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03.12.21 - Special Event

Tramuntana Travessa: Über den Bergrücken von Mallorca

Eigentlich wollten wir Ende Oktober den Transvulcania auf La Palma laufen, der mehrfach wegen Corona, zum guten Schluss dann aber wegen eines Vulkanausbruchs nicht stattfinden kann. Ich bin als Trail-Läufer absoluter Spanien-Fan. Die Stimmung an den Strecken und im Ziel ist immer fantastisch und Spanien bietet mit seinen vielen schönen Veranstaltungen eine gute Gelegenheit, sich auch im grauen deutschen Herbst oder zeitigen Frühjahr etwas Sonne und warme Luft um die Nase wehen zu lassen.

Insbesondere die Inseln haben es mir mit der Möglichkeit einer Querung oder Umrundung angetan. Vor ein paar Jahren bin ich schon mal durch das Tramuntana Gebirge auf Mallorca gelaufen. Damals, beim Ultra Trail Serra de Tramuntana, ging es von Andratx nach Pollença. Leider wird der Lauf nicht mehr angeboten. Aber seit 2018 gibt es einen Nachfolger, den Tramuntana Travessa. Es geht auf weiten Strecken über den GR221, den berühmten Wanderweg auf der Insel mit den vielen Gesichtern. Die Strecke führt in umgekehrter Richtung etwa 120 Kilometer von Pollença nach Andratx und verläuft weiter im Osten als sein Vorgänger. Soller entfällt als Etappenziel, dafür verpflegen wir uns in Bunyola, wo auch der Start der Kurzstrecke ist.  

Ich bin froh, als ich endlich im Flieger nach Mallorca sitze. Bis zuletzt hatte ich noch Bedenken, dass uns die Einreise als deutsche Superspreader kurzfristig versagt wird. Schießen doch die Coronazahlen in den letzten Tagen in Deutschland durch die Decke. Der Flug geht über Zürich. Ich schaue aus dem Fenster und sehe unter mir eine bereits schneebedeckte Voralpenlandschaft. Aus den Wolken ragt majestätisch der Alpenhauptkamm. Es ist Winter und das merken wir auch bei unserer Ankunft auf Mallorca. Sobald die Sonne verdeckt ist, wird es lausig kalt.

 

 
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Die letzten Wochen hat es ausgiebig geregnet. In den Bergen lag Schnee. Aber die Sonne hat angeblich alles wieder weggeputzt und für das Laufwochenende ist gutes Wetter gemeldet. Wir (Burkhard, seine Frau Ina und ich) warten noch bis Jenni und André landen und fahren dann gemeinsam mit dem Mietwagen in unsere Ferienwohnung direkt in der Altstadt von Pollença, die wir in der frühen Dunkelheit erreichen. Eigentlich hätten wir auch die Startnummern noch in Bunyola abholen können, aber das geht auch vor dem Start, hier auf dem Marktplatz. Wir schlendern durch die Straßen auf der Suche nach einem Restaurant. Die meisten Geschäfte und auch viele Kneipen und Restaurants sind geschlossen. Es ist wohl absolute Nebensaison.

Nach einer kalten Nacht im unbeheizten Schlafzimmer empfängt uns der Morgen mit Regen. Immerhin haben wir die Elektroheizung im Wohnraum am Laufen, aber mehr als eine Platte am Herd verträgt die Sicherung nicht. Also machen wir uns schnell auf den Weg nach La Palma, die Hauptstadt. Auch hier ist die Mehrzahl der Geschäfte geschlossen. Trotzdem lohnt sich der Ausflug. Wir sind ja nicht zum Shoppen hier. Am Abend wird noch ausgiebig gespeist und dann wird so lange geschlafen, wie es geht.

Der Start des Rennens ist am Abend um zehn. Wir hängen den ganzen Tag in der Wohnung rum. Wenn die Sonne rauskommt, sind wir auf der Dachterrasse und fangen etwas Wärme ein. Ansonsten checken wir die Ausrüstung und versuchen noch ein paar Informationen zum Lauf zu bekommen. Die Informationslage ist recht dürftig und die Webseite auf Katalanisch macht es auch nicht einfacher. Leider gibt es auch keinen Track für die Uhr. Angeblich, weil so viele Privatgrundstücke betroffen sind.

