Eine phantastische Veranstaltung, die alles genau richtig macht: Vielfältige Strecken, sehr gute Kennzeichnung, sinnvolle Versorgungsposten, super Stimmung – klein aber fein und im Grunde besser, als viele Läufe in den Ardennen, die große Namen tragen.
Eigentlich hätte ich vor zwei Wochen am Vogelsberg sein sollen, um endlich einmal die 100 km anzugehen. Kam leider anders, kurz davor ein Muskelriss mit einer Woche Humpeln, einer Woche Gehen und dann wieder vorsichtigem Training. Da vor dem Sommerurlaub aber nur noch dieses eine Wochenende frei war wurde es das Haute Ardenne Ultra Trail Festival.
Das Trail Festival bietet allerlei Distanzen über zwei Tage: 20, 35 und 50 km am ersten Tag, 18 km Wanderung in der Nacht, und dann am Sonntag noch einmal 15 und 35 km zum Wandern. Da ist für die ganze Familie etwas dabei. Der Lauf startet in der Nähe von Trois Ponts inmitten der Ardennen. Trois Ponts ist auch der Zielort des Ultra Trail des Sources und es gibt eine kleine Überlappung der Strecken. Ähnlich wie beim Grand Trail des Lacs & Châteaux in der gleichen Region startet dieser Lauf an der Bergstation einer Skiabfahrt und endet dort von unten kommend auch wieder.
Und wie beim Trail La Tharée ist auch hier der Biersponsor die gleichnamige Brauerei, so dass mein belgisches Lieblingsbier am Zieleinlauf in Empfang genommen werden konnte. So ein wenig das Beste von vielen Welten. Veranstalter ist die Organisation MudSweatTrails aus den Niederlanden, die eine ganze Menge interessanter und mir bisher unbekannte Läufe in Belgien und Holland auf dem Programm haben, dazu noch internationale Laufreisen.
Die Anmeldung ist recht unkompliziert, nur dass man leider ausschließlich mit Zahlkarten bezahlen kann, die es von deutschen Banken nicht gibt. Die Nachfrage und Anmeldung per E-Mail und Überweisung klappt aber bestens. Der Preis von 40 Euro ist auch nicht zu teuer und man muss, anders als ich es im letzten Jahr gemacht habe, auch nicht unbedingt vor Ort übernachten, da es nur 2h von Düsseldorf sind. Wenn man bleiben will, gibt es eine günstige Campingecke mit Frühstücksmöglichkeit an der Bergstation oder ein Zimmer mit anderen in einem nahegelegenen Schloss. Wenn man die Zeit hat, würde ich das unbedingt empfehlen, wurde von vielen in Anspruch genommen und gelobt.
Morgens geht es recht gemütlich los, 8 Uhr, mit rund 90 Anmeldungen auf der 50 km (genau genommen 51,6 km plus 1.700 Höhenmeter) Strecke, davon drei Deutsche, sonst Belgier und Niederländer. Ein Geheimtipp also. Allerding scheint das Wetter so etwa der Worst Case zu sein. Während in NRW nach einigen Regentagen die Sonne schein,t erlebt man in Wallonien starke Regenfälle. Ich freue mich, dass es schon während der Anfahrt regnet, in der Hoffnung, dass es dann bis zum Start aufhört. War aber nicht so.
15 Minuten vor dem Start sitze ich noch immer im Auto auf dem Parkplatz und frage mich, was ich hier eigentlich tue. Umziehen im Starkregen, dazu 11 Grad. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, bis zum Start meinen Notfall-Regenponcho zu tragen, aber laufen kann man damit nicht, so dass die paar Minuten keinen Unterschied machen. Man hebt ihn sich besser auf, falls man einmal in der Gefahr ist, sich zu unterkühlen. Ich geselle mich schon etwas feucht zu den anderen Läufern, die vor dem Restaurant direkt oberhalb eine trockene und auch sogar etwas angewärmte Zuflucht gefunden haben. Leid tut mir nur die Firma Deuter, die Sponsor des Rennens ist und am Start die Möglichkeit bietet, auf dem Lauf einen neuen Rucksack auszuprobieren. Kaum jemand traut sich durch den Regen.
Pünktlich um 8 schlägt der Regen in leichtes Nieseln um, der Tag scheint damit fast schon gerettet. Vor allem als Brillenträger ist starker Regen auch für das visuelle Erlebnis nicht wirklich schön. Kurze Ansagen werden gemacht, interessanterweise nur auf Englisch. Man hört unter den Läufern viel Holländisch, Französisch fast gar nicht, sprich nur wenige kommen aus Wallonien selber. Sehr kompakte Einweisung, genau passend. Auch keine Kommentare zum Wetter, Lächeln auf den Gesichtern der Veranstalter und die Ankündigung, es könne sogar die Sonne durchkommen. Sie sollten Recht behalten.
