Diesen Lauf gibt es ganz offiziell und mit genehmigtem Hygienekonzept. Und einer sehr aufwendigen Organisation von Jan-Philipp Struck, der sich sowas von reinhängt und alle anderen dabei total begeistert.100 Meilen hat er im Angebot. 8 Starts, wie beim backyard zu festgelegten Zeiten und immer am selben Platz. Das Ballon-Prinzip: Jede Runde wird länger, mit 5 Meilen geht es los, mit jeder Runde kommen 5 dazu. Bis wir 20 Meilen haben, dann alles wieder rückwärts - in Gegenrichtung, damit es nicht langweilig ist. Jede Runde ist dann 5 Meilen kürzer. Macht alles zusammen 8 Runden mit 100 Meilen, 33 Stunden sind veranschlagt, inklusive der Pausen. Die Strecken sind 4 mal völlig andere…
Dieses Event hat Anziehungskraft. Aus allen Gegenden des Landes sind sie gekommen, Nordlichter, Südstaatler, man hört einfach jeden Dialekt hier. Viele der üblichen Verdächtigen sind darunter, die anderen traben in Hachenburg dem Bier hinterher. Ein großer Rasenplatz bietet viel Raum zum Campen, der Parkplatz drum rum reicht auch aus. Fast jeder bringt was Leckeres mit, sodass ein grandioses Läuferbuffet entsteht.
Der erste Start um 10 Uhr auf die 5-Meilen-Runde findet ohne mich statt, ich reihe mich zur 10-Meilen-Runde ein. Der Chef überreicht mir mein ganz persönliches Shirt, während so nach und nach die Kollegen ihre Warmlaufrunde beenden.
Es bleibt genug Zeit, nämlich bis 11:40, um alle zu begrüßen und Eindrücke zu sammeln. Was für ein Hallo! Endlich wieder was Offizielles! Großartig! Ein kurzes Briefing vor jeder Runde und ab geht’s. Diese Runde führt über und durch altes Zechengelände. Hier nämlich lag der Ostpol des Bergbaugebietes. Zeche Königsborn, die bis in die 70er fleißig gefördert hat. Übrig ist heute nicht mehr viel: ein paar Halden, Bergsenkungen und ein Förderturm, der Ostpol. (Der dazugehörige Westpol steht bei Kamp-Lintfort).
Auf den zahlreichen Zechenbahntrassen laufen wir auf dem Damm, über alte Brücken, durch Rangierbahnhöfe…das merken aber nur die, die die vielen kleinen Hinweise nicht übersehen. Für die anderen ist es eben ein Radweg. Auch die Halden sind grün bewachsen, die Seen durch Bergsenkungen entstanden. Inzwischen ein recht reizvolles Naherholungsgebiet.
Das Getreide ist schon geschnitten, duftendes Stroh trocknet in der Sonne. Ein bewölkter Himmel hält uns die Sonne vom Pelz, mit gefühlt 30° ist es trotzdem warm genug. Man kommt richtig „am Schwitzen dran“. Und damit der Durst nicht soo quält, stehen zwei VP an der Strecke. Wichtig ist hier: vor dem Start packt man sich eine Tüte, malt seine Nummer drauf und deponiert sie in der Kiste. Oder man nimmt sein Futter huckepack mit. Wasser und Cola gibt’s dazu. Gut, die 10 Meilen sind nicht soo arg lang, es geht auch ohne. Aber bei den nächsten Runden, den 15 und 20 Meilen, braucht jeder etwas zur Stärkung.
Der Zieleinlauf über die Messmatte, unter Applaus, hat klar was Erhebendes. Und ein richtig kaltes Blondes gleicht Flüssigkeit- und Salzhaushalt wieder etwas aus. Wer schnell ist, hat länger Pause. Ausruhen kann man im Zelt oder im Auto, nur zur nächsten Runde sollte man zurück sein. Apropos Runde: man kann beliebig starten, mal was auslassen, die Nacht durch schlafen, ganz nach persönlicher Neigung. Manche sind über Nacht nach Hause gefahren und am Vormittag wieder eingestiegen. Oder man arbeitet sich an den kompletten 100 Meilen ab.