 

 
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Kurz nach neun sind wir abends am Start auf dem Marktplatz. Wir bekommen eine Startertasche mit einem Shirt und der üblichen Werbung. Mit der Startnummer bekommen wir einen GPS-Tracker, mit dem der Standort der Läuferinnen und Läufer jederzeit abrufbar ist. Etwa 120 Teilnehmende bevölkern den Platz. Mir fallen keine anderen ausländischen Läufer auf. Immerhin sind einige dabei, die in etwa in meiner Altersklasse sind. Die Moderation wird immer lauter und schon geht der Countdown.
Ich bin froh, dass es endlich losgeht. Die kalte Luft ist sehr ungemütlich. Wir laufen durch die schmalen Gassen von Pollença. Viele Angehörige aber auch Einheimische stehen am Rand und feuern uns an. Auch als wir schon die Lichter der Stadt verlassen haben, stehen an den vereinzelten Häusern die Bewohner und klatschen und unterstützen uns mit ihrer guten Laune. Wahnsinn.

Die Strecke kenne ich noch. Es geht entlang eines kleinen Baches. Der Trail ist durch den Regen der letzten Wochen etwas aufgeweicht aber den wenigen Pfützen kann man gut ausweichen und so bleiben die Schuhe gegen meine Erwartungen trocken.

Jenni ist schon über alle Berge. Sie wird den Lauf erwartungsgemäß auf dem Treppchen beenden. Wir sind als Dreiergruppe irgendwo am Ende des Feldes unterwegs. Breitere Furten werden auf Trittsteinen überquert. Die ersten Kilometer sind perfekt zum Einlaufen. Erst nach acht Kilometern geht es in die Höhe. Einige Weidezäune sind mit Leitern zu überklettern. Am Kloster Lluc ist die erste Verpflegungsstelle.

Jetzt folgt der erste lange Anstieg zum höchsten Punkt des Laufes. Die Markierungen sind leider etwas spärlich. An einigen Abzweigungen müssen wir suchen und das nächste Flatterband kommt erst nach zwei- oder dreihundert Metern. Der Weg wir immer schmaler. Es ist stockfinstere Nacht. Neumond. Die Sterne funkeln am Nachthimmel und langsam schrauben wir uns höher. Auch die Unterhaltungen der uns begleitenden Spanier flauen ab. Ab und zu erkennt man letzte Schneereste zwischen den Steinen. Mal blökt ein Schaf, oder eine Ziege meckert. Sehen können wir sie aber nicht.

 

 
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Kurz unter dem ersten Gipfel verlaufe ich mich mit einer spanischen Dreiergruppe. Der Weg endet an einer Wetterstation. Unter uns sehen wir noch Kopflampen, die aber recht schnell wieder verschwinden. Wir steigen wieder ab und finden dann auch gleich den richtigen Pfad. Eine Markierung war wohl vom Winde verweht und liegt auf dem Boden zwischen den allgegenwärtigen hohen Grasbüscheln. Unter uns immer noch ein paar Kopflampen. Alles gut.

Es geht über ein Joch unterhalb des Gipfels. Unter uns sind die Lichter der Küste zu erkennen. Wir steigen wieder ein Stück ab, um dann zur höchsten Stelle unterhalb des Puig de Massanella hochzuwandern. Schade, dass es dunkel ist. Den Übergang habe ich in guter Erinnerung. Am Tag sieht auf beiden Seiten des Bergrückens hinunter bis zum Meer. In der Nacht glitzern nur die Lichter von der weit entfernten Küste. Über uns ein schöner Sternenhimmel. Wieder ist es nicht einfach, den Einstieg auf der anderen Seite des Berges zu finden, schließlich laufen wir auf gutem Weg bergab. An der VP im Tal kommt André kurz nach mir an. Er hat beim Aufstieg etwas geschwächelt. Ich frage nach Burkhard. Er war im Anstieg knapp hinter mir und hat mich wohl bei meinem Ausflug zur Wetterstation überholt. André müsste ihn somit unterwegs getroffen haben. Der Kontrollanruf bestätigt unsere Vermutung. Burkhard ist raus. Er hatte sich am Übergang verlaufen und als er wieder zurückkam, waren die Markierungen schon abgeräumt. Die Schlussläufer waren direkt hinter den letzten Läuferinnen und Läufern und haben die Markierungen eingesammelt. Da er auch nach kurzem Weiterlaufen keine Lichter gesehen hat, ist er zum Kloster Lluc zurückgekehrt. Auch dort war kein Mensch mehr. Eine Notrufnummer gab es auch keine und so hat ihn dann seine Frau Ina dort abgeholt. Schade.

