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10.09.22 - Special Event

Dolomiti di Brenta Trail: Ein Königreich aus Felsen

Nördlich des Gardasees liegt die jüngste und westlichste Gebirgsformation der Dolomiten, die Brenta. Wie natürliche Kathedralen oder Skulpturen ragen die Türme und Felsnadeln aus dem namensgebenden Gestein, dem Dolomit, in den Himmel. Massive Felswände mit senkrechten Flanken haben schon früh Bergsteiger in den Naturpark Adamello-Brenta gelockt, der zum UNESCO-Welterbe Dolomiten gehört. Viele ausgesetzte Wanderrouten, anspruchsvolle Klettersteige und ein gut ausgebautes Hütten-Netz machen die Brenta zum Paradies für Kletterer, Wanderer und seit einigen Jahren auch für Trailrunner.  Seit 2016 startet am Lago di Molveno eine Laufveranstaltung, die auf 45 und 64 Kilometer in dem zentralen Teil der Brenta die historischen Gipfel erschließt und durch die einzigartige Schönheit dieser faszinierenden Gebirgslandschaft führt.

Aufmerksam darauf wurde ich bei der Teilnahme am BVG Trail und dem Trentino Trail, da der Dolomiti di Brenta Trail Teil einer Cup-Wertung mit den beiden Trails am Gardasee ist.  Ich mag die kleinen Rennen, veranstaltet von kleinen Vereinen, mit familiärer Stimmung und trotzdem anspruchsvoll und fordernd. Außerdem mag ich Italien mit seinem guten Essen und seinen freundlichen Menschen. Das gilt insbesondere für die italienische Trail-Szene. Unaufgeregt und ohne zu viel Helden-Pathos gibt es hier unzählige fantastische Veranstaltungen genau nach meinem Geschmack.

Wäre da nur nicht die langwierige Anreise. Um uns schon mal auf die Berge einzustimmen, wählen wir die Anfahrt durch die Schweiz. Wir sind zu dritt. Swen ist den Dolomiti di Brenta schon mal gelaufen und schwärmt von der Veranstaltung. Doro läuft hier ihren ersten Ultra in den Bergen und ist entsprechend aufgeregt. Vorbei an Davos geht es über viele kleine, hohe Passstraßen bei bestem Wetter in Richtung Süden. Als wir die italienische Grenze überqueren ist es bereits dunkel und wir sind froh, endlich im Hotel anzukommen. Wir wohnen etwas abseits zum See. In Molveno, wo Start und Ziel ist, war kein Zimmer mehr zu einem akzeptablen Preis zu bekommen. Eigentlich als Skiort etabliert, ziehen die Dolomiten auch im Sommer viele Touristen an.

 

 
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Am nächsten Morgen weckt uns Regen. Die Wettervorhersage wechselt stündlich. So ist das halt in den Bergen. Wir sehen, dass der TAR wegen des schlechten Wetters verkürzt wird und hoffen, dass es für uns morgen besser läuft. Es kann im September in den Dolomiten recht unangenehm werden. Mit Regen und Schnee in den hohen Lagen. Die Hütten schließen gewöhnlich an diesem Wochenende und die Fotos aus den Vorjahren sehen ziemlich verregnet und mit viel Schnee aus.

Den Freitag wollen wir nutzen, um uns an die Höhenluft zu gewöhnen, ohne uns groß anzustrengen. Wir nutzen dazu die Seilbahn in Andalo zur Cima Paganello und laden noch Adeline und Andreas ein. Sie sind schon länger unterwegs und mit dem Wohnmobil auf dem Campingplatz in Molveno untergebracht. Sie laufen beide die 45 Kilometer Strecke. Trotz des schlechten Wetters ist die Seilbahn, wie auch der anschließende Sessellift zum Gipfel in Betrieb. Oben angekommen, empfängt uns ein Regenschauer, den wir bei einem zweiten Frühstück in der schönen Hütte abwarten. Vom Gipfelplateau hat man eine fantastische Sicht. Im Süden sehen wir den Gardasee zu unseren Füßen und auf der anderen Seite ragen die mächtigen Gipfel der Dolomiten in den wolkenverhangenen Himmel. Wir suchen die Bocca di Brenta, wo wir morgen drüber müssen und können uns nicht so recht vorstellen, wie man dort hochlaufen soll. Als der Regen wieder einsetzt, wählen wir zum Abstieg statt des Wanderweges lieber den Sessellift. Beim Einsteigen übersieht Swen eine Lichtschranke und verletzt sich am Bein. Das sieht nicht gut aus. Blut läuft aus der Hose und beim genaueren Hinsehen an der Talstation wird ihm klar, dass das Rennen für ihn leider schon hier gelaufen ist. Das Schienbein ist aufgeschürft und ziemlich dick angeschwollen. So ein Mist. Naja, mal schauen, vielleicht geht ja doch noch was.

