Die Mojave Wüste ist die größte Wüste der USA. Sie reicht von Kalifornien über Süd Utah und Arizona bis nach Nevada. Der niedrigste Punkt liegt mit -85 m üNN in Badwater im Death Valley, wo ich auch schon mal einen Marathon gelaufen bin und wo der weltberühmte Ultra stattfindet. Der höchste Punkt ist Charleston Peak mit über 3500 m üNN. Dort gibt es aber keinen Lauf. Ich hatte mich für einen Marathon in der Nähe von Boulder City in Nevada entschieden. Es liegt ca. 45 km südöstlich von Las Vegas.
Boulder City ist eine Retortenstadt, denn sie wurde in nur einem Jahr für nur einen Zweck gebaut, nämlich zur Unterbringung der Arbeiter für den Boulder Dam, den mit 221 m Höhe größten Staudamm der USA. Die Arbeiten dazu begannen 1935 und wurden in einer Rekordzeit von nur 4 Jahren abgeschlossen. „ Jahre vor dem Plandatum und unter Einhaltung des Budgets“, übrigens. Heute ist das eher unüblich, aber damals wurde in 3 Schichten an 363 Tagen im Jahr rund um die Uhr gearbeitet. Der Staudamm ist wahrlich gewaltig und eine Besichtigung wert. Bekannt ist er den den Lesern vielleicht aus Filmen wie Supermann oder Transformers. Wem Boulder Dam nichts sagt: Heute heißt er Hoover Damm, nach dem ursprünglichen Initiator und späteren Präsident E.J. Hoover.
Der Staudamm liegt nur 8 km westlich von Startplatz, dem Bootleg Canyon oberhalb von Boulder City auf gut 1.000 m üNN. Später beim Lauf haben wir auch einen schönen Blick auf Lake Mead, das ist der See, den der Hoover Damm aufstaut. Der Lake Mead wird vom 1.500 km langen Colorado River gespeist, der kurz vor dem See durch den Grand Canyon fließt.
So, jetzt müsste jeder die Lage in etwa einschätzen können.
Kommen wir zum läuferischen Teil. Der Lauf nennt sich, wie schon oben angeführt, Blood, Sweat and Beers. Also eigentlich eher ein Lauf für unseren Joe, denn hier bekommt man Wüste, knochenharte Passagen, die schon mal ein blutiges Knie kosten können, und jede Menge Bier. Das Getränk allerdings erst im Ziel. Praktischerweise ist die Finishermedaille gleichzeitig der Flaschenöffner. Also Joe, hier ist der Link zur Veranstalter-Website: www.desertdash.com
Start ist um 8 Uhr morgens. Die Sonne scheint bereits und die Temperaturen werden im Laufe des Tages auf 85° F, also knapp 30 °C ansteigen. So heiß war es bei diesem Lauf noch nie. Wir werden es zu spüren bekommen.
Sonnenschutz ist also wichtig, ebenso Mütze mit Nackenschutz. Trinkrucksack mit 2 Liter Flüssigkeit und Handy sind Pflicht. Fels und Sand wechseln sich ab, Trailschuhe und Gamaschen sind deshalb keine schlechte Wahl. Dann noch schnell das T-Shirt abholen und die Registrierung für das Bier machen, denn dafür muss man mit Ausweis nachweisen, dass man älter als 21 Jahre ist. Man bekommt ein Armband, das man im Ziel vorzeigen muss, um in den Genuss des Hopfengebräus zu kommen.
Es folgt eine kurze Ansprache des Race Directors und schon geht es los. Nach 200 m Straße ist der bequeme Teil vorbei und es geht über einen schmalen Trail steil bergan. Noch ist alles recht einfach. Oben erwartet uns die erste Verpflegungsstelle. Mittlerweile ist es doch schon recht heiß geworden, der Schweiß rinnt in Strömen. Gut, dass ich meine Salztabletten dabei habe.
Dann geht es auch schon auf der anderen Talseite entlang einer steilen Wand hinab. Hier sind bereits die ersten Ausfälle beklagen, Geschwindigkeit ist auf solchen Passagen eben Nebensache. Vorsicht gehört eben zum Credo der Trailrunner. Nicht umsonst beträgt die Sollzeit 8 Stunden. Viele werden sie tatsächlich auch in Anspruch nehmen.