Wir machen uns auf den Weg nach Orient, zur nächsten Verpflegung. Die Strecke ist unspektakulär und wir machen ganz gut Kilometer. Endlich wird es hell. Die Sonne wärmt uns vom wolkenlosen Himmel. Kiefernwälder und Olivenbäume wechseln sich ab. Dazwischen immer wieder liebliche Bachtäler. Leider bin ich heute etwas zu faul zum Fotografieren. Ehrlich gesagt, hatte ich auch nicht damit gerechnet, das Ding zu Ende laufen zu können. In diesem Fall hätte es auch keinen Bericht gegeben. Ich hatte mir in der vorigen Woche die Außen-Bänder am linken Fuß angerissen und der Start war mehr als fragwürdig. Zwar ein bisschen blau, aber gut getaped und weitestgehend schmerzfrei hatte ich mit dem Fuß eigentlich keine Beschwerden und mit einer ärztlichen Versicherung, dass ich mir nichts kaputt laufen kann, war das Ziel, so weit zu laufen, wie es eben ohne Schmerzen geht. Und es geht ganz gut. Die Füße tun weh, aber wegen des Gerölls, das den größten Teil der Strecke bedeckt.

 

 
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In Bunyola ist die nächste Verpflegung. Hier ist auch vor unserer Ankunft die Kurzstrecke gestartet. Gleich nach der Ortschaft empfängt uns ein breiter Weg mit noch breiteren Pfützen. Die Läuferinnen und Läufer versuchen sich am äußersten Rand am Zaun entlang zu hangeln, was mal recht, mal schlecht gelingt. Danach wieder viele Olivenhaine im warmen Sonnenlicht. Wir laufen jetzt immer wieder mal auf Fahrwegen oder sogar ein Stück auf Teerstraßen und kommen schnell voran. Leider stimmen die Kilometerangaben auf dem Höhenprofil der Startnummer überhaupt nicht. Irgendwo haben die sich um 10 Kilometer verhauen. Egal. Ich laufe meistens mit einem Spanier zusammen. Ab und zu werden wir überholt. Manchmal sind wir die Schnelleren. Das Feld hat sich ewig weit auseinander gezogen.

Schon von weitem haben wir einen schönen Blick auf Valdemossa und eigentlich dachte ich, ab hier wäre es nur noch ein Marathon. Aber Valdemossa kommt 10 Kilometer zu früh. Egal. Bis zum Cutoff sind es jedenfalls noch zwei Stunden. Aus dem Dropbag nehme ich nur eine Dose Bier, um die Nudeln, die hier angeboten werden, runterzuspülen. Ansonsten passt noch alles. Ich will keine Zeit verlieren und nehme das Essen in beide Hände, um schon mal der Hektik zu entkommen und verpflege mich beim weiteren Spaziergang durch den Ort. Die ersten Kilometer geht es an der Hauptstraße entlang. Das muss wohl so sein, denn die vielen privaten Wege, die es auf Mallorca gibt, werden von ihren Besitzern nur ungern für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Das war wohl auch der Grund für das Aus der Vorgängerveranstaltung.

An der Verpflegungsstelle in Esporles läuft André wieder auf mich auf. Seine Freundin Jenni ist wohl schon beim letzten Abstieg. Wir beschließen, den Rest gemeinsam zu machen. Es ist jetzt sehr einsam auf der Strecke und die frühe Dunkelheit ist zu zweit einfach besser zu bewältigen. Auch die Kilometerangabe für Esporles hat nicht gepasst und so fangen wir an, mit den Infos der Helferinnen und Helfer und den laut Uhren (verschiedenen) tatsächlich zurückgelegten Kilometern, die Zielankunft hochzurechnen. Wir kommen auf insgesamt 114 km (was erstaunlich gut passen sollte).

Beim letzten großen Anstieg greife ich nach hinten nach den Stöcken und merke erst jetzt, dass ich die Dinger wohl schon in Valdemossa habe stehen lassen, statt sie, wie üblich vor der Verpflegungsstelle im Rucksack zu verstauen. Eine gute Gelegenheit, den Unterschied zu spüren. Ich werde in Zukunft die Stöcke öfters im Rucksack lassen. Bergab sowieso, aber auch berghoch geht es ohne sehr gut.

