Zum 11. Mal lädt Michele Ufer und sein „Trail Running Adventure“ Team zum inzwischen legendären Traildorado nach Arnsberg ein. Zum 11. Mal in Folge! Und auch wenn es dieses Jahr nicht für einen neuen Teilnehmerrekord reicht, sehen wir fast jedes Jahr mehr, die sich an der Startlinie dieses außergewöhnlichen Events drängen.
Ich hörte vor 3 Jahren das erste Mal davon, als zwei Vereinskameraden ihr Glück im Hochsauerlandkreis versuchten. Mir wurde von schlammigen Trails und Stürzen berichtet, somit hatte der Traildorado schon mal meinen Respekt gewonnen. Für mich als bekennenden Flachland-Asphalt-Schlurfer ist das ja eigentlich nichts, aber wenn man Ziele in den Bergen hat, muss man Trail und Höhenmeter trainieren. So meldete ich mich im Januar auf einen der 350 limitierten Startplätze an, und sicherte mir damit die Teilnahme an der deutschen Meisterschaft im 24h Trailrunning.
Der ganze Event findet im SGV Jugendhof, einer Bildungsstätte des Sauerländischen Gebirgsvereins, in Arnsberg statt. Die gesamten zur Verfügung stehenden 110 Betten sind für uns, zu äußerst günstigen Konditionen geblockt. Bei meiner ersten Anfrage war das Traildorado-Waldschlösschen bereits komplett ausgebucht, aber meine Nachfragen im 4wöchigen Rhythmus führten dann doch zum Erfolg. Auch wenn die Anreise nur 100 km beträgt, buchte ich von Freitag bis Sonntag, um eine Einstimmung auf das 24 Stunden Event zu bekommen. So ging es direkt von der Arbeit für Tanja und mich ins Hochsauerland. Schnelles und unkompliziertes Einchecken, im großen Saal lief im Rahmen des Eventprogramms bereits ein Vortrag. Der Raum war voll und interessierte Zuhörer füllten auch den Flur, so kamen wir gar nicht näher ran und entschieden kurzerhand, dass wir eine frühe Nachtruhe ansteuern werden.
Der Raceday beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück und der Abholung der Startnummer. Für einen Chip am Armband zur Zeitnahme sind 10 € Pfand zu entrichten. Mit diesem scannen wir im Ziel jede unserer Runden selbstständig ein. Gelaufen wird auf eine 4,11 km Runde mit 130 Höhenmetern, welche direkt hinter dem Jugendhof beginnt. Wir erkunden das Gelände zur besseren Orientierung. Es stehen zwei Zelte direkt an der Strecke zur Verfügung, hier werden auch schon Tische für Eigenverpflegung aufgebaut. Daneben hat sich das Team vom DRK eingerichtet. Oberhalb vom Waldschlösschen ist die zweite Area aufgebaut. Neben einem Unterstand mit Feuerstelle wird das Athleten-Buffet vorbereitet, davor hat jeder seinen persönlichen Becher mit der Startnummer zum selber füllen. Die Zeitnahme ist direkt daneben, auf einem Monitor kann man die Führenden und seine eigenen Zeiten während dem Rennen in jeder Runde sehen.
Alle wichtigen Informationen wurden vorab per Email versendet, und ein Online Briefing von 2021 wurde auch noch mal reaktiviert. Wer sich hierfür etwas Zeit nahm, findet sich vor Ort gut zurecht. Um 11 Uhr gibt es unser Briefing auf der Terrasse vor dem Schlösschen. Die Musik wird hochgefahren und es läuft der Event-eigene-Song: We´re Traildorado! Heiko moderiert und bittet die Teilnehmer, die zum 5. Mal dabei sind, zu sich. Jörg ist zum 11. Mal dabei und steht 16 km vor dem 1000. Traildorado Kilometer! Der Applaus von uns allem ist ihm gewiss. Dann ruft Heiko das Helferteam auf die Terrasse und wir können uns schon mal bei den vielen helfenden Händen bedanken die uns die kommenden 24h so angenehm wie möglich gestalten möchten. Dann kommt noch eine Nachricht rein die etwas auf die Zeit drückt: Den ausgewiesenen Parkplatz beim 650m entfernten EDEKA haben heute viele gewählt. Man hat keinen Platz mehr für die Kunden und bittet, dass umgeparkt wird. Das Briefing ist damit schnell beendet, man erwartet uns um 11:50 am Start.