Die ersten 500 m also den langgrasigen Hang hinab. Nicht zu steil, so dass man mit normalen Trailschuhen kein Problem hat. Einige Läufer, die aus unerfindlichen Gründen Straßenlaufschuhe tragen, fallen aber reihenweise. Ich bin nicht sicher, ob sie das Rennen abgeschlossen haben, denn es wurde später ja nicht leichter. Kurz nach dem Start fängt es für die nächsten zwei Stunden an, wieder richtig zu schütten. Von dem frühmorgendlichen Regen sind die Wege natürlich extrem durchweicht bis überschwemmt. Das hat aber auch seinen Reiz, denn man hat nach wenigen Minuten komplett nasse Füße, was bis zum Zieleinlauf auch so bleiben wird. Man kann also ohne Rücksicht auf Verluste – oder ohne jede Hoffnung auf trockene Körperpartien – voranpreschen.
Die Trails sind anfangs teilweise Singletrails, oft stark überwuchert, aber manchmal auch breit genug für 2-3 Personen, wenn diese nicht größtenteils unter Wasser stünden und man doch nur hintereinander den besten Pfad abläuft. Später kommen Forstwege dazu, gut gepflegt, aber auch solche, die zur Arbeit genutzt werden und dem entsprechend aufgewühlt (und überschwemmt) oder mit Baumstämmen belegt sind.
Einige kurze Straßenabschnitte gibt es auch, z. B. in Stavelot, Trois Ponts und einigen kleinen Dörfchen. Die Strecke geht quasi sternförmig um diese beiden Orte herum, nicht immer komplett hinein, aber immer wieder in Schleifen hoch und runter. Rutschig sind die Wege natürlich anfangs auch sehr stark und nicht wenige setzen sich dabei auf Hosenboden oder Hüfte. Man ist zwar entsprechend vorsichtig, aber in den tiefen Pfützen sieht man die Unebenheit des Untergrunds manchmal nicht, so dass einige flache Passagen aus Sicherheitsgründen nicht gelaufen werden.
Ein paar richtige Bäche gibt es auch, über manche kann man springen, meist gibt es aber Brücken. Die Durchquerung, die in den Fotos vom letzten Jahr (bei strahlendem Sonnenschein) gezeigt wird, besitzt netterweise auch eine kleine Behelfsbrücke. Noch mehr Wasser oder noch ein Sturz muss heute wirklich nicht sein. So geht es bis zur ersten Versorgungsstation drei kleine und eine großen Hügel hinauf und hinab, zwar anstrengend aber nicht verrückt wie die Rennen, bei denen man alle paar Meter am nächstbesten Baum die vertikale Richtung ändert.
Die Kennzeichnung ist sehr gut. Ich lasse trotzdem meine Karte auf der Uhr mitlaufen. Das hilft an einer Stelle, wo wir ein einer ganzen Gruppe den Abzweig verpasst haben und ich der Uhr folgend quer durchs Unterholz nach zwei Minuten wieder auf dem richtigen Weg bin. Allerdings ist mir nur ein Läufer gefolgt, die anderen sind lieber umgekehrt. An einer anderen Stelle schien es nach rechts angenehm bergab zu gehen, so dass die Läufer vor mir den Abzweig bergauf nach links übersehen haben. Mit lauten Rufen konnte aber auch das gut eingefangen werden. Einige haben sich später netterweise noch bedankt, denn wenn man mal in Fahrt kommt, kann ein Verlaufen richtig Zeit und Kraft kosten.
Nach dem Auffüllen des Wassers bei Kilometer 15 – es gab eine ganze Reihe von Lebensmitteln, aber ich habe wieder komplett auf meine Gels und Snickers gesetzt – ging es recht steil hoch auf eine angenehme Hochebene. Die Blume des Tages war sicher der Fingerhut. Riesenteile, wunderschön rötlich violett. Auch die Holzarbeiten im Wald, bei denen die Bäume gefällt und gleichzeitig die Borke entfernt wurde, haben zum Wohlbefinden beigetragen, da das Abschälen den harzigen Geruch der Bäume so richtig zur Geltung brachte. Durchaus sehr lieblich, wenn man das mag.