So machen wir uns auf nach Molveno, um die Startnummern abzuholen. Zuerst nehmen wir eine leckere Pizza auf der Terrasse mit Seeblick. Das Wetter sieht im Gegensatz zu Swens Schienbein recht gut aus. Dann schlendern wir zur Sporthalle, wo die Nummernausgabe stattfindet.  Zur Startnummer gibt es eine schöne Weste und ein paar Getränke. Dann geht es gleich zum Briefing. Pflichtausrüstung und Strecke werden nochmal erläutert. Das Wetter soll ganz gut werden.  Na also. Wir nehmen noch eine Pizza und fahren früh zurück ins Hotel.

 

 
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In der Nacht werden wir vom Regen geweckt. Gut so, das kommt morgen schon mal nicht mehr runter. Um vier Uhr geht der Wecker. Der Himmel ist sternenklar. Swen wird nicht starten. Die Vernunft siegt. Das Bein braucht Ruhe. Um viertel nach fünf sind wir am Startgelände. Wir bekommen einen GPS-Tracker und die Pflichtausrüstung wird ausgiebig kontrolliert. Ich nehme noch einen Espresso und dann starten wir pünktlich um sechs Uhr.

Zuerst geht es über die Straße durch den Ort bis wir unten am See auf den Wanderweg nach Andalo einbiegen. Es ist noch dunkel und eine lange Lichterkette zeiht sich durch den Wald. Jetzt geht es nur noch berghoch. Wir folgen einem lieblichen Bachtal. Ein Wasserfall unterbricht die Ruhe mit seinem Rauschen. Die Läuferinnen und Läufer sind sehr still. Das liegt wohl daran, dass bei diesem Trail die Cutoffs ziemlich stramm sind.  Ich habe mir vorgenommen, nicht zu trödeln und alles zu laufen, was geht. In Andalo rennen wir mitten durch den Ort. Die frühen Wanderer feuern uns an.

 

 
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Es ist jetzt hell und die Stirnlampe verschwindet im Rucksack. Die Berge sind noch etwas im Nebel, aber wir können schon gut sehen, was uns heute erwartet. Das erste Cutoff ist hinter Andalo, bevor es in den Wald geht. Ab hier wird es steiler. Wir steigen hoch zur Malga Spora und weiter zum Val die Cavei. Dort ist der zweite Cutoff, aber davon bin weit entfernt. Die Sonne scheint und hüllt den Wald in ein warmes Licht. Es geht stetig bergan und wir lassen die Baumgrenze hinter uns.   Es geht hoch bis zur Sella del Montoz. Auf dem Sattel sind wir auf 2327 Metern. Links und rechts ragen die Felsmassive der Brenta als riesige Kathedralen empor. Der erste lange und harte Anstieg ist geschafft.

Wir treten aus dem Schatten in die wärmende Sonne und laufen auf einem fast schon lieblichen Downhill bis zur Malga Campa, wo die erste Vollverpflegung ist. Es geht recht hügelig weiter, wobei die Tendenz nach unten weist. Wir kommen wieder in den Wald. Unter uns schimmert wie ein Smaragd der Lago di Tovel durch die Kiefern. Wir sind am nördlichsten Punkt der Strecke und wenden uns jetzt wieder nach Süden, der Brenta zu. Ein langer, welliger Anstieg zieht sich stetig nach oben.

 

 
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Das Wetter ist perfekt. Sonne und Wolken wechseln sich ab. Die dunklen Regenwolken sind noch in weiter Ferne. Majestätisch türmen sich die Giganten vor uns auf. Geht es anfangs noch über saftige Kuhweiden, wird es jetzt immer schroffer. Auf dem Gaiarda Pass stehen die Streckenposten der Bergwacht. Wer hier nicht im Zeitlimit durchkommt, kann von dort bequem nach Andalo absteigen. Ich liege gut in der Zeit und folge dem Abzweig nach rechts zum Grostè Pass. Unter mir sehe ich gar keine Läuferinnen und Läufer mehr. Hoffentlich bin ich nicht Letzter. An der Verpflegung am Refugio Graffer stehen schon zwei Mädels als Besenläuferinnen bereit, was mich etwas verunsichert. Aber alle sind noch sehr entspannt und lachen, als ich nach dem Cutoff frage.

