“ durch die Stadt und etwas weiter am Ufer der Rems entlang hinaus. Nach vier Kilometern bekommen wir im Wald einen ersten kleinen Vorgeschmack, 35 hm geht’s rauf, aber auch gleich wieder runter. Hier treffe ich auf den Hansjürgen Jablonski, im Schottenrock gekleidet läuft er hier öfters mit, verfeinert hat er sein Outfit heuer aber noch mit einer großen Fahne mit schottischen Ornamenten. „Da hast du dir aber was vorgenommen“ spreche ich ihn an. „Ja, das geht aber nur über 25 km“ meint er. Wellig geht’s weiter durch den Wald des Beutentals bis zur ersten Getränkestation mit warmen Tee und Wasser. Ab km 7 wird es schon etwas beschwerlicher, ein erster längerer Anstieg ist jetzt bis nach Wäschenbeuren (km 10) zu bewältigen. Es ist nicht so sonderlich steil, dass man nicht bequem laufen könnte, aber es geht kontinuierlich nach oben.
Von unterhalb laufen wir auf Schloss Wäscherburg zu. Die ersten 180 hm sind hier bewältigt. Das Ortswappen von Wäschenbeuren leitet sich von einer Legende ab, demnach soll Kaiser Barbarossa hier gerastet und sich in eine Wäscherin verliebt haben. Daraufhin hat er ihr die Burg geschenkt. Zum ältesten, original erhaltenen Teil des Wäscherschlosses zählt die trapezförmige Umfassungsmauer aus dem 13. Jahrhundert. Bis 2008 diente es als Museum, in dem Musikinstrumente sowie Einrichtungsgegenstände und Arbeitsgeräte aus den vergangenen Jahrhunderten gezeigt wurden, ist aber derzeit geschlossen. In Wäschenbeuren fallen mir noch besonders die wunderschönen alten Fachwerkhäuser auf.