Der Lockruf des Goldes hat schon viele Europäer nach Nordamerika geführt und Jack London hat darüber sogar sein berühmtes Buch geschrieben. Neben dem Yukon waren die Black Hills in South Dakato eines der berühmtesten Goldgräbergebiete in der amerikanischen Geschichte.
Nach und nach wurden diese Gebiete auch eisenbahntechnisch erschlossen, um Material und Menschen dort schneller hin zu bringen. So auch in den Black Hills, wo 1880 die Eisenbahnstrecke von Egmont und Hot Springs nach Deadwood im Norden der Black Hills erbaut wurde. Die Strecke hatte eine Länge von 139 Meilen. Nach der Blütezeit des Goldrausches verfiel die Strecke zusehends, wurde aber noch bis 1983 befahren.
Damals gab es eine Initiative (Trains to Trails), um stillgelegte Eisenbahnstrecken in Nature Trails umzuwandeln um diese dann touristisch zu nutzen. Diese Strecke war die erste, wo dies erfolgreich umgesetzt wurde. Der Trail erhielt den Namen des Initiators und damaligen Gouverneurs von South Dakota: Georg S. Mickelson.
Ich bin 2009 bereits den Deadwood Marathon von Rochford nach Deadwood auf diesem Trail gelaufen und war von der Landschaft, den Sehenswürdigkeiten und Reizen fasziniert, wie schon die Goldsucher in früherer Zeit. Ich hatte dem Race Director Jerry Dunn daraufhin auch in die Hand versprochen, zum 100 Meilenlauf auf diesem Trail wiederzukommen. In diesem Jahr mache ich mein Versprechen wahr. Da bin ich wieder. Anmerkung für die Freunde des Wildwest-Romans: Deadwood ist der Ort, wo Wild Bill Hickok beim betrügerischem Kartenspiel erschossen wurde. Die Kleinstadt ist übrigens noch original im Look dieser Zeit erhalten und sehr „lebhaft“ und auch sehenswert.
Diesmal jedoch geht es auf den südlichen Teil des Trails. Start ist in Custer (Meilenpfosten 45 des Trails). Custer, da war doch was: Jawohl, die grauen Zellen funktionieren noch. General Custer wurde mit seiner 7ten Cavalry in der Nähe am Little Big Horn am 26. Juni 1876 vernichtend von dem Sioux Häuptling Crazy Horse geschlagen. Der General und fast alle seine 700 Soldaten starben bei dieser Schlacht.
Viel Historisches geschah also hier in der Gegend. Auch der Name der Veranstaltung hat einen historischen Hintergrund: Lean Horse, das schlanke Pferd. Crazy Horse ging nicht, denn der Name ist als Marke geschützt. Bei Km 8 und km 153 laufen wir aber trotzdem am Crazy Horse Memorial vorbei.
Fast alle kennen bestimmt Mount Rushmore (auch nur ein paar Kilometer weg von Custer), das in Stein gehauene Riesendenkmal für 4 amerikanische Präsidenten (Photos am Ende des Berichtes). Das Crazy Horse Memorial soll nach endgültiger Fertigstellung mehr als 4mal so groß sein. Auch davon gibt es Fotos.
Doch nun zum eigentlichen Lauf. Anmeldung war Freitagabend im örtlichen YMCA. Nach dem Erhalt der Startnummer und des T-Shirts konnten wir unsere 4 Dropbags (Materialtaschen) abgeben, damit sie an zentralen Stellen an der Strecke deponiert werden. Um 18 Uhr erfolgte dann das obligatorische Race Briefing, in dem der Rennverantwortliche Royce Wurtzer uns die Strecke näher brachte und auf Besonderheiten hinwies. Dann noch der nette Gedankenaustausch mit den anderen 100 Meilern. Viele von denen kannte ich schon von anderen gemeinsamen Läufen. Dann noch schnell noch was Essen (Pizza) und ab ins Bett, denn am nächsten Morgen um 4 Uhr (Jetlag lässt grüßen) ging es schon wieder raus.
Zum Glück bot das örtliche Comfort Inn Hotel um 4 Uhr ein reichhaltiges Frühstück an.
Dann um 5 Uhr los und zum Start gefahren, der auf dem örtlichen Track and Field der High School stattfand. Aber was für ein „böses“ Erwachen: Am Vortag waren es noch 30 Grad, Sonnenschein und windstill. Jetzt am frühen morgen: 5 Grad und Sturm. Der Wetterbericht ließ nichts Gutes erwarten. Windgeschwindigkeiten von 50 bis 60 km/h den ganzen Tag über. Und was noch schlimmer war, der Wind kam aus dem Norden. Wir liefen die ersten 80 km genau in nördlicher Richtung: Sch….
Naja, war ja für alle Läufer gleich dachte ich, aber hart war es schon. Custer liegt übrigens auf 1.600 müNN, also wirklich in den Bergen. Pünktlich um 6 Uhr ging es dann los und nach 1 Stadionrunde ging es direkt auf den Trail. Die ersten 8 Km ging es nur bergauf, bis zum Crazy Horse Memorial. Der Wind machte uns hier schon zu schaffen, sollte aber im Verlauf des Tages noch heftiger werden. Wir merkten dies spätestens an den umstürzenden Bäumen. Die erste Verpflegungsstelle hatte wir an der Schutzhütte Orwille nach 16 km erreicht. Dort erwarteten uns auch warme Getränke, die wir gerne in Anspruch nahmen, auch wenn die Temperaturen mittlerweile auf 12 Grad angestiegen waren.
