Der Lauf heisst „Null“ weil es Null Reklame gibt, Null Startnummern, Null Wettkampf, Null Zeitnahme, Null Stress, Null Berichte, Null Schlaf. Den Lauf dürfte es also eigentlich gar nicht geben, doch er findet zum 48ten Mal statt. Und es gibt eine Sommer- und eine Winteredition!
„Wer zum ersten Mal die Null bewältigt, dabei Mut zu 50 beschwerlichen Kilometern beweist, Härte gegenüber schwersten Steigungen und steilsten Gefällen entwickelt, eine saubere Technik beim Überwinden von Pfaden und Wegen beherrscht und sprunggwaltig beim Übersetzen von Felsgestein und hohem Gras ist, wird durch ein Zertifikat mit dem Ehrentitel Nuller ausgezeichnet.“
Dann gibt es noch den Berg- und Talführer, den Magister bergum et talum und weitere Ehrungen, z.B für 1.000.000 Höhenmeter. Die Titel sind unheimlich begehrt, schließlich hat jeder Medaillen genug.
Für 18 Euro bekommt man Dinner, Übernachtung, Frühstück und Mahlzeit nach dem Lauf und natürlich den Lauf selbst. Nebenbei: Getränke sind an den zwei Tagen inbegriffen.
In der Halle hängen schon die Urkunden auf der Wäscheleine.
Die eine Brücke ist weg, wegen Regen, die andere wegen Autounfall. Dafür gibt es eine Bank und eine Treppe mehr, aber keine Wegbeschreibung, dafür gibt es ja die Wiederholungstäter, aber die sind meistens dann nicht verfügbar, wenn man sie braucht.
Wer Nuller werden will, läuft 50 km (heute 51-55 je nach Intelligenz) mit 822 geschrumpften Höhenmetern. Wo das ist? Der große Ort ist benannt nach Georg und seiner Frau Marie. Und der Vorort hat eine Ampel, besteht eigentlich nur aus dem Kloster. Im Kloster gibt es eine Lepraspalte, das ist nichts sexuelles, das ist nur ein Mauerdurchbruch, durch den die Aussätzigen auf den Altar schauen können.
Das Dinner, bzw. das „lustige Beisammensein“ ist ganz nach meinem Geschmack. Georg, der Obernull, veranstaltet ein Quiz, gibt uns Benimmregeln und beinahe hätten wir noch die Bilder vom letzten Thailandurlaub gesehen. Wir lachen uns fast schon in den nächsten Tag. Nicht mal „der General“ Karl Ernst kann vor Lachen zur Ordnung aufrufen. Spät nachts bezieht der „Altkanzler“ sein Kanzleramt und ich mein Auto. Andreas löffelt noch im Halbschlaf ein Joghurt und in der Turnhalle geht das Licht aus, leider auch in der Sanitäranlage. Eigentlich ganz normal, hätte es nicht angefangen zu regnen und ich die Autofenster offengelassen.
4:30 Uhr: mein Auto ist ein Swimmingpool und mein Blümchenbettzeug mittendrin. Ich tappe mit zwei Tassen Kaffee in die dunkle Sanitäranlage. Null Licht, Null Bock und nasse Laufklamotten.
Die wichtigsten Anweisungen von Obernull Georg hatte ich mir notiert: „ isnabrueck null ist rund nicht gefuellr windrichtung linkslastig dann osnabruecwr null dann sind das 100 km dann noch 25 von der null hohe leute aus onsbr becher liegen lassen hallaendrr im Holland gesamte Hauptsrr Panik wegen Bauer Wiemeyer darf nicht gelaufen werden nullen koennen nicht erden weil baueme fehlen werden sarge mittneem strom dabei haben gewonnen buekhart“
5.30: 80 % der Chaoten nehmen die frühe Startzeit und ich mein nasses Handtuch für den Fußinnneraum des Autos.
