Ohm, die Einheit für Widerstand. Passend ausgewählt, um den härtesten Trail Belgiens zu taufen. Hier in Aywaille, südöstlich von Lüttich im Tal der Ambleve, kriegen wir‘s vom Feinsten. 50 km mit 2400 hm, plus technique, plus tard, heißt es in der Ausschreibung...
Dauerregen trommelt in der Nacht aufs Autodach. Damit ist klar: Was gestern noch Weg war, ist heute ein kleiner Bach. Griffiger Staub wird zu glitschigem Schlamm. So liebt man es hierzulande. Am Start ist es wie immer und überall. Man trifft sich, schwätzt, geht in Position. Gänzlich unkomplizierte Anmeldung, Frühmelder kriegen sogar ein schönes Shirt. Bunte Armbänder gibt‘s auch, damit darf man an den ravitos (den VP) und im Ziel das repas (ein warmes Essen und ein Bier) bekommen. Wie beim großen UTMB...
Der Regen hat sich verzogen, die Nässe bleibt. Kurzes Warmlaufen, dann geht‘s auf den Trail ins Gebüsch. Von Anfang an leistet der Trail seinen Eroberern heftigen Widerstand. Schnell merke ich, wie abgeschliffen mein Schuhprofil ist. Ich rutsche mehr rutschen als dass ich laufe. Das geht ja toll los. Also Vorsicht. Was auf dem Höhenprofil eher unbedeutend erscheint, ist jeweils ein knackiger Anstieg, so bis 200 hm. Und auch wieder runter. Das zieht das Feld schön auseinander.
Die Landschaft ist toll, viele Aussichtspunkte. Die sieht man aber nur, wenn man mal hochguckt. Und wehe dem, der den Blick auf den Weg vernachlässigt. Steine sind hart, verdammt hart. Immerhin regnet es nicht mehr und der Schlamm wird allmählich immer zäher und klebriger und das Wasser stürzt immer noch fröhlich die Pfade herunter. Da wird es zur Erholung, wenn die Autobahn unterquert und auf einer normalen Forststraße gelaufen werden darf, so 2-3 km lang. Noch vor dem 1. VP holt mich der Spitzenläufer der 35 km- Strecke ein. Der kann Technik, flitzt vorbei und ist weg.
Der 1. VP kommt bei 13 km. Tja, Trinkbecher soll man eigentlich mitbringen, meiner liegt im Auto. Aber ein Pappbecher lässt sich ausleihen, der hält einigermaßen. Gut gestärkt fliegen wir runter zum Fluss. Die Fußgängerbrücke ist offen! In den Vorjahren durften alle Läufer direkt durchs Wasser. Klasse, heute nicht, denke ich mir. Aber denken ist hier nicht gefragt. Kurz danach unterqueren wir eine Hauptstraße, natürlich mitten im Bach. War ja klar.
Es folgt ein Anstieg zum höchsten Berg der Strecke mit 488 m. Immerhin ist der Weg gut und die Füße werden wieder trocken. Bergab ist es toll. Ein Bach, ein offenes Tal, ein schmaler Trail, ein sehr schmaler Trail, das Tal wird eng, immer enger, wird zur Klamm. Über den Bach, mal links, mal rechts, glitschige Baumstämme oder nasse Füße. Wer die Wahl hat...
Der 2.VP. Stärkung. Wir haben so 23 km. Die einfache Streckenhälfte ist vorbei. Jetzt geht es ans Eingemachte. Kaum den VP verlassen, kehren wir um 180° um und hoch. So 200 hm am Stück und richtig brutal. Oben angekommen, führt der Trail kurz nach Norden und sofort steil wieder runter. Keine Pause, sofort wieder hoch, erneut 200 hm. Oder so etwa. Es erinnert an den Keufelskopf, der ist ja auch heute. Ich glaube, Eric ging hier in die Lehre... so eine teuflische Trailführung. Schade nur, dass das auf den Fotos nicht so gut rauskommt. Mein Trost ist, dass die Kurzstreckler das alles auch laufen dürfen. Die kürzen woanders ab. An den Gabelungen sind eindeutige Wegweiser.
Die nächste Klamm. Wunderschön. Lästig sind die vielen Fußgänger, in Scharen steigen sie uns entgegen. Wie sich herausstellt, ist diese Klamm ein tolles Ausflugsziel. Ausweichen geht aber ganz gut. Den 3. VP verpasse ich total. An der Gabelung geradeaus wär‘s gewesen. ich bin so im Tran, ich folge der Laufrichtung wieder berghoch. Wieder die 200 hm. Ruhe kehrt ein, wir stapfen in knapper Sichtweite vor uns hin. Bloß nicht immer hochgucken und sehen, wie weit voraus und wie hoch die anderen schon sind, das stresst.
So allmählich ist die Luft raus und die Sahnestücke kommen erst noch. Von einer Hochebene auf einer Asphaltstraße runter. Wer hätte damit je gerechnet. Aber unter der Autobahn, ganz unten im Tal, geht‘s rund. Im trockenen Sand brutal steil hoch. Ein Schritt vor, ein halber zurück. Und das im Dschungel. Brennesseln, Äste, Wurzeln. Das Gleiche abwärts bis zur Gabelung. Alle anderen dürfen sich am VP stärken, wir haben erst noch eine lange, lange Schleife zu laufen. Bei km 40 dann Versorgung. Die letzte.
Cola hilft, Jupiler auch. Chips und Kekse, Orangen, man sollte noch mal richtig zulangen. Auch die letzten kmchen kommen knüppeldick daher. Erst mal hoch, was sonst. Oben am Kamm entlang, in den Ort, durch eine Talsenke, auf einen Berg zu. Nicht schon wieder, denke ich. Das sah doch auf dem Höhenprofil gar nicht so aus... Egal, durch bis zur Schikane. Jetzt ist Psycho gefragt. Man läuft einen Berg runter, auf das Ziel zu. Die Ansagen, die Musik, der Grillqualm, als wäre man schon da. Würde man einen Stein werfen, könnte man das Zelt treffen.
Total heimtückisch dreht der Weg. 180° zurück, wieder ganz hoch. Nochmal werweißwieviel hm. Neue Schikane. Abwärts, direkt aufs Ziel zu. Der Trubel wird wieder lauter, ist zum Greifen nah. Und nochmal zurück. Berghoch. Nicht weit, aber zermürbend. Aber das war‘s dann. Zwei, drei Kurven noch und Zieleinlauf. Jubel, beim Publikum und bei mir. Jetzt weiß ich, wo die 2400 hm geblieben sind...
Fazit
Wer Widerstand sucht, wird ihn auf dieser Strecke finden. Ohm gewinnt so eine ganz neue Bedeutung. Beikommen kann man dem Trail mit Technik, sehr guten Schuhwerk und Stöcken!
Jawohl, Stöcke! Die überaus brutalen Steilstellen kriegt man viel besser hin. Stärkender Vorrat in den Taschen ist auch nicht schlecht, wenn zwar nur 10 km aber hunderte hm zwischen den VPs liegen. Augen auf, vielleicht hinterher noch zum Weintherapeuten...