Stuifen
Nach zwei Kilometern übers Land mit moderaten Anstiegen auf gepflegten Teerstraßen haben wir den Fuß des Stuifen erreicht. Von oben kommen mir die Läufer entgegen, die die Schleife über den Gipfel schon hinter sich haben. Nach einem kurzen Stück Begegnung führt meine Strecke links ab in den Wald hinein, auf ihre Spuren. Wahrscheinlich in Anlehnung an den Bieler Hoh Tschi Minh Pfad, wurde der folgende Aufstieg auf dem Single Trail durchs Gehölz auch so getauft. Auf dem Schild steht Km 28,6/30, da kann ich mir jetzt wohl ausmalen dass der Pfad 1,4 km lang ist, ob er aber genau am höchsten Punkt endet weiß ich deswegen noch lange nicht.
Ich kenne den Bieler und den Vietnamesischen Namensvetter nicht, aber der hier hat es wirklich in sich. Rustikal über Wurzeln und Blätter führt der Weg steil nach oben. Obwohl mein Akku hier wirklich fast leer ist kann ich noch ein paar einzelne am Berg überholen. Für den knappen Kilometer ab Schild bis zum Gipfel benötige ich 12 Minuten und bin dort eigentlich restlos bedient. Aber ein phantastischer Überblick über das Schwäbische Monument Valley entschädigt mich dann doch für die viele Mühe.
Wie Monumente ragen die Silhouetten des Hohenrechberg und Hohenstaufen mit ihren markanten Kegelformen in den Himmel. Gar nicht mal von so weit hergeholt ist daher mein Vergleich mit wohl einer der berühmtesten, aus unzähligen Western und nicht zuletzt aus der Zigarettenwerbung bekannten Traumlandschaft. Wie auch der Stuifen und noch einige mehr in der Alb gehören sie zur Kategorie der Zeugenberge. Diese entstehen durch fortschreitende Erosion, bei der sich Flüsse und Bäche immer weiter in höher liegende Gesteinsschichten einschneiden. Wenn sich die Wasserläufe weiter oben wieder vereinigen, beginnt die Isolierung des Berges. Bei der Stufenzersetzung kann sich eine ganze Zeugenberg-Landschaft ausbilden wie in unserem Fall und auch das Monument Valley in Arizona/Utah in den USA zählt dazu.
Noch mehr Übereinstimmung bekomme ich, wenn ich mir alte Aquarelle von Pieter Francis Peters aus dem Jahr 1855 und Louis Mayer von 1836 ansehe. Die Schwäbische Alp und seine Kaiserberge sind noch deutlich karger und daher noch ausdrucksvoller dargestellt. Der Vergleich mit den „Buttes“ im Wilden Westen fällt mir da sehr leicht. Der Stuifen wurde im Übrigen erst 1850 bewaldet, vorher war er nur von einer Heide bedeckt. Die Aufforstung wurde aus Gründen des Hochwasserschutzes vorgenommen. Schaut euch die Kunstwerke an, ich hab sie der Galerie beigefügt.
Der Kontrolleur am Gipfel des mit 757 m höchsten der drei Kaiserberge hat mich notiert, also geht’s auch weiter. Wie bei den beiden vorhergehenden auch, ist der Abstieg wieder unangenehm steil, aber wenigstens schiebt’s mich von hinten an, so dass die Beine wieder in Bewegung kommen. Auf die dritte Begegnungsstrecke heute treffe ich etwa ab km 31. Auf dem geteerten Tannweilerweg kommen mir die jetzt 5 Kilometer vor mir liegenden entgegen. Anfangs ist die Straße noch leicht abschüssig, aber nach nur wenigen hundert Metern ist die Herrlichkeit zu Ende und die Straße wieder ansteigend. Bei km 33 begegnet mir Olaf, der auch einen m4y-Bericht beisteuert. Ein kurzer Small Talk ist immer drin.
Noch ein halber
Kurz danach geht’s wieder von der komfortablen Teerstraße rechts runter auf eine Schleife durch den Wald, beginnend mit einem weiteren knackigen Anstieg. Hinter mir höre ich den Erwin Bittel seinen Begleitern erklären: „Jetzt hamma no an halben, dann san die Berge gschafft“. Sein Lederhut ist in Läuferkreisen wohl so bekannt, wie der vom Crocodile Dundee. Natürlich ist er auch mehrfacher Wiederholungstäter beim Alb Marathon und weiß wovon er spricht. Oben auf dem „halben“ Berg kommen mir zum vierten Mal Läufer entgegen, das ist dann wohl so was, wie eine Begegnungsstrecke auf der Begegnungsstrecke. Jan kann ich entgegen kommend schnell abklatschen, bis zum Wendepunkt ist es nicht mehr weit und bald danach kommt auch eine Getränkestation. In dieser und der davor hab ich mir jedes Mal ein Gel reingequetscht, mal schaun ob das bei mir wieder für etwas Belebung sorgen kann.
Erst noch den „halben“ runter und dann auf der Teerstraße zurück führt der Weg abwärts bis zum Beginn der Begegnungsstrecke wo ca. 37 km hinter uns liegen. Nach einem weiteren kleinen Anstieg geht’s jetzt aber doch für ca. zwei Kilometer bergab. Steil, aber nicht allzu dramatisch und noch im verträglichen Bereich. Meine Gels zeigen Wirkung und es läuft doch wieder deutlich besser. Kurz vor Waldstetten ruft mir eine Läuferin nach: „Ja, hast du denn heute gar keinen Hasen dabei“. Ich bin natürlich sehr erfreut und das lob ich mir, sie muss nämlich m4y-Besucherin sein und meinen letzten Laufbericht gelesen haben.
Am Ortsanfang ist die nächste große Versorgungsstation aufgebaut. Über Wasser, Tee, Iso, Cola, Bananen, leckere Energieriegel bis zu verschiedenen Kuchenstücken und sogar Salzbrezeln ist alles im Angebot. Da greife ich natürlich herzhaft zu. Schleim gab es glaube ich auch, aber den habe ich lieber übersehen. Am Ortsende gilt es für uns aber wirklich die letzte Steigung für heute zu erklimmen. Deren Ende hält dann sozusagen zur Belohnung die Marathonmarkierung für uns parat. Jetzt sind es nur mehr lächerliche knapp 8 Kilometer auf der Ultradistanz bis ins Ziel. Kann man sich doch einreden, oder?