6 Uhr: Lepraspalte hin oder her, tralala ich laufe los, wetze den schnellen Läufern hinterher, habe Angst, dass der Bauer Wiemeyer mit der Schaufel hinter mir herrennt,. Seine Kühe würden saure Milch oder Schlagsahne geben und ich bin dann schuld...da stand doch was von „sarge“?
Nach einer Stunde erkenne ich im Regennebel die erste Markierung. Da ich diese gleich als Null identifizieren kann, befinde ich mich plötzlich vor einem Läuferfeld, ja, davor! Merke: Traillaufen hat mit Intelligenz und nichts mit Schwarmverhalten zu tun. Der bessere Teil der Null ist ein wachsames Auge.
Hügelgräber! Eine ganze Reihe davon! Klasse! Ich mache ein Foto von der Erklärungstafel, muss schnell weiter.
7:30 erster Verpflegungspunkt. Die Wasserstandanzeige meiner Kamera wird durch die Feuerwehr trockengelegt.
Im dunklen Wald ein Hohlweg, sehr tief. Ein Schild erklärt, es sei ein uralte Hansestrasse. Genial!
Aufstieg auf den Dörenberg (352 ü.NN) Nebel, Regen, mir ist so kalt. Oben ein alter Grenzstein von 1830. Ein Triangulationspunkt. Das Königreich Hannover hat von hier oben aus optische Vermessungen durchgeführt, die dienten dann ab 1870 zur Berrechnung der Grundsteuer.
Hoch auf den Hermannsturm. Dort oben saukalt aber wunderbare Sicht ins Münsterland und zum Varusturm, theoretisch. Mir ist so kalt.
Zweiter Verpflegungspunkt, irgendwo zwischen km 15 und 25. Dauerregen, alles löst sich auf. Null Sicht, Null Bock aber reichlich Spass, denn es geht mal richtig durch den Matsch.
Mit Heiko bilde ich eine Leidensgemeinschaft, da werden wir brutalst aus dem Hinterhalt von einem pechschwarzen Wehrwolf angegriffen und der Bauer Wiemeyer treibt das Monster mit
einer 5 Meter großen Schaufel auf unsere Läuferbeine zu! Heiko sagt man müsse solchen Monstern Wasser in die Nase sprühen, dann würden die abhauen. Da wir kein Wasser hatten, haben wir (gestr.: die Redaktion) und der Hund seinigen erschrocken jaulend eingeklemmt.
Der Wiemeyer winkt uns noch mit seiner blutverschmierten Schaufel hinterher und wir zurück.
Freudiges Foto auf dem Hochsitz, von woaus die Einheimischen die Läufer erlegen. Da es regnet, haben diese fieserweise sämtliche Nullen entfernt. Also wir vor, zurück, links, rechts, leider half hier keine Intelligenz weiter. Windrichtung wechselhaft, Sonne nicht sichtbar, und auf den Mond wollten wir angesichts des Wehrwolfes nicht warten.
Merke: Wenn du nicht weiterweisst, dann hilft nur noch Schwarmverhalten. Nun bilde du mal einen Schwarm im strömenden Regen, das braucht Zeit und dann demokratisches Fingerspitzengefühl.
Wir kommen dann irgendwie zitternd ins Zittertal. Statt Wehrwolf haben wir uns einen gelaufen und den falschen Weg dazu, erreichen zitternd die Zitterquelle mit dem Verpflegungspunkt äh ja, irgendwo zwischen km 25 und 45.
Ratsch knatter ratsch knatter, so brettern wir nun kilometerweit über die Stoppelfelder. Ratsch macht es wenn man den Fuß nach vorne bewegt, knatter wenn man ihn absetzt. Ratsch knatter, ratsch, knatter.... wo ist nur der rechte Weg?
Ein grausamer Kampf, wir ernähren uns von Körnern und dem, was am Wegesrand wächst.
Irgendwie gibt der Fotoaparat und ich meine Erinnerungen auf. Das erreichen des Ziels ist nur Nebensache, Hauptsache ein absolut lustiges Wochenende. Wir danken dem Obernull Georg!
Ich bin jetzt ein Nuller!
P.S. Der Lauf ist nicht für Anfänger geeignet.