Unten im Talgrund wenden wir uns nach links und laufen auf dem Lower Lake View Trail Richtung Lake Mead, den wir dann auch schon bald unter uns liegen sehen. Die weißen Hänge zeigen ganz deutlich, wo das Wasser einmal stand. Seit 12 Jahren nimmt der Wasserstand ständig ab, weil die Schneefälle in den Colorado Rockies ausbleiben und damit auch das Schmelzwasser, das den Colorado River speist. Heute liegt der Wasserstand bei nur 39% der maximalen Füllmenge.
Genug geschaut, wir laufen links und da sind nur noch Berge. Der Trail windet sich unaufhaltsam Richtung Passhöhe. Das schmale Band der Läufer ist kaum zu erkennen, aber deren Gespräche kann man in dem engen Canyon sehr deutlich hören. Endlich, nach gut 400 Hm bin ich oben und wende mich in Richtung Las Vegas. Es geht leicht bergab und man kann auch als vorsichtiger Läufer etwas Zeit gut machen.
Dann staut es sich auf einmal. Ich frage, was das Problem ist und erfahre, dass niemand mehr weiß, wo es lang geht. Offensichtlich hatte ein zweifelhafter Spaßvogel die kleinen Fähnchen (Surveyor Flags) an einer Wegegabelung entfernt geändert. Hier sind auf jeden Fall eine Markierungen mehr. Wir laufen in alle mögliche Richtungen und finden – nichts. Glücklicherweise treffen einige Mountainbiker, die wir fragen, ob sie so etwas wie eine Verpflegungsstelle gesehen haben. Denn eine solche muss hier in der Nähe sein.
Ja, das haben sie. Sie beschreiben uns den Weg. Nach etwa einer Meile sind wir dort, können uns erfrischen und auf dem richtigen Trail den Lauf fortsetzen. Zwei Meilen „umsonst“ gelaufen, aber Hauptsache zurückgefunden.
Es geht ständig auf und ab und nach gut 5 km haben wir an der Caldera eine wunderbare Aussicht auf das im Tal liegenden Las Vegas. Im Hintergrund die hohen, teils noch schneebedeckten Berge. In der Wüste täuschen die Entfernungen. Was nahe ausschaut, ist in diesem Fall 40 km entfernt. Wir laufen weiter durch die spärliche Vegetation aus niedrigen Büschen und Kakteen. Dann geht es mal wieder steil bergan, teilweise auch über Felsen, wo der Weg nur schwer zu finden ist.
Mittlerweile steht die Sonne im Zenit und brennt unbarmherzig auf uns hinab. Der Trinkrucksack tut gute Dienste und man nimmt fast jede 5 Minuten einen guten Schluck. An der nächsten Verpflegungsstelle wird wieder aufgetankt . Weiter geht es hinunter Richtung Boulder City, diesmal bis zum Highway. Die Enttäuschung groß, denn der dortige VP ist trocken. Die Läufer vor uns haben ihn leergetrunken, Nachschub soll aber unterwegs sein. Für mich kein Problem, mein Rucksack ist noch halb voll. Für die, die nicht entsprechend der Vorschrift ausgerüstet sind, wird es eng.
Die nächsten 10 km führen aufwärts bei welligem Profil. Am Ende machen wir den berühmten Anstieg hinter dem Lower Lake View noch einmal. Aber es lohnt sich. Kurz vor dem Pass treffen wir auf eine Herde der sehr seltenen Bighorn Sheep, die vom Aussterben bedroht sind. Ich muss den einmaligen Anblick eine zeitlang genießen, bevor ich den Anstieg beendete.
Oben laufen wir diesmal nach rechts und auf einem Trail durch den nördlichen Teil der Berge. Wieder erleben wir herrliche Bergpassagen. Nach ständigem Auf und Nieder erreichten wir die letzte Verpflegungsstelle. Nochmal gut auftanken und dann abwärts Richtung Ziel. Naja, abwärts heißt auch hier, dass es zwischendurch immer wieder Anstiege gibt, was die Sache nie langweilig werden lässt.
Nach 7 Stunden und 38 Minuten erreiche ich das Ziel und halte glücklich meine Medaille in den Händen, mit der ich die erste Flasche öffne und mein wohlverdientes Bier trinke.
Der Blood, Sweat and Beers Marathon macht seinem Namen Ehre und ist wahrlich eine Reise wert.