In Estellencs ist das letzte Cutoff. Wir konnten die zwei Stunden halten. Hinter den Kiefern geht bereits die Sonne unter. Für die wirklich fantastische Aussicht sind wir aber zu spät. Wir kommen nur langsam den Berg hoch und nach der letzten Verpflegung im Refugio ist es draußen stockdunkel. Die nächsten drei Kilometer geht es auf kleinen Pfaden steil berghoch. Der Blick hängt an der Strecke. Es ist sehr windig, aber die Anstrengung lässt uns nicht frieren. Oben angekommen ziehen wir die Windjacken über. Tagsüber ist die Aussicht hier phänomenal. In der Nacht begeistert nur der Sternenhimmel. Die blaue Küste zwischen den warmen Felsen ist nur eine Erinnerung.

Wir müssen uns voll auf den Track konzentrieren. Viele Markierungen fehlen und wir suchen uns mühsam einen Weg im weglosen Geröll. Zum Glück gibt es kleine Blinklampen, die ab und zu an Stangen in den Felsen stecken, aber die Entfernung lässt sich nur schwer abschätzen. Gut, dass wir zu zweit sind. Vor oder hinter uns sind keine weiteren Kopflampen zu erkennen. Wir kommen nur mühsam und langsam voran. Für die ersten drei Kilometer bergab brauchen wir 90 Minuten. Dann kommt wieder braune Erde zwischen den Steinen und man erkennt einigermaßen die Spuren unserer Vorgänger. Dann wieder Grasbüschel und Geröll.

Ich habe die ganze Zeit den linken Fuß entlastet, was dem rechten Knie jetzt nicht mehr passt. Ich bin frustriert. Wir fangen an, bei jedem höheren Absatz zu fluchen, aber es hilft ja nix. Der erste halbwegs erkennbare Weg wird mit viel Dankbarkeit begrüßt. Es tut richtig gut, wieder etwas ins Laufen zu kommen. Unter uns auch wieder ein paar Lichter. Dann kommen wir an eine Straße, der wir ein gutes Stück folgen. Nach unserer Rechnung sind es jetzt nur noch ein paar Kilometer. Wir fragen eine Helferin vom Roten Kreuz an einer Straßenquerung.

 

 
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Noch 4 Kilometer. Aber kann das sein? Wir sehen nur vereinzelte Lichter. Von einer Stadt keine Spur und es kommen uns ernsthafte Zweifel. Erst zwei Kilometer vor dem Ziel überqueren wir einen Bergrücken und sehen unter uns die Stadt. Auf gut laufbarem Weg erreichen wir Andratx. Finisher auf dem Heimweg und Anwohner jubeln uns zu. Im Ziel auf dem großen Marktplatz erwartet uns Jenni, die das Ziel noch im Hellen erreicht hat, mit Ina und Burghard. Unter großem Jubel laufen wir ein und ich werde sogar noch als zweiter in meiner Altersklasse geehrt. Okay, es waren auch nur zwei am Start.

Es gibt noch eine schöne Finisher-Jacke, aber die Verpflegung erledigen wir dann lieber im benachbarten Restaurant, wo wir bei leckerem Essen und Bier wieder Energie tanken. Fast schade, dass es schon vorbei ist.

 

Fazit

 

Der Tramuntana Travessa ist ein schöner Lauf durch das Gebirge von Mallorca. Durch den späten Termin (der Lauf findet immer Ende November/Anfang Dezember statt) laufen die langsameren Läuferinnen und Läufer den letzten, sehr schönen Abschnitt, leider im Dunkeln. Es lohnt sich also etwas auf die Tube zu drücken.

Die Markierung war nicht immer einfach zu finden. Insbesondere hätte ich mir direkt nach Abzweigungen öfters mal ein Flatterband zur besseren Orientierung gewünscht. Ansonsten ist der Lauf sehr gut organisiert. Die Strecke ist bis auf wenige Abschnitte gut zu laufen. Längere Asphaltabschnitte und Fahrwege sind wohl der Genehmigungslage geschuldet. Den letzten Downhill fand ich insgesamt sehr abenteuerlich, da viele Markierungen nicht mehr gut zu erkennen, oder durch den starken Wind nicht mehr vorhanden waren. Guter Orientierungssinn ist da von Vorteil. Durch die Blinklampen war die Situation aber nie wirklich gefährlich.

Einen Trail sollte man eben nie auf die leichte Schulter nehmen. Nicht umsonst steht in den Ausschreibungen, dass man im Gebirge in der Lage sein muss, autark unterwegs zu sein und auch in schwierigen Situationen ohne Hilfe zurecht zu kommen.

 

Strecken

 

Pollença-Andratx            120km / 4555 Hm

Bunyola-Andratx             65 km / 2205 Hm

Website:             https://tramuntanatravessa.es

 


 
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