Die Costa Brava kennen viele junge Leute nur als Partydorf für die Abi-Abschlussfahrt. Dabei hat sie so viel mehr zu bieten. Ich habe hier vor 57 Jahren schon meinen ersten Geburtstag auf dem Campingplatz gefeiert und als Kind jedes Jahr den Familien-Urlaub hier verbracht. Aber schon Anfang der Siebziger wurde es an den Stränden und in den Städten zu laut, zu voll und zu prollig. Hauptsache billig. Die Dörfer wurden mit hässlichen Hotels zugebaut und viel von dem ursprünglichen, wilden Charakter der Küste ging im Touristentrubel unter. Einzig das Hinterland konnte sich seine Ursprünglichkeit halbwegs bewahren. Heute würde man mit Sicherheit vieles anders machen und auch den Tourismus in eine andere Richtung entwickeln.
Die ersten Touristen kamen ja eben nicht wegen des billigen Sangrias, sondern wurden von der Schönheit dieses Küstenabschnittes angezogen. Diese Schönheit ist nach wie vor vorhanden und will nur entdeckt werden. Zum Glück kommen ja die meisten Touristen nicht viel weiter als bis zum nächsten Strand (mit Bar). So konnten viele unwegsame Küstenabschnitte ihre Schönheit durch die Jahre retten. Sie blieben unverbaut und auch von großem Massenandrang zumindest in der Nebensaison verschont.
Ein Wanderweg, der GR 92, verbindet die schönsten Abschnitte auf schmalen Pfaden immer direkt am Strand entlang, soweit das möglich ist. Und genau dieser Wanderweg bildet die Grundlage für ein besonderes Rennen, den Costa Brava Stage Run. Angelegt als Etappenlauf geht es an drei Tagen entlang der Costa Brava vom Süden in Blanes bis zur Grenzregion im Norden nach Portbou. Zwei verschiedene Schwierigkeitsgrade werden angeboten. Entweder 120 oder 80 Kilometer sind dabei an drei Tagen zu bewältigen.
Ich hatte von dem Rennen durch Joe Kelbel hier auf Trailrunning.de erfahren, der den Lauf schon in 2012 beschrieben hatte. Leider gab es lange keine Austragung mehr, bis 2018 das Rennen von Jordi Vissi und Thomas Llorens wieder neu belebt wurde. Die beiden sind aus Blanes und engagierte Trailrunner. Wie auch bei ihrem Stage Race durch die Pyrenäen, geht es Ihnen beim CBSR darum, Läuferinnen und Läufer aus der ganzen Welt auf einer interessanten Strecke zusammen zu bringen und ein gemeinsames Trailrunning-Fest zu feiern. Und das ist genau mein Ding!
Nach einigem Hin und Her kann ich Myriam, Paul und Katja motivieren, an diesem Stage Race teilzunehmen. Wir buchen praktischerweise das Komplettprogramm mit Übernachtung und Abendessen. Auch die Rückfahrt zum Startort Blanes ist dabei.
Donnerstagmorgen geht es dann los. Allzu viel Gepäck brauchen wir nicht. Die Sonne scheint ja bekanntermaßen Tag und Nacht in Spanien. Nach genau 1100km und 12 Stunden im Auto sind wir froh, endlich in Blanes gelandet zu sein. Statt Sonne, regnet es allerdings seit der französischen Grenze in Strömen. Wir beziehen unser Hotel und machen uns auf den Weg zum Strand, wo wir die Startnummern abholen. Wir bekommen schon mal ein Shirt, ein Buff und den GPS-Tracker, mit dem uns unsere Lieben zuhause live verfolgen können. Der Wind bläst und es ist lausig kalt. Also suchen wir uns schnell ein Restaurant, das uns mit den nötigen Kalorien für morgen versorgt.
Wir können es ruhig angehen lassen. Der Start ist erst um 12 Uhr. Wir packen unsere Taschen für die nächsten drei Tage. Jeweils eine kleine für ein paar warme Klamotten direkt im Ziel und die große Tasche, die dann im Hotel auf uns warten wird.