Ich verzichte auf die 15er Runde. Die führt durch viel Siedlung, was mich nicht so anspricht. Und das war gut so (für mich), denn nach dem Start um 15:00 bricht die Sonne durch und erzeugt Hochofengefühl auf der Strecke. Die Zieleinläufe sind entsprechend, alle glühen rot und haben gewaltigen Durst. So mancher bricht hier erstmal ab, ob geplant oder nicht, wer weiß?
Um 20:00 beginnt die schönste Runde: 20 Meilen nach Süden, aus der Ebene über den Haarstrang ins Ruhrtal. Und wieder setzen wir auf einer alten Bahntrasse an; weil eine Brücke fehlt (sie ist der Oberleitung einer darunter durchführenden Hauptstrecke geopfert), müssen wir runter vom Damm, einen ziemlichen Umweg traben und wieder hoch zur Trasse. Die ersten Höhenmeter. Es folgen noch viele weitere. Irgendwann verlassen wir den Damm und traben durch Wald und Feld, mit viel Weitblick, nach Süden. Nochmal wird eine Hauptbahn gequert. Neu für einige: die Schranke wird erst auf Anforderung geöffnet.
Dann die B1und nach 5,5 Meilen der erste VP. Ab hier geht’s kontinuierlich aufwärts, nur 100-120 hm auf den nächsten 5 Meilen, aber fordernd. Inzwischen ist die Sonne untergegangen und die Luft hat angenehm abgekühlt. Gelegentliche Blicke zurück machen die enorme Weite der Landschaft klar, es ist flach bis zum Teutoburger Wald. Sehr gute Bodenmarkierungen, für beide Laufrichtungen, weisen den Weg. Oben angekommen, sind einige Bodenwellen zu bewältigen, es wird nicht langweilig. Nur die Dunkelheit engt uns ein, schließlich sehen wir nur noch, was im Lichtkegel auftaucht. Eine Wasserstelle mitten im Wald hilft gegen den Durst.
Steil runter ins Ruhrtal und gleich wieder hoch, alle hm zurückholen. Erst ganz oben auf dem Kamm steht der nächste VP. Ab hier geht’s netto nur noch bergab, eigentlich, lediglich ein paar Bodenwellen und sanfte Anstiege bremsen. Und ein Stück Trail: sehr schmal, durch dichtes Gestrüpp, mit vielen Stolperfallen. Obacht Haxen!
Im nun offenen Gelände weht ein sanfter, kühler Wind. Weit über uns in den Wolken wetterleuchtet es. Ferner Donner und erst sanftes, dann entschlossenes Tröpfeln. Die Blitze kommen immer schneller hintereinander, die Tropfen werden größer und immer mehr, schließlich haben wir ein prächtiges Sommer- Höhengewitter. Sowas hat einen ungeahnt stimulierenden Einfluss aufs Lauftempo. Unterstellen und abwarten? Oder weiter und durch und durch nass werden? Jeder findet seine ideale Lösung. Hauptsache keine Verluste. Die Richtungspfeile sind unter dem Wasserfilm schlecht zu sehen. Bonusmeilen folgen. Oder fast, wenn wer einen rechtzeitig zurückpfeift.
Kurz vor dem Ziel, wieder auf dem alten Bahndamm, zelebriert der Regen sein crescendo. Alles ist durch, die Schuhe quietschen, das Hemd klebt. Und dann: Ende Regen. Ein trockener Zieleinlauf. Geschafft. Die anderen vor mir sind schon zum Trockenlegen im Zelt oder WoMo verschwunden, Pause bis um 2:40. Dann dasselbe in Gegenrichtung, oder aussetzen. Oder fertig. Ich habe fertig, die für mich interessanten Strecken sind gelaufen, 30 Meilen sind doch auch was Feines.
Über die Nacht und am Sonntag bis 19:00 geht das Event weiter. Die kompletten 100 Meilen haben nicht so arg viele geschafft, aber alle sind höchst zufrieden wieder nach Hause gefahren. Tja, so geht Ballon-Ultra in Unna.
Fazit
100 Meilen insgesamt, oder in Teilen, wann immer man will und kann. Alles wird gewertet, nur beim Start muss man pünktlich sein. Je nach Hitze nimmt man sich Getränke mit, je nach Wetter eine Jacke. Aber sonst brauchts nichts Spezielles zum Laufen mit Freunden. Und die Pausen sind einfach genial zum Auftanken und Klönen…Übrigens, der Jan-Philipp hat noch viel mehr zu bieten, der sprüht nur so vor Ideen!