Das ist wohl die „German Angst“. Ich habe die Hälfte der Strecke hinter mir und schon etwas mehr als die Hälfte der Höhenmeter. Die Italiener jedenfalls nehmen noch in aller Ruhe ein Bier, bevor es weitergeht. Das dauert mir zu lange. Die Wetteraussichten haben sich auch geändert. Ich laufe jetzt in den Wolken. Ein langer Downhill führt uns tief ins Tal bis zur Malga Vallesinella di Sopra. Jetzt folgt ein harter Anstieg zum Rifugio Tuckett.  Es gibt nicht viel zu sehen. Immer wieder fallen dicke Tropfen aus den umgebenden Wolken. Die Sichtweite ist knapp unter 10 Meter. Immerhin lassen sich die Trails gut laufen. An fotografieren ist nicht zu denken. Dafür denke ich im Aufstieg an die geschichtsträchtige Vergangenheit der Dolomiten.

 

 
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Bekannt sind die Geschichten über den Dolomitenkrieg, aber auch schon zu Beginn des Alpinismus gab es das ein oder andere Scharmützel, was an der Vergangenheit des Refugio Tuckett gut abzulesen ist. Die Hütte entstand Anfang des vorigen Jahrhunderts. Da sich die Deutschen immer mehr in den italienischen Bergen breit machten. Da die Italiener ebenfalls planten, an dieser Stelle eine Hütte zu bauen , begannen beide Sektionen, nachdem man sich über die Eigentumsverhältnisse nicht einigen konnte, mit dem Bau einer Hütte, die etwa zeitgleich im August 1906 eingeweiht wurden. Eine Einigung brachte erst die Verlegung einer gemeinsamen Wasserleitung vom Gletscher durch die Deutschen. Nach dem ersten Weltkrieg erfolgte dann die formelle Enteignung. Im Sommer 2016 enthüllten dann die Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf und Trient eine Gedenktafel im Zeichen der Völkerverständigung. Das ist noch gar nicht lange her und ich hoffe, dass auch unser Sport zu einer Verständigung beiträgt.

An der Hütte angelangt, empfängt mich dann der wettertechnische Höhepunkt. Der stramme Regen wechselt jetzt in Hagel. Schlagartig fällt die Temperatur und es wird sehr ungemütlich. Schnell weg hier, in den Abstieg. Stehenbleiben führt nur zur Auskühlung. Die Stöcke packe ich für den anstrengenden Downhill ein. Mich stören die Dinger nur im Abstieg. Immer wieder verwandelt sich der Weg in ein Rinnsal oder Bach. Der Weg ist steil und anstrengend, aber kurz. In stetigem Auf und Ab geht es jetzt wieder nach oben. Das ist gut, wird mir doch sofort wieder warm.

Die höchste Stelle des Laufes, die Bocca di Brenta, wartet auf mich. Es lockert wieder auf und es hat auch aufgehört zu regnen. Aber wir laufen noch in den Wolken. Die Strecke ist jetzt sehr wild, Blockwerk und ausgesetzte Pfade wechseln sich ab. Mit Höhenangst hat man hier keine Chance.  Dabei sollte eh die ganze Strecke der Blick auf dem Boden haften. Jede Unachtsamkeit wird sofort bestraft. Der Aufstieg ist schroff und hart. Wir kleben praktisch am Fels. Die Wolken ziehen an uns vorbei. Ab und zu geben sie den Blick frei auf die uns umgebenden Fels-Giganten. Dann wieder ein paar Tropfen und Nebel. Es herrscht eine mystische Stimmung.

 

 
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 Ich genieße den Trail und die Anstrengung. Genau deshalb bin ich hier. Ich spüre die Weite und Unerbittlichkeit der Natur. Der Regen läuft mir über das Gesicht und trotzdem spüre ich eine tiefe Zufriedenheit. Nach dem Refugio Alberto e Maria ai Brenti wird es happig. Wir sind unmittelbar unter dem Schuttkegel der Bocca di Brenta. Zuerst steigen wir über wild zusammengewürfelte Felsklötze, dann geht es sehr steil im Geröll nach oben.