Der Regen der letzten Tage hat sich zum Glück verzogen. Ein paar dunkle Wolken erinnern uns aber daran, dass er noch nicht ganz aufgegeben hat. Im Hintergrund sind in der Ferne die schneebedeckten Pyrenäen zu erkennen. Das Thermometer zeigt einstellige Werte und der Wind bläst durch alle Ritzen. Wir treffen ein paar alte Bekannte aus der Pfalz. Die deutsche Trailrunning-Szene ist ja nicht so groß. Ansonsten ist ein internationales Publikum am Start. Viele Engländer. Eine große Gruppe Belgier und natürlich viele Spanier. Eine Gruppe deutsche Teilnehmer ist mit einem Reiseveranstalter angereist.
Die erste Etappe wird von allen gelaufen. Also von der 80 und der 120 Kilometer Challenge. Dementsprechend setzt sich nach dem Startschuss ein großes Starterfeld von knapp 200 Läuferinnen und Läufern auf der Strandpromenade in Bewegung. Als Auftakt laufen wir durch die schön angelegten botanischen Gärten Jardi Botanic Marimurta und Pinya de Rosa wo der Frühling bereits Einzug gehalten hat. Alles blüht und duftet schon nach Sommer. Wir halten uns immer direkt an der Küste auf einem schmalen Weg, der mit vielen Treppenstufen ein ständiges Auf und Ab bietet.
Nach den botanischen Gärten passieren wir idyllische kleine Sandbuchten. Keine Spur von Massentourismus. Die Strände sind nur zu Fuß zu erreichen und konnten sich dadurch ihre Schönheit bewahren. Keine Ahnung, wie es im Sommer hier aussieht. Geheimtipps sind das ja nicht mehr. Aber heute, am ersten April gibt es nur ganz wenige Wanderer, die uns auf den Strandabschnitten begegnen. Das Meer ist durch den Wind der letzten Tage recht aufgewühlt und hohe Wellen schlagen auf den feinen Sand, der immer wieder von bizarren Felsen unterbrochen wird. Dann wieder Treppen hoch zur steilen Felsküste.
Der Massentourismus begegnet uns nur an den langen Sandstränden. Die Hotels sind noch leer und alles wirkt etwas verlassen. Ein paar wenige Spaziergänger auf den Promenaden wirken deplatziert. Weißer Beton mit herabgelassenen Rollläden. Lost Places und krasser Gegensatz zu den sonnigen warmen Buchten. Hinter Lloret de Mar, das vielen Abschlussfahrten als billiges Partyziel dient, erwarten uns dann überraschend abgeschiedene Traumstrände. Der Weg wird jetzt ruppiger und mehrere Klettereinlagen machen die Strecke anspruchsvoll. In der Tiefe türkisfarbenes Wasser und immer wieder gelbe Strände.
In Tossa de Mar ist dann die erste Etappe nach knapp 22 Kilometer beendet. Im Ziel auf der Strandpromenade warten unsere Taschen und eingehüllt in die dicke Jacke, genehmigen wir uns ein Finisherbier. Auch wird reichlich zu Essen angeboten und wer möchte, kann sich direkt massieren lassen. Im Hotel dann eine lange Schlange bei der Anmeldung. Also ziehen wir wieder in die Stadt und wärmen uns in einer Bar auf. Abends gibt es dann vor dem Essen noch die Siegerehrung und ein Briefing. Wir schlagen uns den Bauch voll und gehen beizeiten ins Bett. Morgen früh heißt es zeitig aufstehen.
Um halb fünf rappelt der Wecker. Taschen packen und ab zum Frühstück. Dann geht es mit dem Bus zum Startort in Platja d’Aro. Das Thermometer im Bus zeigt minus zwei Grad. Die Sonne ist gerade aufgegangen, versteckt sich aber noch hinter einer dunklen Wolkenwand. Alle zittern und schnattern. Wir sind froh, als endlich der Startschuss fällt.
