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09.11.14 - Sparnatrail

Der Champagner-Trail

Epernay gilt als inoffizielle Hauptstadt der Champagne. Die französische Stadt mit ca. 24000 Einwohnern bewirbt sich um die Aufnahme in die Liste der Weltkulturerbe. In der 940 m langen Avenue de Champagne haben die meisten großen und bekannten Champagner-Häuser ihren Hauptsitz, viele bieten auch Besichtigungen an. Manche der Gebäude aus dem 19. Jahrhundert wirken wie Paläste und nicht wie Firmenzentralen. Klotzen war in dieser edlen Branche schon immer sehr wichtig.

Unter der Stadt wurden insgesamt mehr als 120 km lange Tunnels in den Kreidefelsen gegraben. Bei konstanter Temperatur von 9-12 C lagern hier etwa 200 Millionen Flaschen Champagner. Diese Stollen sind die größte Sehenswürdigkeit der Stadt.  

 
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Eigentlich hatte ich vor, nach meinen 168 km beim UTMB Ende August und den 165 km beim Pfälzer Weinsteig Mitte Oktober einige Wochen dringend benötigte Regenerations-Pause einzulegen, doch als "mein" Verein LSG Karlsruhe beschloss, gemeinsam mit dem LT Ettlingen zu einem schönen Trail-Lauf in Ettlingens Partnerstadt Epernay zu fahren, wollte ich natürlich trotzdem mit. Mir war von Anfang an klar, dass es unvernünftig ist, nach meinem Mammutprogramm schon wieder 56 km schaffen zu wollen, zumal das Zeitlimit in Epernay eng ist und ich für meine Verhältnisse recht schnell laufen muss. Aber wegen des Vereins meldete ich mich an.

In den letzten zehn Tagen vor dem Lauf überlegte ich dennoch, ob ich besser auf die Mitteldistanz umbuchen oder ganz absagen sollte, denn meine körperliche und mentale Batterie war völlig leer. Doch die Strecke reizte mich. Ich beschloss, zu starten, ohne Druck, das Ziel unbedingt erreichen zu müssen.  Stattdessen einfach mal abwarten, wie weit ich komme. Eine sehr gute Entscheidung, denn ich erlebe einen wirklich empfehlenswerten Lauf.

Zum 19. Mal findet der Sparnatrail mit 56,7 km und 1388 Höhenmetern statt, zum 6. Mal wird auch eine kürzere Version mit 31,7 km und 940 Hm angeboten und erstmals gibt es auch einen Naturlauf mit 14,8 km und 350 Hm. Außerdem wird für Angehörige, die nicht laufen, eine 12 km Wanderung geführt.

Nur in dieser Region verarbeiteter Wein darf den geschützten Namen Champagner tragen. Rings um Epernay bedecken die Weinberge gewaltige Flächen. Gerade jetzt, Anfang November, färbt sich das Laub der Rebstöcke goldgelb, wodurch dieser Trail-Lauf zu einem herrlichen Farbenrausch wird.

Und wir laufen nicht nur über die Champagner-Berge. Alle Finisher der Ultradistanz sowie die Altersklassen-Sieger aller Läufe bekommen im Ziel eine Flasche Champagner und - man glaubt es kaum - im Ziel wird auch kostenlos Champagner für alle ausgeschenkt. 

Nach Besichtigung einer kleineren Champagner-Kellerei am Morgen fahren wir am Samstagmittag mit einem kleinen Zug durch die 18 km langen Stollen, die von der Firma Mercier im Jahr 1858 angelegt wurden. Unterwegs erfährt man mit Audio-Guide viel Interessantes über die Champagner-Herstellung. Zahlreiche Gips-Reliefs geben diesen Stollen auch eine künstlerische Note. 120.000 Besucher nehmen pro Jahr an dieser ausgesprochen faszinierenden Besichtigung teil. 

Die Startgebühr für den Ultratrail ist bei frühzeitiger Anmeldung mit 30 Euro sehr gering. Pastaparty und das Essen nach dem Lauf kann man sehr günstig dazu buchen. Schon die Pastaparty bietet mehr als viele andere Läufe. Salat, Pasta und danach wahlweise Obstsalat oder Joghurt, dazu kostenlos Wasser und Rotwein.