Bei der gestrigen Anreise hatten wir noch 20 Grad, jetzt sind noch 10. Der kommende Regen soll bis Sonntag das ganz noch einmal halbieren und Sonntag früh sind 5 Grad angekündigt. Pünktlich wie die meisten finde ich mich ein, aber offensichtlich hat man den Umparkenden noch etwas Zeit eingestanden. Michele und Heiko teilen uns noch mit das wir die erste Runde nicht scannen brauchen, man möchte Gedrängel im dann noch dichten Feld vermeiden. Ab der 2. Runde ist dann jeder für seine Zeitnahme verantwortlich.
Die beiden laufen eine Einführungsrunde voraus, es herrscht Überholverbot. Wir starten bergab und laufen einen sanft abfallenden breiten Waldweg entlang. Das wird wohl nicht so bleiben! Nach rund 300 m endet dieser schöne Weg und es geht einfach gesagt eine Böschung hoch. Schon an dieser Stelle weiß ich, dass ich später Stöcke mitnehmen werde. Es steigt an, der Weg ist breit genug zum Überholen. Aus dem Höhenprofil habe ich im Hinterkopf das ungefähr in der Mitte nach 2 km der höchste Punkt liegt. Also auf Kräfte sparen, in der zweiten Hälfte rollen lassen.
Wir müssen über einen ungefallenen Baum, sieht so aus, als ob dieser den Weg schon länger versperrt. Dann kommt schon einer der markanten Streckenabschnitte: Der Weg geht senkrecht hoch in den Wald! Wer möchte, kann am Fuß der Steigung ganz offiziell nach links abbiegen und der „Pussy-Lane“ folgen. Dort steigt die Strecke etwas sanfter an, ist dafür aber rund 100 m länger. Fast alle vor mir nehmen die steile Variante, also hinterher.
Mit kleinen und kurzen Schritten geht es kräftig hoch, die Pumpe rast, die Beine brennen, puh, das kann ja was geben. Oben angekommen geht es nur wenige Meter gerade, bis der nächste Anstieg folgt. Kürzer, nicht so steil wie eben geht es weiter und wir queren einen Wirtschaftsweg. Über einen Trampelpfad geht es die nächste Böschung hoch, und dann entspannt einen sanft ansteigenden Weg weiter nach oben. Mitte im Wald ein 90 Grad Knick nach rechts, und wir rollen sanft bergab. Ein Smiley auf einem Plakat grinst uns an. Er wurde als der „Motivator“ angepriesen der jeden Kilometer kennzeichnet und einfach daran erinnern soll das mit einem Lächeln alles leichter fällt.
Michael bietet ein Workshop im Stickrunning an. Dieser wird einfach in sein Rennen integriert und ich passiere seine Gruppe, als er erste Instruktionen gibt. Unten angekommen wird es wieder ansteigend richtig trailig. Schmaler Single-Trail, jede Menge Wurzeln und jeder Schritt muss sitzen. Das Feld zieht zügig hier durch, ich nehme etwas raus und knicke trotzdem schon mal um. Wir kommen aus dem Wald und sehen, wie sich die bunte Schlange der Trikots über eine abgeholzte Freifläche nach oben arbeitet. Der Weg ist gut begehbar, viele Wurzeln und Steine sorgen dafür, dass dieser recht lange Anstieg Konzentration erfordert. Oben angekommen ist ein Blick zurück obligatorisch, die noch folgenden bunten Trikots ein schöner Anblick. Und wir haben auf dem Gipfel den 2. Kilometer erreicht.
Nun geht’s bergab. Es war wohl mal ein Weg. Aktuell hat es in der Mitte mehr Ähnlichkeit mit einem Flussbett und rechts und links steht je ein schmaler Pfad zur Verfügung. Bis auf ein paar rutschige Ecken lässt es sich hier runter sehr gut laufen. Ich denke an das Höhenprofil und freu mich auf den Weg zurück Richtung Start/Ziel. Am Ende des Gefälles biegen wir links ab und folgen einem leicht profilierten Weg bis zum Wanderparkplatz Hasenwinkel. Hier haben sich einige Teilnehmer mit Wohnmobilen und Zelten ihr Zuhause für dieses Wochenende eingerichtet. Es gibt sogar Live Musik. Country Roads…
Ein Stück Teer führt uns ein paar Meter bergab, dann verschwinden wir wieder auf einem Trailpfad, queren eine kleine Brücke uns sausen im Wald den Berg hinunter. Nochmal ein Vollgasstück, man muss nur mit Steinen und Wurzeln unter den Blättern rechnen. Der Weg endet, ein kurzer Anstieg und wir kommen auf eine Wiese, welche sich durch eine hohe Feuchtigkeit auszeichnet. Die letzte Nacht hat zwar noch etwas Regen gebracht, aber dies Stück ist eindeutig anders. Hier hat man wohl ein bisschen nachgeholfen das die Strecke auch etwas Schlammiges aufweist.