Auf dem GR 92 geht es über viele Treppen hoch und runter. Dazwischen Traumstrände. Dann trostlose Bettenburgen in Sant Antoni. Grasser könnte der Gegensatz nicht sein. Nach Palamos wird es wieder beschaulicher. Kleine ursprüngliche Dörfchen direkt am Wasser. Von Massentourismus keine Spur. Der Naturweg wird jetzt anspruchsvoller. Ruppige Singletrails verbinden die Traumstrände. Immer wieder kleine Fischerdörfer. Rampe hoch, Rampe runter, Klettereinheit. Der Wind bläst jetzt mit Sturmböen und es schüttelt Dich auf den schmalen Pfaden hin und her. Das Balancieren auf den Felswegen wird recht schwierig. Am Strand ist der Weg oft so nah am Wasser, dass man die Wellen abpassen muss, um keine nassen Füße zu bekommen. Dann ein langer steiniger Anstieg.
Einem Engländer hat es die Schuhe zerlegt. Naja, eine wirkliche Überraschung ist es nicht. Die haben schon den Spine Race auf dem Buckel, wie er mir erzählt. Ich habe ziemlich gebummelt und bin an der VP in Aiguablava, wo die 80km Challenge gestartet ist, nur zehn Minuten vorm Cutoff. Ich gebe Gas und treffe an der nächsten VP auf Katja, mit der ich den Rest der Strecke gegen die Sturmböen kämpfe. Am langen Strand von Pals werden wir sandgestrahlt. Am Rio Daro ist ein Seil gespannt. Wir müssen durch das eiskalte Wasser, das mit ordentlicher Strömung bis zur Hüfte reicht. Danach geht es weiter durch den Sandsturm bis zur Mündung des Rio Ter.
Eine Überquerung ist auch mit Seil diesmal unmöglich. Der Starkregen der letzten Tage hat den Wasserspiegel zu sehr ansteigen lassen. Der Veranstalter musste wohl am Morgen umdisponieren und hat das Ziel kurzerhand nach Torella de Montgri verlegt. Auf schnurgeradem Fahrweg legen wir drei Extrakilometer zurück und sind froh, diese technisch wirklich schwere Etappe nach 50 Kilometern und 2200 Höhenmetern (angekündigt waren 1600) geschafft zu haben.
Im Bus, der uns ins eigentliche Ziel nach L’Estartit bringt, treffen wir auf Silke, die im Rio Daro ein Vollbad genommen hat. Sie zittert und sieht ziemlich unterkühlt aus. Wir packen sie dick in Jacken und versorgen sie mit Handschuhen, damit wir im Hotel die gemeinsame Finisher-Party feiern können. Es erwartet uns ein exzellentes Buffet mit allem, was das Herz begehrt. Abgerundet mit einem einem Vino Tinto lassen wir es uns schmecken und tauschen unsere vielen neuen Eindrücke und Erlebnisse aus. Heute war ein schwerer Tag und es geht zeitig in die Federn.
Frühstücken, Taschen abgeben, Busfahrt. Wir haben schon Routine. Dummerweise hat der zweite Bus Verspätung und wir müssen noch eine halbe Stunde mit dem Start warten. Immerhin können wir im Bus bleiben. Das ist gut so, denn draußen bläst ein verdammt kalter Wind. Der Aufbau des Zielbogens wird nach dem dritten Versuch abgebrochen. Der Wind ist einfach zu stark. Immerhin scheint die Sonne. Schneebedeckt grüßen die Berge aus der Ferne.