Inzwischen war das Wetter besser und man konnte seine von den überhängenden Ästen und Gräsern nasse Jacke ablegen. Man musste nur etwas aufpassen, denn bei jeder Lage, die man entfernte, hatte man wieder eine ganz nasse Schicht exponiert und weniger Schutz vor Wind, so dass man durchaus schnell einmal hätte unterkühlen können. Es wurde glücklicherweise aber auch langsam wärmer.
Station zwei nach 25 Kilometern war klein und zur Selbstbedienung. Im Grunde genau richtig. Hier an der Brücke fing auch der mit dem Ultra Trail des Sources gemeinsame Abschnitt an. Am Fluss entlang, dann der Vergnügungspark und die Wasserfälle von Coo. Auf dem Fluss auch ein paar Ausflugsgruppen, die ganz begeistert gejubelt haben, wenn man sie fotografiert. Die Radfahrer übrigens auch, sofern man sie in größeren Gruppen während einer Pause erwischt hat. Irgendwie sehr nett, jeder macht so sein Ding, hat Spaß und findet es schön, zur Kenntnis genommen zu werden.
Ab Coo ging es dann dass steilste Stück nach oben, parallel zu einer Seilbahn aus dem Vergnügungspark, fast 300 Höhenmeter auf einen Kilometer Strecke. War aber okay, da oben schöne Aussicht. Und eine weitere an einem Gleitschirmstartplatz am gleichen Berghang. Die ganz weiten Aussichten und die ganz spektakulären Naturwunder oder Baudenkmäler gab es allerdings nicht. Der Trail war die Attraktion, was aber bei dem Grün des regenreichen Frühlings und der langsam herauskommenden Sonne mehr als ausreichend war.
Nach Kilometer 33 war man dann wieder im Tal, ein paar Kilometer flussauf von Coo und hatte eine sehr umfangreiche Versorgungsstation. Vor allem die ermutigenden Worte waren immer hilfreich. Man hatte das Gefühl, dass die Leute etwas vom Laufen verstehen und einen nicht nur so allgemein gut zureden wollten. Den Rest der Strecke ging es denn rauf und runter, also noch einmal etwas dynamischer als an den langen Steigungen.
Das Ganze fing an, indem man einen weiteren Streckenabschnitt des Ultra Trail des Sources, quasi die letzten 2 Kilometer, in umgekehrte Richtung hinauflief. Das ist nicht weiter bedeutsam, nur war es der Abschnitt, auf dem ich im letzten Jahr schreckliche Knieschmerzen entwickelt hatte, so dass persönliche Erinnerungen hochkamen. Heute lief das übrigens sehr gut, dank Chafing Gel und neuen Schuhen mit eingebauten Gamaschen auch keinerlei Druckstellen oder Blasen. Nur zwei Fußnägel erwischt es irgendwie immer, auch immer die gleichen.
7 Kilometer vor dem Ziel dann die letzte Versorgungsstation und danach auch nicht mehr wieder ganz runter ins Tal, also ein recht angenehmer letzter Abschnitt mit bestem Sonnenschein. Selbst das Gras war großenteils schon getrocknet. Die letzten 2 Kilometer sind dann identisch mit den ersten, und diese Vertrautheit war sicher einem raschen Zieleinlauf dienlich. Auch wenn es etwas ernüchternd ist, wenn man selber mit viel Stockeinsatz angestrengt eine Skipiste hochläuft, während nebenan jubelnde Kinder mit Go-Karts, die man an der Bergstation mieten konnte, dank der Schwerkraft ohne Anstrengung und mit viel Freude in die andere Richtung fahren.
Das Ziel selber ist super, es waren noch unheimlich viele Leute da, die in der Sonne saßen, echter Zieldurchlaufjubel, eine Glocke, eine sehr schöne Medaille, die ich gar nicht erwartet hatte, eine Holztafel für das Erinnerungsfoto und ein Bier. Auch wenn ich mich am Morgen gefragt hatte, was ich hier eigentlich tue und vor allem warum, wüsste ich nicht viel Schöneres, wie man seinen Samstag genießen kann.
Für mich persönlich war es besonders erfreulich, dass ich den Lauf in über zwei Stunden weniger als meinen ersten 50K vor 18 Monaten beenden konnte. Sprich damals hatte ich mich wirklich übernommen, bin inzwischen aber gut auf den Trails angekommen – wenn auch immer noch eher langsam, oder sagen wir „ausgiebig die Natur genießend“.
Für die Sauberkeitsfanatiker gab es auch noch Duschen, vor allem aber einen Wasserschlauch, mit dem man Beine und Schuhe einmal grob entschlacken konnte. Sehr hilfreich!
Kompliment an die Veranstalter, eine wirklich tolle Sache!