Wir springen durch einen alten Garten und laufen die letzten Meter im Zick-Zack auf das Ende der ersten Runde zu. Oben auf einer kleinen Anhöhe steht eine schwarze Kiste, an der wir ab der 2. Runde dann unsere Zeiten scannen können. Jetzt geht’s vorbei, die Anhöhe wieder runter und am Zielbogen klatscht Michele jeden persönlich ab. Wir sind im Versorgungsbereich, ein Schluck Wasser reicht nach 4,11 km. Tanja erwartet mich und fragt, wie es ist. Ich fluche über Wurzeln und Steine und betone, dass ich die Strecke nicht mag. Jammer über stolpern und umknicken, aber ich will ja Trail trainieren. So geht’s mit einem Motivations-Knutsch in die Runde 2.
Das Feld hat sich deutlich entspannt, rund 200 Läufer sind auf der Strecke verteilt und in den meisten Passagen ist überholen möglich. Die Wanderer sind sehr aufmerksam und lassen die Läufer vorbei. Jetzt, wo man weiß was kommt, fällt die Suche nach dem eigenen Tempo leichter. Ich denke an meinen letzten 24h Lauf zurück: Flach, Teer, beleuchtet, 2,2 km. Das ist heute ganz was anderes!
Die zweite Rundeverläuft unspektakulär, ich scanne sie ein. Eine Computerstimme quittiert jede Runde mit einem Spruch: „Carsten, das sieht gar nicht so schlecht aus!“ Sekunden später sehe ich auf dem Monitor meine Zeit.
In der dritten Runde kommen noch ein paar technische Probleme dazwischen, die Zeitnahme funktioniert, nur angezeigt bekommen wir sie nicht. Auf der Startnummer haben wir einen QR-Code, diesen gescannt kommt man auf seine persönliche Race-Seite und sieht Zeiten und Platzierung. Funktioniert nur gerade auch nicht. Also mache ich mal die erste Pause, praktischerweise ist das Zimmer ja nur wenige Meter entfernt. Frische Sachen und was essen, 15 Minuten später bin ich wieder unterwegs.
Die Zeitnahme ist die heutige Achillessehne, eigentlich sollten an dem Scanautomaten rechts und links jeweils ein Lesegerät arbeiten, es funktioniert nur eine Seite. Ich laufe zwei Runden und mache wieder eine Pause. Es scheint, dass die Erkältung, welche ich abklingend empfand, doch noch nicht aufgegeben hat. Die gewässerte Wiese wurde noch einmal umgebaut. Wir konnten anfangs noch links außen auf Hackschnitzeln wenigstens einen Teil ohne Schlamm überwinden. Ein Traildorado Flag und etwas Flatterband, schon bleibt uns nur noch der Weg mitten durch die Matsche. Am Parkplatz Hasenwinkel spielt weiterhin der unbekannte Künstler mit seiner Gitarre: She came to me one morning….
Beim Athleten Buffet wird aufgetischt wie im 5 Sterne Hotel, die Getränkeversorgung läuft, alles ist im Flow. Ein Spaziergänger feuert uns an, von ihm erfahre ich, dass um 19 Uhr der Regen kommen soll. Zur nächsten Pause muss ich mir eingestehen, dass ich keine 24 Stunden durchhalten werde. Ich wechsle auf Plan B und plane die Nacht zu schlafen. Am VP gibt’s jetzt auch Live Musik, Pasta wird am Athleten Buffet angeboten.