Heute erwarten uns drei längere Anstiege und es geht auch zweimal ein Stück durchs Landesinnere. Nach dem Start eilen wir die ersten 10 Kilometer auf guten Wegen entlang der Küste durch die Kälte. Die Strecke ist gut laufbar und bietet die gewohnt schönen Ausblicke. Die Geologie hat sich verändert. Das Gestein ist brüchiger und wechselt vom Rot ins Grau. Die Sonne spiegelt sich in den vielen Buchten. Von Massentourismus wieder keine Spur. Der erste Anstieg ist im Gegensatz zu den steilen Rampen von gestern geradezu gemütlich. Moderat windet sich der Pfad in die Höhe und wir überblicken einen großen Teil der Küste. Saftige Wiesen begleiten uns jetzt. Lavendel blüht und die Sonne taucht alles in ein warmes Licht. Blöderweise bläst dazu ein stetiger Sturmwind und lässt die Jacke knattern. Im Windschatten ist es dann richtig warm, aber das hält nur wenige Meter an und es weht wieder eine harte Brise. Auch an der Küste wird es nicht besser. Und natürlich immer von vorne. Maximal von der Seite.
Die Dörfer, die wir passieren, sind malerisch. Ein paar wenige Touristen verstecken sich in den Bars oder flanieren in dicken Daunenjacken durch Cadaques, wo der Start der Kurzstrecke war. Es geht direkt in den längsten Anstieg des Rennens. Immer entlang einer kunstvoll aufgesetzten Trockenmauer schrauben wir uns den Berg hoch. Unter uns glitzert das aufgewühlte Meer. Es folgt ein flacher Abstieg auf gutem Weg und wir machen anständig Strecke. Der Wind schüttelt uns auf dem schmalen Weg hin und her und wir müssen aufpassen, nicht zu stürzen.
Schnell sind wir in Port de Selva wieder an der Küste. Es geht recht flach auf guten Uferpromenaden bis zum letzten VP in Llanca. Der Sand an den Strandabschnitten ist jetzt dunkel bis schwarz. Wir umrunden eine Landzunge direkt am Wasser und müssen höllisch aufpassen, dass uns nicht eine der hohen Wellen erwischt. Nach Colera geht es dann in den letzten Anstieg. Noch einmal genießen wir die Aussicht über die Küste, bevor wir dann auf der Strandpromenade den Zieleinlauf in Portbou genießen.
Es empfängt uns eine gutgelaunte Truppe. Aus riesigen Pfannen gibt es fantastische Paella und auch sonst ist an alles gedacht. Wir bekommen eine Finisherweste und die Medaille. Myriam hat die heutige Etappe als zweite Frau beenden können. Wir feiern noch eine Weile, bis der letzte Teilnehmer im Ziel ist und werden dann mit dem Bus wieder zurück nach Blanes gebracht.
Ich habe mich in die Costa Brava verliebt und habe beschlossen, wieder zu kommen. Eine Woche in der Vorsaison in eines der kleinen Fischerörtchen. Dort werde ich die ein oder andere Wanderung machen und abends bei einer Paella und einem Vino Tinto in Erinnerungen schwelgen.
Fazit
Der Costa Brava Stage Run ist ein landschaftlich hervorragendes Etappen-Rennen. Gut organisiert und nicht zu schwer, ist der Lauf auch gut für Einsteiger beim Etappenlauf oder als langes Trainingswochenende für längere Läufe der kommenden Saison geeignet. Die Strecken sind nicht zu unterschätzen. Die Spanier mögen es hart auf dem Trail und sind nicht zimperlich. Nasse Füße, zerstochene Beine, Flussdurchquerung usw. sind einzukalkulieren.
Strecken
CBSR 120K Stage1: Blanes nach Tossa de Mar 22km / 1100 Hm
Stage 2: Platja d’Aro nach L’Estartit 50 km / 2100 Hm
Stage 3: Rosas nach Portbou 49km / 2000 Hm
CBSR 80K Stage1: Blanes nach Tossa de Mar 22km / 1100 Hm
Stage 2: Calella de Palafrugell nach L’Estartit 30 km / 1200 Hm
Stage 3: Cadaqués nach Portbou 29km / 900 Hm
Für die Teilnahme gibt es zwei Optionen: BASIC, wenn man sich unterwegs selbst um die Unterkunft und Verpflegung kümmert, oder PREMIUM als All inclusive Paket mit Abendessen, Übernachtung und Frühstück. Auf Wunsch können auch Einzelzimmer gebucht werden.