Grinsend sehe ich zu, wie zwei junge Mädchen meinen Laufrucksack checken. Ob die Pflichtausrüstung komplett ist? Geld, 1,5 Liter Wasser, Pfeife, Regencape, Rettungsfolie, 500 kcal und Handy. Fünf Stunden Cut-Off-Zeit für die ersten 25 Kilometer, was habe ich gelacht!
Aber tausend Treppenstufen, steile Klippen, 135 Kilometer und 5200 Höhenmeter später, zahlreiche Flussüberquerungen inklusive, nach kilometerlangen Stränden und Millionen Stechginsterbüschen, nachdem ich von der Brandung weggerissen wurde, mir zentimeterlange Stacheln aus den Schienbeinen gezogen habe und mit blutigen Blasen an den Füssen um 6:15 Uhr in der Früh im knietiefen, stinkenden Abwasser um mein karges Frühstück gekämpft habe, nach drei Tagen, da habe ich ….. wieder gelacht. Weil mir ein grandioser Sieg vergönnt war.
Von Blanes, östlich von Barcelona, bis hoch nach Portbou an der französischen Grenze führt der Costa Brava Xtrem Run. Da es in den vorherigen drei Austragungen vier Beinbrüche gab, hat Xavi, der Chef, die Strecke von 200 Kilometer auf 135 verkürzt.
Die Frage, ob ich diesen Lauf nochmal machen würde, beantworte ich so: Unglaublich schöne Landschaft, unglaublich schwierige Strecke, unglaublich perfekte Organisation. Ich habe noch nie geballt so viele Highlights erlebt. Wer nächstes Jahr hier antreten will, den erwartet einer der weltweit schönsten Läufe und eine Prägung fürs Leben. Aber ich werde nicht dabei sein.
Nicht Wege, nicht Straßen, blendender Strand, steile Küstenfelsen und vergessene Schmugglerpfade sind unser Revier. Wir laufen durch Naturparks, Flüsse, verschlafene Fischerdörfer, alte Ruinen, steile Stufen, scharfe Felsen, tiefen Sand und an smaragdgrünen Buchten mit Steilklippen entlang. Mal im Schatten grüner Pinien-und Steineichenwälder, mal am sonnigen Strand entlang, den Wind in den Haaren, das Rauschen des Meeres in den Ohren, das Salzwasser in den Schuhen. Buchten, die nur zu Fuß zu erreichen sind und Ferienort an Ferienort, hoch in die Felsen hinein gebaut. Das ist der XBXR.
In Blanes endet die Nahverkehrsverbindung aus Barcelona. Hier beginnt die eigentliche Costa Brava. Die erste Etappe nennt sich Küstenwald-Etappe (selva maritima) und ist auch ohne die folgenden langen Etappen buchbar. Deswegen gesellen sich zu den 140 Ultras etwa 400 Kurzstreckler. Für die Ultras und für den grinsenden Deutschen ist dieser Lauf der "Prolog", der "Frühstücklauf“. So denke ich. Ein zweiter Deutscher, Jürgen Kuhlmey, 74, hat da mehr Respekt vor der Strecke. Man sollte von den "Alten" einfach mal lernen.
Die Ultras müssen bis 13 Uhr die Startnummern abgeholt haben, da hänge ich aber noch oben am Steilhang über der Stadt und suche den Weg nach unten, zum Roca de Sa Palomera, dem Startort. Etwa 400 Flocken Startgeld, incl. Bustransfers und 2 Übernachtungen mit HP in Top- Hotels. Ich hab mir das gegönnt zu meinem Geburtstag. Das ist mir ein gewagter Sprung zwischen die Agaven wert. Judorolle, Staub und Schweiß.
Die Startnummer ist aus Seide, löst sich also weder in der Brandung noch unter der Dusche auf. Gepäckabgabe, es wird zum Etappenziel gebracht.
Ausrüstungscheck beim grinsenden Deutschen. Einlasskontrolle. Einweisung. Wer kein spanisch kann, hier die grobe Übersetzung: Du musst laufen, aber richtig!
Start 14 Uhr, 1500 Hm, wer an den drei Checkpoints dumm aussieht, fliegt gnadenlos raus, also wird es knapp für mich werden.
Ich lasse Fotos sprechen.
Für diejenigen, die schon an der Costa Brava Urlaub gemacht haben, gibt es eine grobe Streckenbeschreibung.
Diejenigen, die einige Etappen im Urlaub selbst laufen wollen, besorgen sich den Reiseführer für den Fernwanderweg GR 92, dessen Streckenführung wir grob laufen werden.
Diejenigen, die nächstes Jahr den CBXR laufen wollen: Wenn Ihr das gelaufen seid, dann alle Achtung!
Start., oberhalb Blanes: Castell de Sant Joan, Botanische Gärten. Karl Faust (1874-1952), ein Deutscher ließ den Garten Marimurta (km 1,3) auf seinem Grundstück einrichten. Pinya of Rosa km 2,3 Santa Clodilde km 6,3 sind die nächsten Gärten, die wir durchlaufen. Die Sonne, die Blumen, das Meer, die röchelnde Lunge.
Steil hinunter zur Cala Banys, erster Sandkontakt, erster Wasserkontakt, ein kleines Bier am FFK- Strand, ich genieße die Aussichten.
VP Lloret de Mar km 10,5, fette Engländer mit gesenkten Lidern in den gerade geöffneten Kneipen. Kein Ort zum Verweilen.
Capella del Santisssim. Castell d ´en Playa wunderbar zu laufen, wären da nicht so viele dickbeinige Wackler.
Die Befestigungsanlage Puig de Castellet stammt aus dem 3. Jahr.v.Chr., wurde nach dem zweiten punischen Krieg aufgegeben.
VP Canyelles km 15,5, das war ja o.k., habe zwar zusätzlich meinen Wasservorrat verbraucht, aber normal.
Urbaniztzacio, landschaftsverschlingende Urlaubersiedlungen, menschenleer, die Rezession hat voll zugeschlagen. Ganze Hänge mit leeren Häusern. Urbanizacion La Montgoda, Urbanizacion Soleia, Urbanizacion Canyelles.
Keine Treppen mehr, wirre Kurven und Kehren: Ronda de Europa, Carrer d`Holanda carrer d Alemanya. Eine Carrer d`Espangna gibt es nicht.
Dann geht es richtig los. Hoch und runter, bis dir schlecht wird, einer der schönsten Trails der Welt. VP Cala Llevadó km 19 . Und dann geht es in den Küstendschungel, bis dir schwindlig ist. Die letzten 4 Kilometer sind extrem hart, nur kriechend zu bewältigen. Ja, ich lache, aber anders.
Wie hat Tossa de Mar das bloß geschafft? Es muss die Abgeschiedenheit inmitten der grünen Pinien, Steineichen und Korkeichen sein , dazu diese grandiosen Blicke über die Felsen in das türkisfarbene Meer. Unter den Schuhen stieben dünne Staubwolken hervor. Vogelstimmen sind in der Luft. Ein Traumort, noch.