Der Rheinsteig ist der unbequemste Weg, um von Bonn nach Wiesbaden zu gelangen. Aber auch der schönste. Zitat: "Die Zeit" vom 8.9.2005
Um 8 Uhr erreichen Norbert und ich das kleine Hotel Adria Stuben, direkt an der Hauptstraße in Urbar, oberhalb von Koblenz. Erwartungsvolle Hektik bestimmt das Bild. Abreisevorbereitungen werden getroffen. Wir legen unsere Taschen auf den Berg, der sich bereits im Hof türmt.
Rolf Mahlburg und seine Frau Brigitte begrüßen uns herzlich. Es hat noch Zeit zum Plaudern und schnell sind wir in die Gruppe aufgenommen. Für 3 Tage werden wir dazugehören. Die meisten Läufer tragen das weiße Rheinsteig-Erlebnislauf-Shirt. Von den Veranstaltern des Erlebnislaufs aufwendig gestaltet und mit dem Vornamen versehen, erleichtert es die Unterhaltung ungemein.
Draußen ist es kalt, obwohl die Sonne scheint. Punkt 8 Uhr 30 gibt Rolf mit seiner Fanfare das Signal zum Aufbruch.
Der erste offizielle Teil des heutigen Tages steht an: Wir begleiten den kleine Sohn der Wirtsfamilie in den Kindergarten. Dort werden wir bereits erwartet. Die Kinder sind ganz aufgeregt und lassen die folgenden Reden nur ungeduldig über sich ergehen.
Dann bekommt jedes Kind einen Läufer an die Hand und gemeinsam geht es zum Urbarer Sportgelände. Das liegt ganz oben am Berg. Die Kleinen scheinen solche Steigungen gewohnt zu sein und so können wir bald einen wunderbaren Ausblick auf das unter uns liegende Koblenz genießen. Wir singen noch ein Ständchen zum 6. Geburtstag eines unserer kleinen Begleiter. Dann nehmen wir Abschied.
Auf der Höhe geht es zur Festung Ehrenbreitstein. Die trutzige Burganlage aus dem 16. Jahrhundert beherbergt heute das Landesmuseum Koblenz, die Koblenzer Jugendherberge, das Ehrenmal des deutschen Heeres und verschiedene Verwaltungsstellen.
Das Vorgelände der Festung und Teile des Festungsgeländes selbst wurden zur Bundesgartenschau 2011 in Koblenz in die Veranstaltungsfläche einbezogen.
Dazu wurde der Festungsplatz (Schlosshof) und die Fassaden der Festungsbauwerke sowie deren Dächer 2009-2011 vom Land Rheinland-Pfalz vollständig saniert. Der Kasemattenbau "Lange Linie", der im Zweiten Weltkrieg einen Bombentreffer erhielt, wurde erstmals wieder hergerichtet und Besuchern zugänglich gemacht. An Stelle des Sessellifts, der sich an der Ostseite befand und das Ehrenbreitsteiner Tal mit der Festung verband, wurde 2011 ein Schrägaufzug in Betrieb genommen. Im Keller unter der Großen Traverse, wo eine 3000-jährige Befestigung des Orts nachgewiesen werden konnte, wurde die multimediale Ausstellung "Ein Berg im Wandel - 3000 Jahre befestigter Ort" eingerichtet. Die kontinuierliche Befestigung eines Ortes über solch einen langen Zeitraum konnte bisher sonst nirgends in Deutschland nachgewiesen werden.
Die Rheinseilbahn, die größte Luftseilbahn Deutschlands, befördert seit dem 2. Juli 2010 die Besucher von den Rheinanlagen über den Rhein auf das Plateau vor der Festung. Mit einer Förderkapazität von insgesamt 7600 Menschen pro Stunde ist sie weltweit unübertroffen. Im Jahr nach der Bundesgartenschau besuchten ca. 500.000 Menschen die Festung. Diese erhebliche Steigerung der Besucherströme geht auf die verbesserte Erreichbarkeit mittels der Seilbahn und die vielen Veranstaltungen auf dem Festungsgelände zurück.
Staunend laufen wir durch die weitläufige Anlage. Der Ausblick vom Schlosshof ist atemberaubend. Unter uns liegt das "Deutsche Eck", wo die Mosel in den Rhein fließt. Ein monumentales Reiterstandbild des Deutschen Kaisers Wilhem I. wacht auf dieser künstlich aufgeschütteten Landzunge.
Koblenz liegt uns zu Füßen. Nur schwer können wir uns von diesem prachtvollen Bild losreißen. Es geht bergab. Etwas versteckt unterhalb der Festungsmauer führt uns Rolf zu einer kleine Tür: der General-Aster-Weg (er war der Erbauer der Festung) läuft durch gemauerte Gänge auf einen schmalen Wanderweg und immer bergab bis zum Rhein-Museum am Fuße der Burg.
Auf dem Rheinuferweg geht es entlang. Bei km 5 biegen wir rechts ab und gelangen mithilfe einer gemauerten Unterführung unter der Bahnlinie hindurch auf den Bienhornpfad. Norbert und ich sehen hier zum ersten Mal die blau-weiße Markierung des Rheinsteigs.
Diese Markierung ist enorm wichtig. Der Rheinsteig folgt nämlich keiner geraden Linie. Überraschend ändert er oft seine Richtung und biegt von übersichtlichen Wanderwegen auf kleine Trailpfade ein. Uns wird berichtet, dass es gerade für Läufer, die sich im Mittelfeld der Gruppe aufhalten, schon böse Überraschungen gab. Im Gespräch vertieft an Markierungen vorbei gelaufen, sei ihnen erst nach Kilometern ihr Irrtum klar geworden.
Das Bienhorntal mit dem Bienhornbach läuft als Grünstreifen durch die Gemeinde Pfaffendorf. Es geht leicht bergauf und wir meinen im tiefen Wald zu sein. Km 9, wir machen eine kleine Pause. Bei einer Gruppe von um die 30 Läufern gibt es schnellere und langsamere. Jeder soll ja in seinem Wohlfühltempo unterwegs sein können. 320 Gesamtkilometern in 8 Tagesetappen mit Etappenlängen zwischen 30 und 55 Kilometern ist kein Pappenstiel. An markanten Punkten wird gewartet, bis die Gruppe vollzählig ist. Rolf übernimmt meist die Führung, Brigitte ist im hinteren Teil zu finden.