Da ich mich in den letzten Tagen sehr schlapp fühle, bin ich froh, dass wir nach der Pastaparty schon früh zu unserer Unterkunft fahren, denn ich brauche dringend noch ein paar Stunden Schlaf, um morgen einigermaßen fit zu sein. Doch direkt im Haus nebenan findet heute eine große Discoparty statt. An Schlaf ist kaum zu denken. Ich fühle mich schon beim Frühstück fast so müde wie am zweiten Morgen beim UTMB. Keine guten Voraussetzungen, um 8 Stunden mit knappem Zeitlimit zu laufen! 

Gegen 6.30 Uhr treffen sich alle in der Sporthalle. Um 7.30 folgt ein langsamer, gemeinsamer Lauf durch die Stadt zum Startgelände vor dem Rathaus. 7.45 beginnt dann das eigentliche Rennen. Während der ersten 29 km laufen Ultras und Mitteldistanzler gemeinsam.

Zuerst führt unsere Strecke durch die Avenue de Champagne mit ihren Champagner-Palästen. Dann zweigen wir nach links ab und kommen am imposanten Tour de Castellane vorbei, der natürlich auch zu einer Champagner-Firma gehört. Bei einer Besichtigung des Hauses und Museums kann man 237 Stufen hinauf auf 60 m steigen und den Rundblick auf die Weinberge genießen.  

 
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Dann folgen wir dem Ufer der Marne. Was sehe ich da auf dem Weg vor mir? Wasserpfützen und Schlamm! Sofort verbessert sich meine bisher recht lethargische Stimmung. Wie Ihr vielleicht wisst, bin ich ein ausgesprochener Schlamm-Fan. Vielleicht werden mir die nächsten Stunden doch mehr Spaß machen, als beim Start befürchtet. Nach einem kurzen Uferweg neben einem Kanal erreichen wir die Weinberge. Die ersten 8 km verlaufen fast eben, die letzten 10 km bieten auch nur wenige, kurze Aufstiege, die Höhenmeter verteilen sich daher überwiegend auf die mittleren 40 km. 

 
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Schließlich beginnt der erste Aufstieg. Für den Rest des Tages werden wir sehr viele Weinberge überqueren, ab und zu laufen wir aber auch durch Wald, über Wiesen und Felder. Die Strecke ist überraschend abwechslungsreich. Im Gegensatz zum angekündigten Regen scheint am Morgen oft die Sonne. Nur wenige Abschnitte sind steil. Stöcke braucht man auf diesem Trail nicht. Die herbstlichen Weinberge sind einziges Farbenmeer. Das ist ein wahrer Genusslauf. Jetzt macht es mir doch wieder so richtig Spaß und ich bin, trotz aller Erschöpfung gestartet zu sein! 

 
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Nach 17,5 km erreiche ich die erste Verpflegungsstelle. Zwei Stunden bin ich nun schon unterwegs, habe aber noch 30 Minuten Abstand zum Zeitlimit. Sehr erfreulich! Beim Sparnatrail gibt es nur zwei Verpflegungsstellen, aber die sind sehr gut ausgestattet. Es gibt eine gute Auswahl an süßen und salzigen Speisen, dazu Wasser, Cola, Kaffee und Tee.

Bei der Brücke über die Marne warten die Läufer der 14,8 Strecke auf ihren Start, der 15 Minuten nach den letzten Läufern erfolgt.  Wir passieren eine mit herbstlich bunten Bäumen geschmückte Allee. Dann folgt der längste Aufstieg des Tages, der uns steil den Berg hinauf führt. Oben geht es auf herrlichen, manchmal auch schön schlammigen Trails weiter. Jetzt bin ich restlos begeistert. 

Auf und ab, mal Felder, mal Wald, meist aber über Weinberge, überwiegend auf läuferfreundlichem Untergrund, breite Wege oder Trails auf weichem Boden, Gras, Schlamm – einfach toll!

An einem besonders schlammigen und rutschigen Streckenabschnitt überholen mich die schnellen 14 km Läufer. Wir Ultras stapfen mühsam durch den Schlamm bergauf, die Kurzdistanzler rennen mit Vollgas an uns vorbei. 

