Im Herbst 2018 stieß ich auf einen Bericht und ein Foto über den Antelope Canyon in Page, Arizona. Fasziniert von den bizarren Formen und Farben habe ich die Gegend mal als mögliches Urlaubsziel unter die Lupe genommen und bin dann auf den Antelope Canyon Ultra gestoßen. Der Veranstalter Vacation Races bietet in den Nationalparks der USA etliche interessante Läufe an, darunter auch diesen.
Schnell mal die Kosten gecheckt und siehe da: der Flug nach Las Vegas ist bei frühzeitiger Buchung gar nicht mal so teuer. Bei der Anmeldung dann die erste Enttäuschung. Der 50 Meiler, der durch alle Slot-Canyons führt, ist schon ausgebucht. Also melde ich mich bei den 55 Kilometern an und befolge den Rat des Veranstalters, später ein Ticket auf Facebook zu ergattern, was auch recht einfach war. Ich habe dann mein Ticket auf die gleiche Weise über die Veranstaltungsseite losbekommen. Anmeldung und Umschreibung sind vorbildlich geregelt.
Also geht es Anfang März mit meiner Frau in 11 Stunden Flug direkt nach Las Vegas, wo wir eine Stunde nach der Landung unseren Mietwagen in Empfang nehmen können. Nach einer Schleife durch das Death Valley geht es direkt nach Page. Die Stadt am Lake Powell ist ein guter Stützpunkt für Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung. Zion Nationalpark, Grand Canyon, Monument Valley, Colorado River, alles an einem Tag zu erreichen. Aber auch das direkte Umfeld hat genug zu bieten, besonders wenn man jemanden hat, der einem gute Ausflugstipps geben kann. Da meine Frau keine Läuferin ist, schauen wir uns also schon mal im Vorfeld ein paar Highlights der Strecke an, wobei die Vorfreude immer größer wird.
Freitagabend geht es dann zum Abholen der Startnummer zum Gemeindehaus. Dort gibt es eine kleine Laufmesse mit Shirts und den üblichen Dingen, die man unbedingt noch zu brauchen glaubt. Mit einer Tanzdarbietung von Navajo- Indianern werden wir auf das Rennen eingestimmt.
Am nächsten Morgen geht es dann im Dunkeln zum Amphit Theatre, einer natürlichen Felsformation vor den Toren der Stadt. Nach einer kurzen Ansprache und einem Gebet der Navajos werden wir auf die Strecke geschickt. Durch tiefen Sand geht es auf die ersten Felsen zu. Alles ohne Gedränge, alles sehr gelassen und ohne Hektik. Ein Verhalten, dass mir schon die ganze Woche aufgefallen ist.
Schon nach wenigen Meilen tauchen wir ein in den ersten Slot Canyon. Die ausgewaschenen Felsen werden immer dichter und sind manchmal gerade noch so breit wie ein schmaler Läufer. Ein paar hundert Meter kann eine solche Felsspalte lang sein. Wir überqueren einen Kamm und kommen zum ersten VP, den ich auslasse. Jetzt geht es durch ein breites Tal in Richtung Antelope Canyon. Um diese Zeit sind noch keine Touristen unterwegs und so haben die Runner das Schauspiel ganz für sich.
Zum Glück hatten wir uns den Canyon schon vorher in aller Ruhe angeschaut. Die Formen und Farben sind einfach atemberaubend und es wäre schade, nur kurz durchzuhuschen. Am Ende weitet sich die Felsspalte dann unvermittelt und zurück geht es parallel in einem weiteren Slot-Canyon zum gleichen VP wie vorhin. Von dort führt die Strecke, mal sandig, mal über schroffen Fels über eine lange Ebene in Richtung Horseshoe Bend. An dem reich bestückten VP (mit Bacon und Tortillas) wird dann mal nachgetankt. Bananen-Nutella-Wraps geben genug Energie für die nächsten tausend Kilometer und weiter geht’s zum Hufeisen des Colorade Rivers. Der Fluss hat sich mehrere hundert Meter tief eingeschnitten und macht eine 180 Grad Wende. Ich stehe am Rand und bin überwältigt. Das ist es, warum ich laufe. Diese unbeschreiblichen Erlebnisse in faszinierender Landschaft.
Wir begleiten den Colarado River am Rand entlang. Hier gibt es keine Absturzsicherung. Du kannst gehen bis an den äußersten Rand. Die Strecke ist einfach der Hammer. Aber auch anstrengend. In stetigem Auf und Ab geht es bis zu einer weiteren Schleife, an der wir den Fluss in Richtung Waterhole Canyon verlassen. Durch tiefen Sand erreichen wir den VP am Eingang zum Canyon. In einer wilden Kraxelei geht es bis zum Grund und wir verschwinden in einer schmalen Felsspalte. Mal über Leitern, mal mit Klettereinlagen durchqueren wir den Flusslauf, der bei Regenereignissen, wie die anderen Slot-Canyons gesperrt ist.
Über die sandige Hochebene geht zum zweiten Mal zum VP Horseshoe Bend. Dort werden erst die Füße begutachtet. Dank meiner Gamaschen werde ich vom Sand verschont. Trotzdem habe ich zwei Blasen an der Ferse. Liegt wohl an den anderen Einlagen, die ich auf so langen Strecken noch nicht ausprobieren konnte. Egal. Ich steche die Blasen auf, ziehe frische Socken an und weiter geht es in Richtung Page. Immer wieder wechseln sich Sand mit Fels ab, wobei der Sandanteil deutlich überwiegt. Das Laufen wird zur Qual. Zum Glück sind die Temperaturen angenehm. Der aufkommende Wind ist sogar recht frisch, was mir bei der Schinderei aber eher willkommen ist.
Der tiefe Sand kostet enorm Körner. Gehpausen sind auch keine Hilfe, weil Du dabei gar nicht mehr weiterkommst. Der letzte Anstieg führt dann hoch auf das Plateau von Page. Auf dem Page Rim, der mit fantastischen Ausblicken rund um die Stadt führt, müssen die 100-Meiler sechs Runden absolvieren. Für mich reicht eine. Auf festem Untergrund geht es wieder recht flott, während die untergehende Sonne die Landschaft in warme Farben taucht. Auf dem Page Rim haben wir die Rundumsicht über den Lake Powell und die umgebenden Tafelberge. Die Lichtstimmung ist einfach großartig. Langsam wird es auch dunkel. Die Kopflampe hatte ich am Horseshoe Bend in einem Anflug von Größenwahn meiner Frau mitgegeben, die dort auf mich wartet. Schlimm ist das nicht, nach einem letzten Weichsandfeld komme ich mit dem letzten Tageslicht im Ziel an und freue mich über die schöne Medaille.
Fazit:
Der Antilope Canyon Ultra ist ein absolut empfehlenswerter Lauf in faszinierender Landschaft. Einfach traumhaft. Die 50 Meilen sollten es schon sein, sonst verpasst Du den Antelope Canyon. Bei frühzeitiger Buchung bleiben die Kosten überschaubar.
Der Frauenanteil liegt bei den 50 Meilen bei 52%, bei den 55k bei 63% beim HM bei 73%. Das liegt meines Erachtens am gegenseitigen Respekt und der Achtung, die insbesondere die schnellen Läufer den anderen entgegenbringen.
Autor Hendrik Dörr ist Orga-Chef vom HartfüßlerTrail