Diese drei Begriffen umschreiben treffend den sechstägigen Etappenlauf im Hohen Atlas Marokkos. Dieser Gebirgszug teilt Marokko in zwei Klimazonen, nördlich eher feuchtes Klima mit Niederschlägen und Temperaturschwankungen ähnlich wie in den Alpen. Südlich davon ist das Klima von der extrem trockenen Sahara bestimmt. Da mittendrin ist die kleine Gruppe von Trailläufern um die Organisatoren Ahansal, die 285 Kilometer mit 14000 Höhenmetern in nur 6 Tagen durch diese raue Natur erleben wollen.
Nur 245 Kilometer nordöstlich von Marrakesch traf ich mich mit den anderen Teilnehmern in Zaouiat Ahansal (1640 m). Ich war schon zwei Tage vor Ort und hatte auch schon erste zur Akklimatisierung gemacht. Das Wetter hier oben in den Bergen war mit etwa 25 Grad in der Mittagssonne recht angenehm. Jedenfalls im Vergleich zu über 40 Grad in Marrakech. Schon die Anfahrt über die Berge bis zum Startort war beeindruckend. Viele Kurven schlängelten sich die Berge hinauf und wieder hinunter mit grandiosen Weitblicken über die kahlen Berggipfel, die weit über 3500 Meter hoch waren. Mit dem 4x4-Geländewagen brauchten wir jedoch schlappe 6 Stunden auf den zuerst asphaltierten Straßen, später dann staubigen, schottrigen Schlaglochpisten. Also fast eine Tagestour, um in das kleine Dorf Zaouiat Ahansal zu gelangen.
Der Zielort der gesamten Strecke in Imlil war nicht weniger beeindruckend. Der Touristenort Imlil auf 1740 m Höhe liegt am Fuß des 4165 m hohen Toubkal und ist Ausgangsort für die Besteigung des höchsten Gipfels des Atlasgebirges. Nicht nur die klimatischen Besonderheiten stellten eine Herausforderung dar, sondern auch die Höhe, auf der wir uns die ganze Woche aufhielten. Wir schliefen ausschließlich auf mindestens 1600 müNN, im Biwak sogar auf 2100 müNN und die höchsten Übergänge lagen bei 3450 müNN bzw. am letzten Tag noch einmal bei 3200 müNN.
Ein paar allgemeine Worte zum Laufabenteuer vom 18. bis 23. Mai über die marokkanischen Berge: Die Etappen waren zwischen 31 und 58 Kilometer lang, plus im Schnitt etwas mehr als 2000 Höhenmeter im Auf- bzw. Abstieg. Zu den Tagesetappen konnte ich nur Trinkwasser an zwei bis drei Stops aufgefüllt werden, es gab also keine richtigen Verpflegungsstellen, wie wir sie bei europäischen Läufen gewohnt sind. Den marokkanischen Läufer dienten auch die unzähligen Quellen entlang der Treckwege, um ihre Trinkvorräte aufzufüllen. Ich trug lieber einen Liter mehr sauberes Wasser mit mir herum, um einer Unpässlichkeit aus dem Weg zu gehen. Für die individuelle Verpflegung (Riegel, Gel oder Isogetränk) war jeder selbst verantwortlich. Laut Veranstalter sollten es etwa 1000 Kalorien sein.
Unter den einheimischen Läufern waren vor allem Datteln angesagt, ziemlich süß aber sehr nahrhaft. Natürlich war die übliche Trailausrüstung gefragt, um sich bei Verletzungen im Notfall selbst versorgen zu können. Auch Regenkleidung sowie Langarmshirt und lange Hose hatte ich immer dabei. Die ersten Tage fragte ich mich, ob denn das nötig wäre. Doch am letzten Tag zeigte sich dann das Wetter im Atlasgebirge von seiner besonders rauen Seite, wie wir es auch aus den Alpen kennen: Starker, kalter Wind und Regen bzw. später dann Hagel und fallende Temperaturen bis ins Ziel. Da war ich dann gottfroh um jedes Kleidungsstück, das ich überstreifen konnte. Mein restliches Gepäck wurde vom Veranstalter auf riesigen Umwegen zu den einzelnen Etappenorten transportiert.