 
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Bei Kilometer 29 trennen sich die 31 km und die 56 km Strecke. Zeitlimit ist hier um 14 Uhr, ich habe hier noch 15 Minuten Reserve. Ich ignoriere meinen am Morgen gefassten Vorsatz, hier aus dem Rennen auszusteigen. Es ist einfach zu schön hier. Ich will wissen, welche Reize die Route noch zu bieten hat. Rein rechnerisch ist allerdings klar, dass ich absolut keine Chance habe, bei der nächsten Cut Off Stelle noch rechtzeitig durchzukommen, denn dazu müsste ich während der nächsten zwei Stunden meist laufen. Ich kann aber selbst leichte Steigungen nur noch gehen. Egal! Lieber DNF nach 44 km als jetzt schon aufzuhören! 

Ohne Zeitdruck kann ich nun die Strecke umso besser genießen.  Der zweite Abschnitt führt weg vom Marne-Tal zum Vallée du Cubry. Eine Stunde lang laufe und marschiere ich nun zusammen mit meinem Vereinskameraden Harald. Gemeinsam genießen wir die schönsten Weinberge der Strecke und steigen hinauf zu einer malerisch gelegenen Kirche.  

 
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Danach folgt ein kurzer, steiler Aufstieg, der in einen urigen Single-Trail mündet.  Was ist das denn? Vor uns führt eine unglaublich steile Schlamm-Rutsche bergauf. Ohne das dicke Seil, an dem man sich hier hinauf hangeln kann, wäre dieser Pfad eine kaum überwindbare Barriere.

"Klasse, K-UT!" jubelt Harald. Wir sind beide Fans des Keufelskopf UltraTrail, und daran erinnert uns dieses Seil. Oben laufen wir auf dem schmalen, sich durch dichte Vegetation windenden Pfad weiter. Dann folgt ein Abstieg, der ebenfalls an ein paar Stellen mit Seil gesichert ist, den wir aber auch ohne schaffen. 

Auf normalen Wegen erreichen wir schließlich die zweite Verpflegungsstelle, auch diese wieder mit fast allem ausgestattet, was Läufer sich wünschen. Die Helfer trinken hier gerade Champagner. Noch 65 Minuten für die 8 km bis zum nächsten Cut Off! Da ich mich inzwischen besser fühle als noch vor einer Stunde, beschließe ich, mein Tempo nun wieder zu steigern. Falls diese 8 km über leichte Strecken führen, könnte ich es vielleicht doch noch schaffen. 

Es geht weiterhin auf und ab, nun meist durch Wald oder über Felder, nicht besonders spektakulär, aber mit einigen kurzen Aufstiegen, bei denen ich langsam gehen muss. Achter-Schnitt klappt nicht! Doch als ich wegen nur 10 Minuten Verspätung bei km 44 meine Startnummer und den Zeitmess-Chip abgenommen bekomme, bin ich kein bisschen enttäuscht. Es hat sich für mich aber auf jeden Fall gelohnt, diese 44 Kilometer zu laufen.

Da es keine Rückfahrmöglichkeit gibt, ich aber nicht mehr die komplette restliche Strecke marschieren will, kürze ich auf einer direkteren Route ab. Ich fühle mich zwar wie eine Schnecke, habe aber ausgesprochen gute Laune. Erst etwa bei km 49 erreiche wieder die Original-Route und kann hier noch ein paar Fotos machen. 1,5 km später nimmt mich ein Helfer bei einer Straßenüberquerung mit dem Auto zum Ziel mit.

Nun betrete ich die Halle natürlich nicht auf dem Zieleinlauf-Teppich, sondern von der Rückseite. Das gebuchte Essen nach dem Lauf ist ein  ausgesprochen leckeres, kaltes Menü, sogar eine Pastete ist dabei. Wieder bekommen wir dazu Wein und zum Kuchen sogar Champagner. Das ist mal etwas anderes als immer nur Bier! Also nichts für Joe!

Für einen Tagesausflug ist die Fahrt nach Epernay zu weit, aber in Kombination mit dem Besuch der Champganer-Häuser, vielleicht auch mit Besichtigung der nahe gelegenen, äußerst sehenswerten Stadt Reims und anderen Regionen der Champagne, lohnt es sich wirklich. 

 

Informationen: Sparnatrail
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