Haben wir auch bitter notwendig. Steht doch jetzt der steile zweite Teil des Aufstiegs auf den Monte dei Cervi bevor. Es geht in direkter Falllinie nach oben, Direttissima. Dazu ist der Weg hier nicht sonderlich gut. Egal, das muss ich rauf. Kurze Schritte, langsam, einer nach dem anderen. Dazu an den K 78 und den Aufstieg zur Kesch-Hütte denken, den Fahrradfahrer mit dem geschulterten Rad bemitleiden und überholen. Es geht rascher als gedacht.
Oben angekommen, hat man einen herrlichen Blick auf die umliegende Landschaft. Ich gönne mir aber keinen Moment der Ruhe und falle direkt wieder in einen Laufschritt. Über Wiesen laufe ich hinunter. Mein nächstes Ziel ist der Pass unterhalb des Pizzo Colla, der Endpunkt einer unserer Wanderungen war. Vorher labe ich mich an der Verpflegung Fontana Bianca bei km 12,6. Unmittelbar vor dem Pass kommt schon bei km 15 die nächste Verpflegung, Rifugio Cas. Ich greife gerne bei den Kuchenstückchen und den Rosinen zu. Dazu wähle ich das rote Getränk. Die Blutorangen sehen zwar verlockend aus, ich verzichte jedoch vorsichtshalber wegen der Säure.
Den Wald hinunter zum abflußlosen Karsttal geht es in direkter Linie. Der breite Wanderweg wird zwar gequert, aber nicht gelaufen. Nicht gelaufen? Ein Läufer vor mir übersieht die Markierungen und biegt vor mir nicht in den Waldpfad ein sondern bleibt auf dem Wanderweg. Hallo ist international und wird verstanden. Dankbar klopft er mir auf die Schulter. Selber laufe ich zwar immer richtig, muss aber gestehen, dass auch ich mich beinahe verlaufen hätte. Man muss auf die Markierungen achten und darf sich nicht auf den Verlauf der Wege verlassen.
Aus dem Wald heraus laufen wir auf die mir bekannten Wiesen des Karsttales. Oberflächlich gibt es hier kein fließendes Wasser. Das Wasser der umliegenden Berge wird unterirdisch abgeführt.
Am Ende des Hochtales führt die Laufstrecke durch eine Enge, wo Hirten ihrer Arbeit nachgehen. Ihre Tiere machen Platz und grasen friedlich. Es geht nun steil hinunter auf bekanntem Weg nach Quacella. Der Weg ist auch hier bestens präpariert und markiert. Teilweise ist es ähnlich steil wie beim Abstieg vom Hochgrat beim Alpin-Marathon in Oberstaufen oder hinab vom Scalettapass nach Dürrboden beim K 78. Die Muskulatur hat einiges an Bremsarbeit zu leisten. Der Weg erfordert alle Aufmerksamkeit. Und dabei lohnt doch der Blick auf die herrliche Landschaft. Faszinierend der Blick hinüber nach Polizzi auf dem markanten Bergrücken.
Ich komme an einer Kuhherde vorbei. Einige Tiere halten sich im Schatten verfallener Gebäude auf. Es ist jetzt schon richtig warm. Ich bin fast drei Stunden unterwegs und erreiche die Verpflegungsstelle Quacella bei 1.240m. Der erste lange Abstieg ist geschafft. Der zweite große Aufstieg steht bevor. Es geht hinauf auf 1.912 m Höhe, den Gipfel des San Salvatore.
Wir queren die SP 119 und von rechts stößt die Strecke des Ecotrails auf die unsrige. Der Aufstieg ist mir bekannt und ich freue mich nach dem harten Bergablaufen, wieder in eine andere Belastung der Muskulatur zu kommen. Auf breitem Weg gewinnen wir an Höhe. Man kann gut gehen, es ist nicht zu steil. Der Aufstieg zum San Salvatore kommt mir insgesamt weniger steil und anstrengender vor, als hinauf auf den Monte dei Cervi.