Carlos Sá ist der berühmteste Trailläufer Portugals. Über seine extrem harten Läufe habe ich schon berichtet, heute berichte ich von seinem neuen Ultralauf, der das Laufen mit kulturellen und kulinarischen Erlebnissen verbindet. Es ist kein Bericht über halbtote Ultraläufer, die an die Grenzen des Machbaren gehen.
Der irische Flieger (22 Euro Hin/Rück) landet morgens in Porto. Ich warte noch auf Mohamad Ahansal. Wir wollen vor dem Lauf eine Extraportion portugiesische Kultur genießen. Porto ist komplett ausgebucht, ich habe nur noch ein Ehebett in Hostel reservieren können. Das Bett ist ähnlich wie die, die iokio in eine Wandnische gebaut sind. Über und neben uns sind sechs Pärchen. Bei Etappenläufen muss man immer Ohrstöpsel mitnehmen.
In den nächsten acht Tagen erkunden wir den Fluss Douro, den portugiesische Rhein. 900 Kilometer ist das Wasserjuwel lang, 112 Kilometer fließt er durch Portugal. Der Fluss war bis zur Rückeroberung Spaniens von den Mauren der Grenzfluss zwischen dem Kalifat und dem christlichen Norden. Maurische Wachtürme und Burgen sind Zeugen der ehemaligen Grenze. Unser Trailgebiet führt durch drei Stätten des Unseco Weltkulturerbes:
- Dem Historisches Zentrum von Porto
- Entlang der 28 Kilometer langen prähistorische Felszeichnungen im Vale do Côa
- Durch die Weinregion des Alto Douro
Wir sind 20 Läufer, die die erste Austragung dieses Trails angehen, darunter fünf Läufer, die weniger laufen wollen.
Wir treffen uns an der markanten Brücke Don Luis, dem Wahrzeichen Portos, benannt nach dem König, der die Eisenbahnbrücke 1886 in Auftrag gab. Großes Hallo, man kennt sich von den Ultraläufen in aller Welt.
Mein Blick geht dürstend hinüber nach Vila Nova de Gaia. Dort wird der Portwein, der kein Wein ist und auch nicht aus Porto kommt, ausgebaut. Bestes Weinhaus ist Ferreira, das älteste ist Kopke, das von der Hamburger Familie Köpke 1636 gegründet wurde.
Neben der Brücke Don Luis stehen zwei ältere Brückenpfeiler als Mahnmal: 1809 belagerte Napoleon die Hafenstadt. Die Einwohner flüchteten hinüber zur Festung in la Nova de Gaia, doch unter der Last der vielen Menschen stürzte die Brücke ein. 4000 Tote gab es.
Jetzt sind wieder viele Menschen hier, Portugal profitiert als sicheres Land vom Tourismus. Die Hafenpromenade ist brechend voll. Nie im Leben hätte ich gewagt, dort in Laufkleidung durch zu flitzen. Aber ich mag die Ideen von Carlos, also stürze ich hinter ihm her, die Cais da Riberra, den alten Hafenkai entlang. Wenn uns schwerfällige Rentnergruppen bremsen, dann weichen wir zwischen die Tische der Straßenkneipen aus, so dass die Portweingläser scheppern.
Irgendjemand läuft gegen eine Gasfackel, das bringt Stimmung. Nach einigen Schrecksekunden beginnen die Touris Beifall zu klatschen. So was verrücktes, wie uns haben die wohl noch nie gesehen. Am Hafen plötzlich ein lautes „Jooooooeee!“ Cornelia und Egbert schlendern hier rum, die habe ich das letzte Mal beim Mozart100 getroffen.
Die Läuferwelt ist klein und Porto ziemlich gebirgig. Ich muss an unserer Gruppe dranbleiben, sonst finde ich nicht zurück. Vor der Kathedrale wieder Cornelia und Egbert, jetzt aber schnell ein Foto mit den beiden und wieder Carlos hinterherhechten.
Unser Kameramann ist im Trubel verlustig gegangen. Gelegenheit für mich, Luft zu holen. Am Kristallpalast, hoch über dem Fluss, trifft sich die Jugend, man holt sich Bier und Wein (1 Euro) aus der Kneipe und chillt bei genialer Aussicht über die Stadt. Hier fallen wir nicht auf.
Hoch und runter geht es, vorbei an allen Sehenswürdigkeiten. Am Hafensteg, auf der Höhe der Börse, dort wo die Touristen Ruhe suchen, versucht ein Kellner unsere Gruppe zu queren. Fehler! Das Tablett landet auf Tisch vier. Tisch sieben wird von Mohamad umgestoßen, Portwein fließt über meine Füße. An Tisch 12 versuche ich den süßen Saft aus meinen Schuhen zu entfernen. Joao läuft mir in den Rücken. Schnell weiter!
Steile Stufen hoch zur Hauptkathedrale, dann auf die obere Brückenplattform, die von den Straßenbahnen genutzt wird. Riesen Gebimmel der Schienenfahrzeuge, wir laufen einfach vorneweg. Vollbremsung, Fotos nach unten auf die Altstadt und den Douro. Einer Japanerin fällt das Handy ins Wasser, ich muss Lachen. Dann hinauf zur Festung, Fotos schießen und schnell hinunter zur unteren Plattform der Brücke. Verkehrschaos, weil ich mitten auf der Fahrbahn durch die hupenden Autos laufe. Ziel. Gott, war das ein geiler Lauf!