Schräge Sachen finde ich prima. Besonders, wenn sie mit dem Begriff „Marathon“ in Verbindung zu bringen sind, und wenn die Arbeitskollegen noch vor Ort wohnen und mir einen davon vorschwärmen, ist meine Neugierde endgültig geweckt.
Pi-Lauf – was soll das denn sein? Im Rahmen des 41. Volkslaufs des TV Neunkirchen findet er bereits zum 14. Mal statt. Marathon, Zweidrittel-, Halb-, Drittel-, Viertel- und Zehntelmarathon - hatten wir alles schon. Wenn man die Marathonlänge durch eine mathematische Konstante, nämlich die Kreiszahl Pi – welche das Verhältnis eines Kreisumfangs zu seinem Durchmesser definiert – dividiert, hat man die wunderbare Streckenlänge von exakt 13,431 km. Die ist nämlich die längste Verbindung im Kreis des Marathons, wie wir als schlaue Mathematiker natürlich alle wissen.
Noch einen weiteren Riesenvorteil hat diese ungewöhnliche Streckenlänge: Sie ist absolut nicht mit anderen Läufen, z.B. der üblichen 10 km-Volkslaufstrecke, vergleichbar. Und wenn man noch die zu bewältigenden Höhenmeter berücksichtigt, deren 314 (Pi = 3,14) auf einen warten, steht die gelaufene Zeit völlig im luftleeren Raum. Klasse, das ist genau mein Ding und sowieso passend für einen Trainingslauf hinsichtlich großer kommender Aufgaben.
Getreu dem Wahlspruch der Turner mit den vier F „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ (nein, die stehen nicht für „Filzpantoffeln, Fernsehen, Fußball, Flaschenbier“) fahre ich in einer Dreiviertelstunde ins Bergische Land nördlich von Hennef, gute 10 km Luftlinie von Bonn entfernt und bin gespannt, was mich erwartet. Für günstige sechs Euro ist man dabei, es werden auch verschiedene Walkingstrecken sowie ein Bambini- und ein Staffellauf angeboten. Mist, Tempomachen ist doch angesagt, wie ich feststelle, denn wer zu spät (an)kommt, den bestraft das leere, selbstgebackene Kuchenbuffet. Das darf keinesfalls passieren.
Fünf Anstiege seien zu nehmen, gibt uns der rührige Sprecher noch mit auf den Weg, dafür ginge es aber auch jedes Mal wieder abwärts. Na prima. Da freut sich auch ein echter Star, die Ultralauflegende Helmut Urbach, der nach eigenem Bekunden nicht mehr laufen kann, was ihn aber nicht am ehrenhaften Finishen hindern wird. Den kennst Du nicht? Bildungslücke, der Seriensieger von Biel war der erste Mensch unter sieben Stunden. Auf 100 km mit 650 Höhenmetern, das sind deutlich unter drei Stunden über die Marathondistanz und das 2,38 Mal hintereinander! Auch mein Kollege Dirk ist dabei und wird am Ende einen Fön bekommen. Weniger wörtlich zu verstehen, denn als Gesamtfünfter schafft er es nicht aufs Treppchen der M 45, dort wird er (nur) Vierter. Und der Gesamtneunte gar nur Siebter in dieser Altersklasse!
In einem Affenzahn stürzen wir uns in die Strecke, die auf den ersten anderthalb km ein starkes Gefälle aufweist. Das überrascht mich nicht, da ich mich dort eingelaufen hatte. Trotzdem ist es nett, mal wieder eine km-Zeit von deutlich unter vier Minuten attestiert zu bekommen. Aber das kann ja nicht lange gutgehen. Schnell merken wir, daß die Strecke, die 10 km Waldwege beinhaltet, heute alle möglichen Beläge bietet: Asphalt, Schotter, Naturpfad, Matsch, auch kurze Wiesen- und Mulchstücke sind dabei.
Relativ schnell wird es einsam um mich, die 96 Männer und 22 Frauen verteilen sich rasch. Platz ist genug da, ein Überholen und Überholtwerden fast jederzeit möglich. Seit der zweiten Hälfte des ersten km laufen wir im Wald und da zeigt sich auch schnell die Kehrseite des schnellen Laufens bei dicker Bewölkung: das Fotografieren gestaltet sich schwierig, die Ausbeute wird heute dünn sein. Aber wenn es schon mal läuft, muß das ausgenutzt werden. Ich bin gespannt, wie lange ich das Tempo werde vergleichsweise hochhalten können. Unter den Füßen ist nicht viel, 212 g haben die Geländeschlappen mal neu gewogen.
Die ersten beiden km noch unter vier Minuten, der dritte bei viereinhalb, zeigen die ersten beiden Aufstiege Wirkung: deutlich über fünf Minuten werden für den vierten und fünften km festgehalten. Obwohl das für mich alles andere als schlecht ist. Günstigstenfalls hatte ich auf einen Fünferschnitt insgesamt spekuliert, aber selbst das ist sehr ehrgeizig. Der Wechsel zwischen An- und Abstiegen setzt sich fort. Nie dramatisch, aber auch immer abwechselnd, man muß wirklich etwas investieren. Die erste Verpflegungsstelle nach fünf km nehme ich schon gerne mit, obwohl die Temperatur mit etwa 12° wohl als ideal bezeichnet werden darf.
