Heute starten wir am Kloster Santa Maria de Cárquere, das mitten im Hang der Serra do Montemuro errichtet wurde. Hier sind die Herrscher von Resende begraben.
Vom Kloster geht es steil hinauf. Mitten in der Wildnis starrt mich die Öffnung eines Geheimganges an. Er kommt von unserem heutigen Zielort ist Lamego. Als die Mauren im 8. Jahrhundert Lamego einnahmen, wurde die kleine Stadt mehrmals von beiden Seiten zurückerobert. Nach der definitiv letzten Rückeroberung durch die Christen wurde Lamengo 1181 zum Gründungsort des Königreiches Portugal. Der Name Portugal stammt von der damaligen Grafschaft Portocale (warmer Hafen), in dem Lamengo liegt.
Und noch was ist wichtig: Der Vorgänger des Portwein wurde in Lamengo hergestellt. 1373 unterzeichneten die Portugiesen mit den Engländern ein Handelsabkommen, das sie berechtigte, für die Lieferungen des Vinho de Lamego Kabeljau vor der britischen Küste zu fischen. Seitdem sind die Engländer scharf auf den Wein aus dem Alto Douro. Doch weil es vor England schon lange keinen Kabeljau mehr gibt, fischen die Portugiesen heute im Nordatlantik und machen daraus Stockfisch. Der landet dann als Bacalhau auf den Tellern.
In manchen Orten der Gegend gibt es den Vinho dos Mortos, den Wein der Toten. Wenn wieder marodierende Truppen durchs Land zogen, vergruben die Winzer die Weinflaschen, und siehe da, einige Jahre später schmeckte der Wein besser als vorher. Oft laufen wir durch verfallene Granithäuser, die bestimmt von den Plünderungen erzählen könnten. Die herbstlichen Hänge sind mit Farn bewachsen. Im Nebel tauchen urige Granitfelsen auf.
Endlich komme ich zur Kirche Nossa Senhora dos Remédios. Das Rokokogebäude von 1761 befindet sich auf einer Anhöhe über der Stadt. 613 Stufen laufen wir die Doppeltreppe hinunter zur Hauptstraße von Lamengo, wo der Zielbogen steht. Geduscht wird im Gemeindeschwimmbad, dann geht es zum Mittagessen in die Taverna. Anschließend wieder Kultur: Wir wandern zur Burg, wo der erste König von Portugal, Alfons I. (Portugiesisch: D. Afonso Henriques) 1143 durch die Versammlung der Cortes (Stände) gewählt wurde. Die Burg steht auf einer keltiberischen Burg. 587 verkündete hier der König des Westgotenreichs, Rekkared I., dass er zum Christentum übertritt. In Folge dessen wurde die iberische Halbinsel christlich. Interessant sind die Ausgrabungen in der Burg: Über der römischen Anlage liegen christliche Gräber aus dieser Zeit. Irgendjemand hat in den Wirren der damaligen Zeit in der Mauer einen Schatz, bestehend aus 600 Münzen vergraben. Sein Geheimnis hat er mit in den Tod genommen.
Busfahrt nach Peso da Régua, das wieder am nördlichen, rechten Ufer des Duoro liegt. Régua war einst eine germanische Siedlung (Godim), ist jetzt das Zentrum der Portweinproduktion. Im Bahnhof von 1878 besteigen wir wieder die Douro-Bahn und treten eine romantische Fahrt entlang des Douro an, 100 Kilometer Richtung Osten, nach Pocinho. Der Ort liegt nahe der spanischen Grenze im Kreis Vila Nova de Foz Côa. „Foz“ ist lateinischen Ursprungs und heißt übersetzt „Mündung“. Wir fahren also nach Neustadt an der Côa Mündung. In Vila Nova de Foz Côa ist das Welterbe der 25.000 Jahr alten Felszeichnungen zu finden. Zusätzlich wurde der Ort von der Weltgesundheitsorganisation als besonders seniorenfreundlich ausgezeichnet, was über den „Schwierigkeitsgrad“ dieser Laufveranstaltung Auskunft gibt.
Ab dem heutigen Tag werden wir im CAR übernachten. Das bedeutet Centro Alto Rendimento, wobei „Alto“ nichts mit unserem Seniorenlauf zu tun hat, es bedeutet „Hochleistungszentrum“ und ist mit den deutschen Bundesleistungszentren vergleichbar. Das vor zwei Jahren eröffnete Zentrum wird von Ruder- und Kanuteams der ganzen Welt genutzt: „Hier werden Talente geschnitzt und Gewinner gemacht“. Taucher und Piloten von Wasserflugzeugen dürfen natürlich auch hier übernachten. Dieses „Hochleistungszentrum“ bietet Schwimmbad, Fitnessraum, Sauna und zwei Physiotherapeuten für uns. Die Physiotherapeuten fahren dicke Autos deutscher Hersteller, Diesel natürlich. Tatsächlich sind sie ebenso gut wie Müller Wohlfahrt. Wir 20 Läufer haben das Hochleistungszentrum für uns allein, so dass wir uns über das Weinverbot in diesem Zentrum hinwegsetzen können. In den Einzelzimmern gibt es kein Fernsehen oder Internet, wir sollen uns voll auf den Sport konzentrieren.