Als ich um 18 Uhr nach der Pause wieder starten will, ist es draußen bereits nass. Zusätzlich zur Stirnlampe hole ich noch die dicke Regenjacke und die Stöcke. Ich weiß genau, dass ich auf dieser Strecke bei Regen viele Passagen nicht laufen kann, also beginnt der Wanderabschnitt. Diesen beende ich schon nach 2 Runden, es ist dunkel, es schüttet wie aus Eimern und die Trails verwandeln sich in eine Schlammlandschaft. Ich kann mich wandernd kaum auf den Beinen halten, ohne die Stöcke hätte ich meinen Klamotten schon eine schicke Schlammtarnung verpasst.
Es ist ein Schauspiel zu sehen, wie die führenden Trail Experten selbst bei diesen Bedingungen noch laufend an mir vorbei knallen! Hut ab! Inzwischen hat sich bei mir ein Husten festgesetzt und ich beschließe um 20 Uhr ins warme Bett zu wechseln, eigentlich wollte ich noch 2-3 Runden absolvieren. Es gibt im Rahmenprogramm noch zwei Vorträge im Saal, aber danach ist mir nicht. Ich möchte abwarten wie es morgen früh ist, dann entweder noch ein paar Runden drehen oder heimwärts ziehen.
Gute Nacht!
Nach erholsamem Schlaf bin ich eine Stunde vor dem Wecker wach. Ich fühl mich gut, draußen regnet es in absoluter Dunkelheit. Um 6 Uhr bin nochmal auf der Piste. Die Strecke wurde inzwischen durch über 2000faches Durchlaufen gewaltig bearbeitet. Vom Scanner höre ich den Spruch: „Runde 20 – du Maschine“. Leider war der nicht für mich, das hat sich der Läufer vor mir verdient.
Am Verpflegungspunkt brennt eine Feuerschale, eine Discokugel verteilt buntes Licht in der stillen Atmosphäre. Ich wandere gemütlich zwei Runden und genieße das in der zweiten Runde aufkommende Tageslicht. Ich überrasche Tanja und frühstücke mit ihr ausgiebig im Waldschlösschen. Danach fühl ich mich wieder besser, der letzte Abschnitt wird geplant.
Für drei Runden hätte ich noch Zeit, ich entscheide, dass zwei reichen und eine Stunde mit Tee auf der Couch besser für die Gesundheit sei. Gesagt getan. Um 11:02 scanne ich meine 13. Runde und beende meinen ersten Traildorado mit 53,43 km. Genau zur rechten Zeit, denn gerade wird ein Schokoladenbrunnen am Athleten-Buffet eröffnet! Ich sag‘s ja: 5 Sterne! Auf dem Monitor wird angezeigt, dass wir inzwischen über 3000 Runden gedreht haben.
Wir checken aus, tausche den Chip gegen 10 € Pfand und bekomme meine Medaille. Die Urkunde kann zu Hause gedruckt werden. Auf dieser werden die 1690 gemeisterten Höhenmeter erläutert. Virtuell bestiegen: Schneekoppe, 1602 HM (Riesengebirge, Tschechien). Zum Schmunzeln, letztes Jahr war ich noch dort. Es sind diese Kleinigkeiten, die ein Event besonders machen!
Insgesamt hatte der Traildorado nach 10 Veranstaltungen 705 unterschiedliche Starter, jetzt mit Ende der 11. kommen 80 neue hinzu. Viele sind Wiederholungstäter und deren Ergebnisse werden auf der Traildorado Homepage in der „Hall of Fame“ gesammelt. Sowas gefällt mir.
Mein Plan, 100 km zu laufen, ist krachend gescheitert. Die Hälfte hat immerhin gereicht, um in der deutschen Meisterschaft den 7. Platz in der AK zu bekommen. Und jetzt, wo ich die Strecke bei Regen kenne, wünsche ich mir, diese mal 24 Stunden ohne Regen zu erleben. Vielleicht nächstes Jahr? Ich sicher mir schon mal einen der limitierten Startplätze bei Michele. Es könnte ja trocken sein!
Männer– 112 im Ziel
168,51 km – Swen Thorhauer – TRCT Racing Team
156,18 km – Manuel Tuna
143,85 km – Hein Sven Ritschard – Vegan Trailrunner
Frauen – 67 im Ziel
127,41 km – Britta Wagner – TSV Kleinlinden
127,41 km – Jessica Gerritsen – TriFun Hennesee
115,08 km – Gabriele Fischer von Mollard – TSVE 1890 Bielefeld
Staffeln – 10 im Ziel
258,93 km – Sauerländer Laufraketen
226,05 km – TeamAdrianLaeuft I
213,72 km – TeamAdrianLaeuft II