Die km sechs bis neun liegen alle bei plus/minus fünf min. Nach der zweiten Verpflegung bei km neun beginnt mich ein Mitläufer zu nerven. Plattfüßig und auf dem letzten Loch pfeifend läuft er dicht auf mich auf und macht es sich in meinem Windschatten gemütlich. Das kann ich gar nicht haben, wechsele die Seite (Außenbahn) und was macht der Knabe? Wechselt mit. Das Spielchen geht noch ein paarmal so weiter, zum Überholen scheint’s bei ihm nicht zu reichen, ich will nicht überziehen und überlege ernsthaft, abrupt stehenzubleiben. Dann endlich, an der nächsten Steigung geht ihm die Luft aus.
Ihn ersetzt ab sofort eine Mitläuferin, die allerdings kein Federlesen macht und mich kassiert. Womit ich nicht das geringste Problem habe, Leistung erkenne ich an. Dann zeigen sich mal wieder meine Defizite und Stärken: Am Berg komme ich heran, im Flachen und bergab ist sie wieder auf und davon. Die darf ruhig vor mir ins Ziel, sie hat es sich verdient. Ein Schild „Wende“, das sich bei km zehn wohl nicht auf die Strecke bezieht, lässt mich schmunzeln. Wäre ja auch zu blöd, drei km vor dem Ziel umzudrehen!
Ein letztes Mal gibt es Atzung bei km zwölf und dann geht mir das Herz auf. Ein superschöner Singletrail (muß man heute ja wohl sagen) erfreut Augen, Herz und Beine für den nächsten Dreiviertelkilometer. Klasse, so liebe ich das und gleichzeitig schade, daß nicht mehr davon geboten wurde. Im Ziel haben sich Mitläufer über die Strecke beschwert: Zu viel Schotter, zu viel Wald, zu weich, zu viel was weiß ich noch alles. So ein Quatsch, Abwechslung ist Trumpf, mir gefällt das. Über ein kurzes Wiesenstück am Ende des Singletrails geht es nochmals knackig aufwärts und die Dame wird mal wieder ein- und überholt.
Meine Position gebe ich auf dem letzten halben km durch den Ort nicht mehr her und komme nach 1:04:08 Std. als sechzehnter Mann und Gesamtsiebzehnter ins Ziel. Das bringt mir den dritten Platz in der M 50 und ein breites Grinsen im Gesicht. Leider ist die Ergebnisliste auch am Folgetag mittags noch nicht online (obwohl in der Halle praktisch sofort verfügbar), so kann ich meine „Konkurrentin“ hier nicht namentlich ansprechen: Ich bin nicht gegen Dich, sondern nur für mich gelaufen, so wie es bei mir gepasst hat. Im Ziel hatte sie als zweite Frau meinen Glückwunsch angenommen.
Einen besonderen Gag muß ich noch erwähnen: Neben der Länge des Pi-Laufs sollte auch noch das Profil eine Herausforderung für die Läufer darstellen und eine Beziehung zu der Zahl Pi haben. Das Kunststück gelang und setzte der Strecke die Krone auf, auch wenn es dem "Erfinder" des Laufs einige Mühe kostete, um bei den Höhenmetern auf die geplanten 314 zu kommen. Die Freunde der Zahl Pi Deutschland e.V., die sich für die Zahl Pi einsetzen, unterstützen den Lauf mit einem Pokal, der erstmalig im Jahr 2308 n. Arc (2011) vergeben wurde. Dieser verbleibt jeweils bis zum nächsten Pi-Lauf beim Gewinner.
Der Pi-Lauf ist ein Lauf, wie ich sie mag. Ein ehrlicher, handgemachter Dorflauf mit selbstgebasteltem Zielkanal, selbstgebackenem Kuchen (Frau Schmitt hätte ihre Freude gehabt), handgestoppter Zeit, vielen Helfern, einer tollen Strecke, aber zu wenigen Teilnehmern. Zwar waren es in diesem Jahr etliche mehr als 2012, aber hier könnten problemlos 300 – 400 Leute unterwegs sein, ohne sich groß in die Quere zu kommen. Sogar von oben trocken sind wir geblieben! Als ich den Autoschlüssel herumdrehe, um heimzufahren, beginnt es zu regnen. Wirklich, heute habe ich alles richtig gemacht. Hier kommt man gerne wieder hin.
Startgeld:
6 € plus 2 € bei Meldung am Veranstaltungstag.
Wettbewerbe:
Pi-Lauf über 13,431 km, weitere Staffelläufe und Walking-Wettbewerbe.
Streckenbeschreibung:
Rundkurs mit 314 Höhenmetern.
Auszeichnung:
Urkunde aus dem Netz, Pokale für die Schnellen.
Logistik:
Alles Erforderliche an und in der Schule optimal nahe beieinander.
Verpflegung:
3 x Wasser bei ca. km 5, 9 und 12.