Die TAM-Strecke führte meist entlang der unzähligen Maultierpfade, die die Nomaden und Dorfbewohner nutzen, um über die Berge zu ziehen. Sie waren meist einigermaßen gut erkennbar, manchmal war die Streckenmarkierung eine große Hilfe, um nicht in der Weglosigkeit verloren zu gehen. Die Markierungen waren in erster Linie orangefarbene Punkte oder Pfeile auf Steinen, an Felsen, Posten oder Häuserwänden. Sie kamen in regelmäßigen Abständen, so dass jeder Teilnehmer schnell merken sollte, wenn er sich nicht mehr auf der Laufstrecke befände.
Für die Einschreibung benötigte jeder Teilnehmer ein ärztliches Zeugnis mit EKG und Belastungs-EKG. Eine kurze Befragung über Gesundheitszustand und besondere Verletzungen etc. erfolgte dann durch das vierköpfige Ärzteteam um Matthieu, das uns die nächsten Tage sowohl an der Strecke als auch zu den Etappenorten begleiten würde. Am Vorabend der ersten Etappe gab es dann noch ein ausführliches Briefing mit Bildern und Video vom letzten TAM. Mohamad begrüßte alle Teilnehmer zur dritten Austragung des TAM und erklärte uns die Details zur morgigen Strecke. Ein gemeinsames Abendessen rundete den Abend ab. Noch etwas Tanzen, Klatschen und Singen und dann gingen alle in ihr Quartier.
Auf die knapp 40 Starter am ersten Tag kamen fast ebenso viele Begleiter, die sich um das Wohl der Läufer bemühten. Nur 5 Teilnehmer kamen nicht aus Marokko, zwei englische und ein italienischer Journalist, eine Schweizerin mit marokkanischen Wurzeln und ich. An den letzten beiden Tagen waren dann noch weitere Teilnehmer am Start. So reiste auch Magdalena mit den Eltern von Basti Haag an, um an den letzten beiden Tagen zum Gedenken von Bastis Tod beim TAM mitzulaufen. Basti Haag, ein Extremsportler und Skibergsteiger und ein guter Freund von Mohamad, war bei den ersten beiden Austragungen des TAM dabei und wollte auch 2015 am Start stehen. Doch alles kam anders! Im September 2014 wollte er mit zwei Freunden zwei Achttausender im Speedski-Stil besteigen. Dieses Projekt endet für zwei Bergsteiger (darunter Basti) tödlich, nur einer konnte sich selbst aus den Schneemassen befreien. Mohamad hatte so diesen dritten Trans Atlas Marathon seinem Freund Basti gewidmet.
Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es zum Ortseingang von Zaouiat Ahansal, wo uns die Dorfbewohner mit viel Musik und Tanz erwarteten. Nicht ganz pünktlich fiel dann der Startschuss zur ersten Etappe über 54,7 km, 2412 m im Aufstieg und 2209 m im Abstieg. Zuerst noch eine Runde durch das Dorf und dann war ich auch schon in der Einsamkeit unterwegs. Nach 12 Kilometern erreichte ich den ersten Berg mit 2770 m Höhe und bei km 20 den höchsten Berg des heutigen Tages, dem Tizi Llaz mit 2935 m. Mit einem steilen Abstieg bis zu einer Hochebene auf 2500 m und einem dritten Aufstieg auf 2892 m hatte ich schon mal einen Vorgeschmack auf die Stecke, die mich in den kommenden Tage erwartete würde.
Im Ziel begrüßten und beglückwünschten mich dann Mohamad und sein Team mit einem heißen, süßen Minztee. Oft war mein einziger Begleiter auf den langen Etappen die Natur mit ihren stacheligen Sträuchern und wunderschönen bunten Blumen, die steinigen Wege, die Ziegen und Schafe, die an den Hängen weideten. Aber auch die endlosen steilen Aufstiege und Abstiege, die schneebedeckten Gipfel, die vorbeiziehenden Nomaden mit ihrem Hab und Gut auf dem Esel oder Maultier, die Lehmhütten in den abgelegenen Tälern und die saftig grünen Flusstäler mit schattenspendenden Palmen, Feigen-, Walnussbäumen und Oleandersträuchern. Ich konnte mich auf die Stille in den Bergen konzentrieren, den orangefarbenen Wegmarkierungen folgen und mir Zeit für Fotos lassen oder einfach nur meine Umgebung wahr nehmen.