Die Läuferinnen und Läufer vor und hinter mir sind alle genauso platt wie ich. Gestern konnte ich mir noch nicht vorstellen, wie es hier weiter geht. Jetzt weiß ich es. Einfach hoch. Oben warten zwei Männer von der Bergwacht und blicken jedem tief in die Augen. Ja, ich bin okay. Mir tut nichts weh und ich fühle mich fabelhaft.  Jetzt geht es noch über einen ausgesetzten Pfad um die Ecke und ich erkenne im Nebel das Refugio Predotti. Hier herrscht eine ausgelassene Stimmung.

 Jetzt geht es schließlich nur noch bergab. Zuerst recht wild. Für mich geht es nur langsam nach unten. Jetzt bloß nicht stürzen. Ab dem Refugio Selvata bin ich wieder im Wald und es wird etwas flacher. Insgesamt ist der Weg jetzt gut laufbar. Es hat aufgehört zu regnen und links und rechts begleiten mich wieder die steil emporragenden Felsmassive. Sogar blauer Himmel zeigt sich, wobei die Sonne bereits hinter den Bergen steht.

 

 
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Je tiefer ich ins Tal komme, umso wärmer wird es. Ich ziehe die Jacke aus und lasse es laufen. Die Strecke führt mich immer dicht am Felsen talwärts. Kleine Brücken kleben am Fels, wo der Weg weggebrochen ist.   Am Refugio Croz dell’Altissimo gönne ich mir ein Bier und mache mich fertig für die Dunkelheit, die in wenigen Minuten einsetzen wird. Ein schöner Wanderweg lässt sich gut laufen und der kurze letzte Anstieg kann mich nicht mehr bremsen.

Im Tal erkenne ich den Lago di Molveno und höre schon die Ansagen im Zielbereich. Ich treffe auf eine Läuferin mit Magenproblemen und begleite sie ein Stück. Als es ihr besser geht, kann mich aber nichts mehr halten. Ich laufe die jetzt etwas ruppigeren Pfade durch den Wald stetig nach unten zum See, den ich in der Dunkelheit erreiche. Einsam und still ist es. Ich genieße den ruhigen Uferweg. Dann überquere ich die kleine Holzbrücke in den Park, wo am Ende bereits die Finisher-Party in vollem Gange ist. Läuferinnen und Läufer auf dem Heimweg begrüßen mich und feuern mich ein letztes Mal an.

Nach 14 Stunden und 50 Minuten laufe ich über die Ziellinie. Swen wartet auf mich mit einem Bier. Er konnte das Rennen von uns allen mit einem Live Ticker verfolgen. Doro kommt 15 Minuten nach mir ins Ziel. Andreas und Adeline konnten die 45 Kilometer in einer guten Zeit finishen. Bei Pasta, Bier und Live-Musik geht für uns ein fantastisches Abenteuer zu Ende.

 

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Fazit

Der Dolomiti di Brenta Trail ist ein harter Brocken. Wild und hart geht es auf ruppigen Trails durch eine fantastische Naturlandschaft, die nicht umsonst zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Die Veranstaltung ist sehr gut organisiert. Es fehlt an nichts. Die Strecke ist sehr gut ausgeschildert und ein Verlaufen fast ausgeschlossen. Hier arbeiten Läuferinnen und Läufer für Läuferinnen und Läufer. Die Strecken sollten nicht unterschätzt werden. Mit Höhenangst ist man hier absolut fehl am Platz.

Die Informationen zum Lauf gibt es in Italienisch und Englisch. Deutsche Startende waren an einer Hand abzuzählen.

 

Strecken

 

XTERRA 45K     45km / 2.850 Hm

 

Für den Corto gibt es 2 Punkte bei der ITRA.
Er ist Qualifier Race für den UTMB 50K
Zeitlimit 12:30 Stunden

ULTRA 64K     64km / 4.200 Hm
Für den Lungo gibt es 3 Punkte bei der ITRA.
Er ist Qualifier Race für den UTMB 100K
Zeitlimit 16 Stunden

Die Strecken führen vom Molveno-See, über Andalo, in die Gruppe der Cima S. Maria und Cima di Campa, zum Passo del Grosté und dann über den gesamten zentralen Teil der Brenta (am Fuße von historischen Gipfeln wie Cima Brenta, Crozzon di Brenta, Cima Tosa, Campanil Basso) über Bocca di Brenta wieder hinunter zum See.

 


 
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