Transsilvanien, Vollmond, Bärenpfeife am Rucksack, unendlich weite Almwiesen und Wälder in den Karpaten. Und irgendwann winkt am Fuße von Schloss Dracula in Bran/Rumänien das Ziel. Mehr Motivationsgründe kann man nicht bieten, um sich mehrere Monate auf diesen besonderen Lauf vorzubereiten bzw. sich zu freuen.
Transylvania100k bietet drei Laufstrecken über 30, 50 oder 100km an. Alle sind der Hammer; bei allen drei Streckenangeboten geht es eine atemberaubende Schneescharte auf ca. 2200 mtr hoch. Das erlebt man nicht oft. Der Puls pocht bis zum Anschlag - alles nimmt einen in Beschlag: dieser grandiose Aufstieg, diese famose Aussicht auf eine überwältigende Bergwelt, das Gefühl mitten im Nirgendwo – irgendwo in Transsylvanien zu sein. Diese Laufveranstaltung sprüht vor Magie, ein Zauber liegt über ihr. Andy Heading, englischer Organisator, verzaubert alle, und zaubert im wahrsten Sinne ein richtiges Brett in diese aktuelle Trailwelt.
Aber Vorsicht liebes Laufvolk: lasst euch nicht zu sehr verzaubern von diesen Highlights. Das Ding hat es faustdick hinter den Ohren. Das Streckenprofil liest sich schnell, aber die Wege sind technisch sehr fordernd. Und dann kommt noch dieses Wetter im Hochgebirge des Nationalparks von Bucegi dazu. Wetterkapriolen vom Feinsten: kalt-warm, Sonne, Wind, Regen, Hagel, Schnee, Nebel, Tag-Nacht (bei den 100km). Die Wechsel kommen sehr schnell.
So oft habe ich das Outfit noch nie gewechselt. Ich bin auf der 100km-Strecke unterwegs. So viel Schnee auf den Wegen hatte ich noch selten bei meinen Läufen. Ungefähr 6 Laufstunden sind meine Füße tiefkalt, nass und irgendwie ungemütlich. Weitere 23 Stunden sind sie permanent nass durch den Regen, Schneeresten oder nasse Wiesen. Ein schweres Los, mit diesen Gegebenheiten umzugehen. Seine eigenen Füße will man im Ziel gar nicht selber sehen.
Der 100km-Lauf (und auch die beiden anderen Läufe über 30 und 50km ebenso) starten und finishen in Bran, am Fuße von Schloss Dracula. Bei der Anmeldung in der nicht weit entfernten Sporthalle kommt man mit den ersten Läufern und dem Organisatoren-Team in Kontakt. Und man spürt gleich, dass es hier irgendwie anders läuft als bei den Läufen in der Alpenregion. Und nebenbei gesagt: ich liebe diese Herausforderungen.
Beispiele gefällig?
Briefing – gibt es nicht. Der Veranstalter schreibt, dass bei kurzfristigen Änderungen dies per Handzettel mitgeteilt wird. Ok, heute keine Handzettel, heute keine Änderungen.
Markierung – bei Tage: gelb/rotes Band, bei Nacht: gelbes reflektierendes Band. Und in der Realität: eine Mischung aus den Bändern, d.h. bei Nacht nicht immer reflektierende Bänder.
Streckenlänge – anstatt 101km müssen 105km gelaufen werden.
Profil – anstatt 6500Hmtr müssen ca. 6700Hmtr hoch und runter absolviert werden.
Schneemenge – laut Veranstalter liegt ein wenig auf dem Weg, jedoch meist plattgetreten; zur Orientierung: ich war im Mittelfeld unterwegs und über 6 Std im Schnee laufend, und dies zum Teil zwischen knie- und hüfttief.
Aber das macht es doch auch irgendwie beim Traillaufen aus – sich auf etwas einlassen, sich seiner Leidenschaft hingeben und einfach nur spüren. Und hier beim Transylvania100k kann man alles spüren: Emotionen, Teamgeist, Abenteuer, Schmerzen, brennende Beine, „brennende“ Hintern von den Downhills auf dem Allerwertesten (gut, die Pobacken brennen nicht, weil der Schnee alles nur tief kalt und nass macht – aber wehe die Steine kommen durch…), unsagbar schöne Landschaften und magische Nächte. So ist es mir widerfahren. Eine magische Nacht, mit einer toll kämpfenden und nimmermüden Laufpartnerin. Eine Nacht, die mehr Wert ist als jede Platzierung oder eine selbsterrechnete Zielankunftszeit. Dafür Laufen wir – dafür gehen wir ein Abenteuer ein. Ich finishte gemeinsam mit ihr und wir waren stolz wie Oskar.
Die 100km von Transsylvanien in der 3.Auflage sind Geschichte, aber bei mir werden sie immer präsent sein. Zum Lauf möchte ich noch kurz sagen, dass die Strecke top markiert war. Ein Orga-Teammitglied berichtet mir im Vorfeld, dass im ersten Veranstaltungsjahr 1,3km Markierungsband, im zweiten Jahr 3,0km, und im dritten Veranstaltungsjahr 5,0km Markierungsband verarbeitet wurden. Und ich finde, es hat sich gelohnt. Ich hatte keinen Verlaufer und nur zwei Stellen, an den ich etwas gesucht habe. Mein Navi war immer im Rucksack verstaut. Gut, für eine mutwillige Veränderung/Sabotage kann kein Veranstalter etwas – passiert nach der VP bei km43 bei Busteni – mit wachsamem Auge und mit Hilfe der Gruppe ließ sich der Weg wieder finden.
Die Härte des Laufes ist auf der ersten Hälfte zu spüren. 50km mit ca. 4700Hmtr setzen vielen zu. Eine große Zahl von Läufern erreicht erst nach dem Cut-off die VP bei km43 in Busteni. Ich denke, alle vorgenannten Faktoren führten zu den Zahlen: 119 Teilnehmer – 69 Finisher. Ca. 40% Ausfallquote – das ist ein Wort.
Doch das reizt uns doch, da muss man hin. Der Abenteurer sucht sich alleine seinen Weg dahin, der kontaktsuchende und sicherheitsdenke Mensch kann bei den fabelhaften Menschen von Sommerkind Trailrunning Touren ein Paket buchen. Und ehrlich gesagt: die haben einen klasse Job gemacht. Transylvania100k, von diesem Lauf werden wir in den kommenden Jahren mehr hören.