Noch begleiteten uns die 50 km und die 50 Meilenläufer. Nach 15 Meilen kamen wir dann nach Hill City, dem einzigen Ort auf unserer Laufstrecke. Dort liegt auch das Eisenbahnmuseum und es gibt viele sehenswerte Lokomotiven und Waggons aus der frühen Zeit.
Kurz hinter Hill City kam die nächste Steigung auf 10 Meilen, gefolgt von 10 Meilen Gefälle. Der Trail schlängelt sich durch viele Täler mit toller Natur und immer wieder sahen wir Relikte aus der Goldgräberzeit: Alte Stolle, Fördergeräte, Pumpen und Goldgräberhütten. Aber auch noch aktive Minen und Claims waren zu sehen und interessantes über das harte Leben der Digger. Das Black Hill Gold hat übrigens einen einzigartigen grünlichen Schimmer und sieht sehr faszinierend aus.
Mittlerweile ist der Horse Creek nach 25 Meilen erreicht und es ist Zeit, etwas Käse und Tortillas zu essen. Viel trinken ist angesagt, der Wind trocknet einen aus. Hier verabschieden sich dann auch die 50 Meiler, die nun zurück laufen. Nun sind die 67 Teilnehmer am 100 Meilenlauf auf sich alleine gestellt.
Dann kommt der Hammer, von Meile 30 bis zum Wendepunkt bei Meile 50 ging es kontinuierlich bergauf, also 32 km lang. Es waren zwar nur 500 HM zu überwinden, aber das zog sich echt, besonders bei diesem heftigen Gegenwind. Nach 49,3 Meilen war die Schutzhüte DMTM erreicht, die ich zügig passierte, denn ich wollte erst zum Wendepunkt, der 0,7 Meilen weiter lag. Dort angekommen, schaute ich auf die Uhr: 11.55 std. Super, dachte ich. Vor allem bei diesen Bedingungen.
Ich lief zurück zur DMTM Verpflegungsstelle. Ich fühlte mich noch einigermaßen gut, aß und trank viel und machte mich auf den Rückweg. Es ging ja schließlich 20 Meilen mit Rückenwind bergab. Naja, es war mittlerweile Abend und der Wind hatte nachgelassen und die Richtung gewechselt. Er kam jetzt von der Seite. Aber ich konnte schön langsam traben.
13 Meilen später erreichte ich den Stützpunkt Rochford (hier begann ja der bereits erwähnte Marathon). Rochford war bei 63 Meilen, also fast genau 100 Kilometer und meine Zeit lag bei 15 Stunden 15 Minuten, also immer noch gut in der geplanten Zeit Mein Plan waren unter 30 Stunden, was auch die Cut-off Zeit war. Die 2000 Höhenmeter waren ein weitere Hindernis auf diesem Weg.
Es war mittlerweile stockdunkel und ich hatte bereits meine Stirnlampe an. Ich kam zu meinem Dropbag mit der Ersatzlampe und warmen Anziehsachen. Es war jetzt bitterkalt, die Temperaturen waren auf unter 0 Grad gefallen. Also alles an, was der Kleidersack hergab. Dann noch heißen Kaffee und heiße Nudelsuppe reingekippt und weiter ging’s hinein in die Nacht.
Jetzt waren nur noch 50 100-Meiler unterwegs. Der Rest hatte aufgegeben. Die Nacht wurde einsam. Im Licht der Stirnlampe wurden Tannenzapfen zu wilden Tieren und Äste zu springenden Rehen. In den Tunnels, von denen wir 12 passierten, blickten mich grüne Augen an. Ab und zu war Wolfsgeheul zu hören. Es war schon ein bisschen unheimlich. Müdigkeit, Kälte und Jetlag setzten mir jetzt richtig zu. Der Kaffee an den Verpflegungsstellen half nur bedingt.
Aber jede Nacht geht zu Ende, so auch diese. In Hill City wurde es dann langsam hell und es waren auch nur noch 15 Meilen zurückzulegen, leider die nächsten 10 bergauf. Zum Glück war kurz vorher Jordan Schmidt aus Minneapolis zu mir gestoßen. Auch ihn kannte ich schon vom Lake Superior 50 Miles und wir verbrachten die nächsten 10 Meilen gemeinsam. Dann machte er bei Orville aber eine längere Pause und ich lief die letzten Meilen alleine. Ein letzter Blick auf das Crazy Horse Memorial in der Sonne, dann kam Custer auch schon näher. Ich lief nach 28 Stunden und 19 Minuten ins Ziel und war super stolz, meinen ersten US 100 Meiler geschafft zu haben.
Dann fuhr ich kurz ins Hotel zum Duschen und war pünktlich zur Siegerehrung zurück. Dort erfuhr ich dann auch, dass nur 45 Läufer und Läuferinnen das Ziel erreicht hatten und ich 26ster in der Gesamtwertung war. Ich erhielt meine Gürtelschnalle, die wahre Medaille der 100 Meiler.
Ein tolles Erlebnis. Vielen Dank an das gesamte Team um Joyce Wurtzer. Ich werde wieder kommen und dem Ruf des Goldes und des Laufens folgen.